Gewalt gegen Flüchtlinge: „Heimliche Zustimmung bei knapp jedem Fünften“

Vor wenigen Tagen erschien eine Studie, wonach etwa ein Fünftel der Deutschen Gewalt gegen Flüchtlinge billige. Die Zahlen dazu sind knapp sechs Jahre alt.
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Feuerwehrkräfte löschen den Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Hövelhof bei Paderborn.Foto: Ralf Hilker/Kreis Paderborn/dpa
Von 14. Februar 2023

Mit einer am Montag der Vorwoche (6. Februar) veröffentlichten Studie lässt derzeit ein Forscherteam unter der Leitung von Rafaela Dancygier aufhorchen. Die Professorin für Politik an der Princeton University hatte sich mit der Frage befasst, inwiefern Gewalt gegen Flüchtlinge in Deutschland Akzeptanz finde. Dazu habe sie in vier Durchgängen jeweils 3.000 Personen befragt.

Ihr Befund: Mit knapp 20 Prozent sei der Anteil jener Personen in der Bevölkerung, die Straftaten wie Körperverletzung oder Brandstiftung gegen Geflüchtete legitimiere, überraschend hoch. Zwar sei der typische Täter jung, männlich und verfüge über ein geringes Einkommen, jedoch zeigten sich bezüglich der Akzeptanz rassistisch motivierter Gewalt gegen Flüchtlinge kaum signifikante Unterschiede zwischen Alter, Geschlecht und Einkommen.

Aktuellste Referenzzahlen stammen vom Dezember 2017

Warum diese Studie gerade jetzt das Licht der Öffentlichkeit erblickt, gibt Rätsel auf. Immerhin stammen die Zahlen, die der Auswertung zugrunde lagen, aus der Zeit zwischen September 2016 und Dezember 2017. Auch bleibt das Papier unpräzise, auf welche Weise man an die Teilnehmer herangetreten war. Es ist lediglich davon die Rede, dass es sich um ein Respondi-Panel gehandelt habe.

Die Rekrutierung habe „über eigene Meinungsplattformen und das Telefon“ stattgefunden. Dabei habe der Fokus „auf der intrinsischen Motivation“ gelegen und man sei bestrebt gewesen, eine Verzerrung der Stichprobe durch „professionelle“ Befragte zu vermeiden.

Wie auch in der Studie selbst anklingt, war der Zeitraum der Datenerhebung geprägt von der starken Migrationswelle Mitte der 2010er-Jahre. Man habe Deutschland als Zielland der Studie ausgewählt, weil es Europas bevölkerungsreichstes Land mit der größten im Ausland geborenen Bevölkerung des Kontinents sei. Zudem sei Gewalt gegen Minderheiten dort „tief verwurzelt“, heißt es im Vorwort.

Vier zentrale Aussagen zur Gewalt gegen Flüchtlinge abgefragt

Im Detail fragten die Forscher unter anderem nach der Zustimmung zu vier signifikanten Aussagesätzen. Demnach sagten 18,7 Prozent der Befragten, Feindseligkeit gegen Flüchtlinge sei „manchmal gerechtfertigt, auch wenn sie in Gewalt endet“. Mit 17,7 Prozent fast ebenso viele Befragte stimmten der Aussage zu, im Kontext mit der Flüchtlingspolitik sei „Gewalt manchmal der einzige Weg, um die Aufmerksamkeit deutscher Politiker zu erlangen“.

Die Auffassung, Angriffe auf Flüchtlinge seien „manchmal nötig, um Politikern zu zeigen, dass es ein Problem gibt“, bejahten 16,7 Prozent. Und 14,2 Prozent stimmten der Aussage zu, fremdenfeindliche Gewalt sei „zu verteidigen, wenn sie zu weniger Flüchtlingszuzug in der eigenen Stadt führt“.

Zusätzlich zur Zustimmungsabfrage für Aussagen habe es auch ein „Kandidatenwahlexperiment“ gegeben. Dazu habe man fiktive Kandidaten kreiert und diesen bestimmte Aussagen zugeordnet. Im Ergebnis hätten „Unterstützer von Hassverbrechen“ Kandidaten bevorzugt, die „den Einsatz von Waffengewalt gegen Flüchtlinge befürworten“. Das diesbezügliche Musterbeispiel war für die Forscher die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry. Diese hatte Anfang 2016 gefordert, „notfalls Schusswaffen“ zur Grenzsicherung einzusetzen.

Im vierten Durchgang der Studie hätten zwischen 38,7 und 42,5 Prozent der Befragten, die mindestens einer der vier Kernaussagen zustimmten, AfD gewählt. Zwischen 15,1 und 20,7 Prozent hätten der CDU bei der Bundestagswahl 2017 die Stimme gegeben.

In den 2010er-Jahren nur wenige Täter ermittelt

Die Princeton-Studie enthüllt unterdessen kein bislang unbekanntes Phänomen. Tatsächlich hatte bereits das NDR-Magazin „Panorama“ im Jahr 2015 über vorsätzlich herbeigeführte Brände in geplanten Flüchtlingsunterkünften berichtet. Neben Betroffenheit hätten Bewohner der betreffenden Gemeinden in einzelnen Fällen auch zum Teil Verständnis zum Ausdruck gebracht. Zur Begründung führten sie Angst und das Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber Politikern an, die über ihren Kopf entschieden.

In den 1990er-Jahren waren es vor allem Rechtsextremisten, die aus ideologischen Gründen Asylunterkünfte angezündet hatten. Eine breite Medienberichterstattung zog vielfach auch Nachahmer an. Demgegenüber gab es Mitte der 2010er-Jahre deutlich weniger Ermittlungserfolge im Zusammenhang mit Übergriffen dieser Art.

Wo die Polizei Tatverdächtige ermitteln konnte, hatten diese in den meisten Fällen keinen Bezug zum Rechtsextremismus. Stattdessen seien diese größtenteils der „Mitte der Gesellschaft“ zuzurechnen gewesen, äußerte Bernd Merbitz, Leiter des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) in Leipzig. Experten aus Polizei und Verfassungsschutz waren sich auch einig darüber, dass die Gewaltbereitschaft „durch Internet-Beiträge und durch gesellschaftliches Anerkanntsein offensichtlich geschürt wird“. Täter fühlten sich demnach als Vollstrecker „des sogenannten Volkswillens“.

Gewalt gegen Flüchtlinge mittlerweile wieder rückläufig

Nachdem bereits 2014 die Zahl der bundesweiten Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte von 55 auf 170 angestiegen war, nahm diese in den darauf folgenden Jahren noch weiter zu. Der Verfassungsschutzbericht des Bundes sprach von 907 Brandanschlägen dieser Art im Jahr 2016. Im Jahr zuvor waren es 894 gewesen.

Das BKA gab später an, es habe 2015 insgesamt 1.031 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte gegeben, im Jahr 2016 seien es 988 gewesen. Insgesamt habe es im Jahr 2016 mehr als 3.500 strafrechtlich relevante „Vorfälle“ im Kontext der Flüchtlingskrise gegeben.

Seither entwickelt sich diese Form der Kriminalität deutlich rückläufig. Einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion zufolge habe es im Jahr 2021 noch 70 Anschläge auf Unterkünfte gegeben. Habe es 2016 laut BKA zudem noch 2.545 Straftaten gegen Flüchtlinge außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte gegeben, seien es vor zwei Jahren 1.184 Angriffe dieser Art gewesen.

Nichtregierungsorganisationen wie die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) oder Pro Asyl nennen zum Teil deutlich höhere Fallzahlen. Sie berufen sich dabei auf Quellen wie gesammelte Medienberichte oder Angaben von Beratungsstellen.



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