Fall Brokstedt: Buschmann will Informationsfluss zwischen Behörden verbessern

Der Fall Brokstedt zeige mangelhafte Kommunikation zwischen Behörden auf, meint Minister Buschmann. Der Tatverdächtige habe sich mit Anis Amri verglichen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann kritisiert die Arbeit der Behörden im Fall des Messerangreifers von Brokstedt.
Bundesjustizminister Marco Buschmann kritisiert die Arbeit der Behörden im Fall des Messerangreifers von Brokstedt.Foto: Wolfgang Kumm/dpa
Von 7. Februar 2023

Bundesjustizminister Marco Buschmann hat einen besseren Informationsfluss zwischen Organen der Strafverfolgung und Ausländerbehörden gefordert. Anlass sind Enthüllungen über den mutmaßlichen Messerattentäter von Brokstedt, Ibrahim A. Dieser soll sich während seiner Zeit in Untersuchungshaft wegen eines anderen Delikts mit dem Breitscheidplatz-Terroristen Anis Amri verglichen haben.

Ausländerbehörde konnte Ibrahim A. trotz U-Haft nicht finden

Buschmann teilte mit, dass sein Ministerium dazu auch einen konkreten Vorschlag an die Justizministerien der Länder übermittelt habe. Demzufolge sollen Justizverwaltungen die Ausländerbehörden künftig nicht mehr nur über den Erlass und die Aufhebung von Haftbefehlen informieren. Auch die tatsächliche Inhaftierung und Haftentlassung sei künftig anzuzeigen – inklusive der Anschrift der Haftanstalt und der Entlassungsanschrift.

Dies solle die Durchführung von Anhörungen und gegebenenfalls Abschiebungen absichern. Im Fall von Ibrahim A. habe es ein offenes Verfahren gegeben, um diesen des Landes zu verweisen. Eine damit zusammenhängende Anhörung sei jedoch daran gescheitert, dass die zuständige Behörde offenbar nicht wusste, wo sich A. aufhielt.

Dieser wäre jedoch greifbar gewesen, weil er zum Zeitpunkt der geplanten Anhörung in Untersuchungshaft saß. Grund dafür war der Vorwurf, A. habe im Januar 2022 vor einer Essensausgabe für Wohnungslose einen anderen Mann mit einem Messer schwer verletzt. Buschmann äußerte dazu:

Gerade jemandem, der sich mit seiner Gefährlichkeit regelrecht brüstet, darf eine Untersuchungshaft nicht zum Vorteil gereichen. Das ist absurd.“

Tatverdächtiger von Brokstedt wollte für Schlafplatz nach Hamburg reisen

Am 25. Januar soll A. in einem Regionalzug von Kiel nach Hamburg ohne erkennbaren Anlass mit einem Messer auf andere Fahrgäste eingestochen haben. Dabei starb ein junges Paar, fünf weitere Personen erlitten schwere Verletzungen.

Im Vorfeld der Tat hatte A. bisherigen Erkenntnissen zufolge unangemeldet die Kieler Ausländerbehörde zwecks Verlängerung seines Aufenthaltstitels aufsuchen wollen. Diese verwies ihn an das Einwohnermeldeamt, weil ihr A.s Angaben zu seinem Aufenthaltsort als unklar erschienen. Dort tauchte der mutmaßliche Attentäter von Brokstedt jedoch nicht auf.

Der Ausländerbehörde zufolge soll er angedeutet haben, zwecks Finden einer Schlafgelegenheit nach Hamburg fahren zu wollen. Auffälligkeiten seien nicht erkennbar gewesen, erklärte Christian Zierau, der Chef der Kieler Ausländerbehörde.

Auch ein psychiatrischer Gutachter hatte wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke keine besonderen Auffälligkeiten erkennen wollen. Dieser hatte ihn untersucht, weil eine Entlassung aus der Untersuchungshaft anstand – und weder Fremd- noch Selbstgefährdung festgestellt.

Hamburg: Schwere Vorwürfe gegen Justizsenatorin Gallina

Wie der NDR berichtet, kam A. am 19. Januar 2023 aus der Untersuchungshaft frei. Zuvor hatte ihn ein Gericht in Hamburg in erster Instanz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und einer Woche verurteilt. Da A. gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt hatte, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina erklärte dazu, A. sei freizulassen gewesen, weil nicht davon auszugehen wäre, dass die Berufungsinstanz die Strafe verschärfen würde. Gleichzeitig entspreche diese im Wesentlichen der bereits abgesessenen Untersuchungshaft und sei damit abgegolten. Itzehoes Leitender Oberstaatsanwalt Carsten Ohlrogge bestätigte, dass es keine Verpflichtung gebe, aus der Untersuchungshaft Entlassene zu betreuen.

Unterdessen richtet die Opposition in der Hamburgischen Bürgerschaft schwere Vorwürfe an die grüne Senatorin Gallina. Diese habe der Bürgerschaft und dem Justizausschuss in der Vorwoche wesentliche Informationen vorenthalten. So habe sie verschwiegen, dass sich im sogenannten Wahrnehmungsbogen in der Gefangenenpersonalakte der Justizvollzugsanstalt Billwerder Hinweise auf die potenzielle Gefährlichkeit A.s gefunden hätten.

Monate vor Attentat von Brokstedt mit Anis Amri verglichen

Im August 2022 soll A. dem „Tagesspiegel“ zufolge gegenüber Bediensteten erklärt haben:

Es gibt nicht nur einen Anis Amri, es gibt mehrere, ich bin auch einer.“

Bei der Vorbereitung für den Hofgang soll er ebenfalls eine Anspielung auf das Attentat vom Berliner Breitscheidplatz „vor sich hingestammelt“ haben. Auf dem Weg zum Hof habe er einen Bediensteten gefragt, ob dieser auch „unter die Reifen“ wolle. Auch das sei eindeutig auf den mit einem Lastwagen ausgeführten Anschlag vom 19. Dezember 2016 in Berlin gemünzt gewesen.

Die CDU fordert nun eine Sondersitzung des Justizausschusses. In dieser soll Gallina Rede und Antwort darüber stehen, warum diese dokumentierten Vorfälle keine Konsequenzen gehabt hätten. A. soll noch mehrere Male in der Untersuchungshaft als aggressiv und „unangemessen“ aufgefallen sein. Allerdings sei der Vorfall vom 6. August 2022 der einzige gewesen, der auf einen möglichen Extremismus hingedeutet hätte.

Eine automatisierte Anfrage beim Verfassungsschutz habe diesbezüglich ebenfalls keine Hinweise gegeben. Bedienstete seien zudem angehalten, zu beobachten, ob es „Hinweise auf eine extremistische Haltung oder eine Radikalisierung“ gebe. Dies sei nicht der Fall gewesen, heißt es aus dem Ministerium. Eine Einschätzung, die überraschen kann angesichts des Umstandes, dass andernorts bereits die religiös motivierte Abkehr von Alkohol und Drogen als potenzieller Ausdruck von Radikalisierung betrachtet werden soll.

A. hätte als Staatenloser vielleicht nicht abgeschoben werden können

Der aus den Palästinensergebieten stammende 33-jährige Ibrahim A. war in Deutschland bereits mehrfach als Straftäter in Erscheinung getreten. Nach Maßgabe der Gesetze in Schleswig-Holstein galt er jedoch nicht als Intensivtäter. In Euskirchen war er bereits vor dem Vorfall in Hamburg zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Grund sei eine schwere Körperverletzung „mit einem scharfkantigen Gegenstand“ gewesen.

A. hielt sich legal in Deutschland auf und war nicht ausreisepflichtig. Im Jahr 2014 war er eingereist und stellte sich als staatenlos vor. Zwei Jahre später wurde sein Asylantrag abgelehnt, allerdings genoss er seither sogenannten subsidiären Schutz.

Im Jahr 2021 leitete das Bundesamt für Migration und Flüchtling (BAMF) ein Verfahren auf Rücknahme des subsidiären Schutzes ein. Dieses habe man jedoch nicht weiterverfolgen können, weil er wohnungslos war und sein Aufenthaltsort unklar. Über seine Untersuchungshaft habe die Hamburger Justiz weder das BAMF noch die Ausländerbehörde informiert.

Ob es am Ende möglich gewesen wäre, A. den subsidiären Schutz abzuerkennen, bleibt ungewiss. Da seine Staatszugehörigkeit unklar war, hätten die Behörden vor der Schwierigkeit gestanden, zu eruieren, wohin man ihn überhaupt abschieben könne.

(Mit Material von dpa)



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