Laborbetreiber raten von unnötigen Tests ab: "Die Zahl der Tests muss man steuern, sonst überfordert man das System"
Derzeit werden in Deutschland zahlreiche Coronavirus-Tests durchgeführt. Laborbetreiber warnen jedoch davor, sich aus Neugierde einem Test zu unterziehen.

Test auf Coronavirus.
Foto: THOMAS KIENZLE/AFP via Getty Images
Die Parole der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Kampf gegen die Corona-Pandemie lautet: „Testen, testen, testen“. Südkorea gilt hier mit seinen vielen Tests als Vorbild.
Die Forderung nach deutlich mehr Corona-Tests in Deutschland hält Evangelos Kotsopoulos, Vorstandsmitglied beim Berufsverband Akkreditierte Labore (ALM), zum jetzigen Zeitpunkt für unrealistisch.
„Die Zahl der Tests muss man steuern, sonst überfordert man das System“, sagte Kotsopoulos „Zeit-Online“. „Eine Bevölkerung unserer Größe einfach mal durchzutesten, das ist momentan praktisch nicht möglich.“
Es gebe weltweit nur fünf oder sechs größere Lieferanten für die Materialien, die die Labore in Deutschland benötigten. Diese hätten zwar schon die Produktion erhöht, „das reicht aber nicht überall aus“, sagte Kotsopoulos.
Deutschland gut aufgestellt
Der Unternehmer hält Deutschland auch im Vergleich mit Südkorea bereits für gut aufgestellt. Während Südkorea aktuell schätzungsweise täglich etwa 20.000 Tests am Tag durchführe bei einer Bevölkerung von knapp mehr als 50 Millionen Menschen, komme Deutschland auf 58.000 Tests pro Tag.
Allein in der vergangenen Woche, sagte Kotsopoulos, seien mehr als 260.000 Corona-Tests in Deutschland durchgeführt worden. Mehr als 85 Labore führten die Tests in ganz Deutschland durch. Allerdings müsse man sicherstellen, dass nicht nur die Quantität der Tests auf das Coronavirus hoch sei, sondern auch die Richtigen getestet würden.
Nicht notwendige Tests weglassen
„Deshalb müssen medizinisch nicht notwendige Tests reduziert werden“, forderte Kotsopoulos. „Um Platz zu machen für diejenigen Patientinnen und Patienten, die solche Tests wirklich benötigen.“
Momentan bekämen „zu viele Personen einen Test, die eigentlich keinen brauchen“, sagte Kotsopoulos. „Das sind Menschen, die sich aus verständlichen Gründen Sorgen machen, die aber keine Symptome haben und einfach nur mal wissen wollen, ob sie sich vielleicht angesteckt haben.“
Er werfe niemandem vor, dies aus reiner Neugier zu tun. Angesichts der schwierigen Situation müsse sich jetzt aber jeder disziplinieren.
Südkorea testet und verzichtet auf Ausgangsbeschränkungen
In Südkorea wurden bereits 300.000 Coronoavirus-Tests vorgenommen. Dort werden alle Infizierten isoliert und die Kontaktpersonen mittels Videoüberwachung, Handy- und Bankdaten ausfindig gemacht und ebenfalls getestet. Auch in Singapur erwies sich dieses Vorgehen bisher als erfolgreich.
Auf drastische Einschränkungen des öffentlichen Lebens und Ausgangsbeschränkungen verzichteten beide Länder. „Massenhafte Tests sind in der Theorie fantastisch, aber Speziallabore wachsen nicht auf Bäumen“, schreibt der philippinische Infektiologe Edsel Salvana auf Twitter. Die WHO-Maßgabe gehe an der Realität vieler Länder vorbei.
„Ich bewundere, was Südkorea gemacht hat, und würde genauso vorgehen, wenn wir genügend Geld und Ressourcen hätten. Aber das ist nicht der Fall, meine Kollegen tragen Müllsäcke als Schutzkleidung“, schreibt der Mediziner weiter.
Südkorea und Singapur gut vorbereitet
Die Schwierigkeit, das südkoreanische Modell zu übertragen, betrifft nicht nur arme Länder. Auch in Frankreich oder Spanien wird zum Beispiel viel weniger getestet. „Es gibt eine enorme Nachfrage nach RT-PCR-Tests und Schwierigkeiten bei der Lieferung“, sagt Epidemiologe Flahault.
In Südkorea und Singapur gab es diese Engpässe nicht. „Diese Länder haben die Sars- und die Mers-Epidemien erlebt und daraus Lehren gezogen“, sagt die französische Virologin Anne Goffard. Dadurch seien sie für die Corona-Epidemie besser vorbereitet und ausgestattet gewesen. (afp/dpa/nh)
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