Opposition im hessischen Landtag beantragt Untersuchungsausschuss zu Lübcke-Mord

Ein Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag soll ein möglichen Versagen der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke prüfen. Im Strafprozess um den Mord begann indes die Beweisaufnahme.
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Neben dem Mord an Walter Lübcke geht es in dem Verfahren auch um zahlreiche Verstöße gegen das Waffengesetz und den Angriff auf einen jungen Iraker.Foto: Thomas Lohnes/Getty Images Europe/Pool/dpa/dpa
Epoch Times18. Juni 2020

Die drei Oppositionsfraktionen SPD, FDP und Linke stellten am Donnerstag in Wiesbaden dazu einen gemeinsamen Antrag vor, über den der Landtag in der kommenden Woche abstimmen soll. Im Strafprozess um den Mord begann indes die Beweisaufnahme.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, nannte den Ausschuss „unverzichtbar“. Es müsse geklärt werden, warum die Sicherheitsbehörden und insbesondere der hessische Verfassungsschutz die von dem Rechtsextremisten Stephan E. ausgehende Gefahr „so schwerwiegend unterschätzt haben“. Obwohl der Verfassungsschutz E. einst als „brandgefährlich“ bezeichnet habe, habe ihn das Landesamt später als „abgekühlt“ bewertet und nicht weiter überwacht.

Der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion, Hermann Schaus, warf dem Verfassungsschutz und Innenminister Peter Beuth (CDU) vor, Hinweise über die rechtsextremistischen Aktivitäten von Stephan E. „ignoriert oder falsch eingeordnet“ zu haben. Es gebe kein Vertrauen mehr in deren Aufklärungsbereitschaft.

Der FDP-Innenpolitiker Stefan Müller betonte, der Untersuchungsausschuss diene der politischen Aufarbeitung des Mords an Walter Lübcke. Innenminister Beuth bekräftigte, dass er eine parlamentarische Aufarbeitung nach Kräften unterstützen werde.

Im Strafprozess um den Mord an Lübcke gegen Stephan E. und Markus H. begann am Donnerstag, dem zweiten Verhandlungstag, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main die Beweisaufnahme mit dem Abspielen eines Videos von der ersten Vernehmung E.s aus dem Juni 2019. Darin hatte er den Mord an Lübcke in der Nacht zum 2. Juni 2019 gestanden.

In der Aufnahme gab er zu, dass er 2017 beschlossen habe, Lübcke während der jährlich stattfinden Kirmes in Wolfhagen-Istha zu töten: „Guck sie dir an, die feiern da – für die scheint die Welt in Ordnung“, habe er damals gedacht. Und weiter: „Ich möchte, dass der Terror zu ihnen kommt.“

2018 sei er dann während der Kirmes zu Lübckes Haus gefahren und habe darauf gewartet, dass er auf die Terrasse tritt. Als Lübcke dort tatsächlich zu sehen gewesen sei, habe er überlegt, „es zu tun“. Schließlich habe er sich dagegen entschieden. Er wisse aber nicht mehr, warum er diese Entscheidung getroffen habe.

E. sagte in dem Video zudem, dass er sich schon 2010, als er wegen Ausschreitungen bei einer Maidemonstrationen in Dortmund zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, von der rechtsextremistischen Szene habe lossagen wollen. Dies sei ihm später zeitweise auch gelungen. „Ich wollte ein normales Leben führen“, sagte E. in dem Video. Als er von seinen jugendlichen Kindern sprach, brach er in Tränen aus. Beim Betrachten dieser Sequenz begann E. auch am Donnerstag im Verhandlungssaal zu weinen.

Später begegnete E. laut seiner Videoaussage Markus H. wieder, der mit ihm in der rechtsextremen Szene aktiv gewesen sei. Im Lauf der Zeit habe er sich wieder radikalisiert, sagte E. und ergänzte, dass er durch Schlüsselmomente wie den Anschlag von Nizza einen immer stärkeren Hass entwickelt habe. Immer wieder habe er sich Videos der Ereignisse angeschaut und zunehmend Lübcke dafür verantwortlich gemacht.

Am Schluss des Videos drückte E. sein Bedauern über die Tat aus. „Was ich getan habe tut mir unendlich leid“, sagte er unter Tränen. Er bereue, dass er der Familie einen „lieben Menschen genommen habe, der nicht wieder zurückkommt“. Niemand solle „für die Worte, die er sagt, sterben“.

Dem Video komme „ein hoher Stellenwert als Beweismittel zu“, sagte Nebenklageanwalt Holger Matt in einer anschließenden Stellungnahme. Der Anwalt der Familie Lübcke hält die Aufnahme nach eigener Ausage für glaubhaft.

Das Geständnis bei der Polizei vom Juni 2019 widerrief E. wenig später. Im Januar 2020 belastete er in einem neuen Geständnis vor einem Ermittlungsrichter seinen mutmaßlichen Komplizen H., Lübcke versehentlich erschossen zu haben. (afp)



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