Schwache Konjunktur drückt Steuerschätzung nach unten: Ist jetzt die CO2-Steuer vom Tisch?

Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat seine Steuerschätzung vom November des Vorjahres nach unten korrigiert. Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2023 mit voraussichtlich 124,3 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen. Grund sind weiter eingetrübte Konjunkturdaten.
Titelbild
Olaf Scholz (SPD) am 23. März 2019 in Berlin.Foto: Michele Tantussi/Getty Images
Von 9. Mai 2019

Für Bundesfinanzminister Olaf Scholz, der bereits vor seinem Wechsel in die Bundespolitik vielerorts als einer von wenigen Spitzenpolitikern der SPD genannt wurde, die ihre Partei perspektivisch wieder in das Rennen um das Bundeskanzleramt zurückführen könnten, standen die letzten Wochen unter keinem guten Stern.

Vor zwei Wochen waren die Fusionsgespräche zwischen Deutscher Bank und Commerzbank gescheitert, obwohl Olaf Scholz mit großem persönlichem Einsatz versucht hatte, Bedenken gegen einen solchen Zusammenschluss zu zerstreuen. Nun die nächste Hiobsbotschaft: Scholz muss seine Steuerschätzung vom November des Vorjahres korrigieren.

Zwar könnten die Haushalte weiter mit steigenden Einnahmen rechnen. Bedingt durch eine schwächere Konjunktur würden sich die Zuwächse jedoch in einem wesentlich bescheideneren Rahmen halten als erhofft.

Zweckoptimismus bei Scholz

Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2023 mit voraussichtlich 124,3 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als noch bei der Schätzung im November vorhergesagt. Im November hatten, wie die „Welt“ berichtet, die Steuerschätzer für die Zeit bis 2022 noch ein Plus von 6,7 Milliarden Euro für Bund, Länder und Kommunen berechnet. Gegenüber den Jahren zuvor war das bereits ein ernüchterndes Ergebnis. Nun musste die Bundesregierung auch noch ihre Wachstumsprognose von 1,8 Prozent, wie sie im November noch gelautet hatte, auf 0,5 Prozent senken.

Laut der am Donnerstag vorgestellten Prognose des Arbeitskreises Steuerschätzung muss der Bund in den Jahren von 2019 bis 2023 insgesamt mit 35,2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen rechnen als noch im November vorhergesagt. Berücksichtigt man auch die Auswirkungen von seither erfolgten Änderungen des Steuerrechts, so beträgt das Minus für den Bund sogar 70,6 Milliarden Euro. Dies ist laut Scholz bis auf 10,5 Milliarden Euro jedoch in den Eckpunkten für den Haushalt 2020 und in der Finanzplanung bis 2023 eingerechnet.

Scholz übt sich in einer ersten Reaktion in Gelassenheit und Zweckoptimismus. Er wies am Donnerstag (9.5.) in Berlin darauf hin, dass auch nach der aktuellen Mai-Steuerschätzung in absoluten Zahlen die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren weiter ansteigen. Auch von einer Konjunkturkrise könne keine Rede sein. Zudem sei der größte Teil der Mindereinnahmen bereits in seiner Haushaltsplanung berücksichtigt.

Mahnung zu strikter Haushaltsdisziplin

In den kommenden vier Jahren sei, so der Bundesfinanzminister, auch unter Berücksichtigung der korrigierten Schätzung mit Steuereinnahmen von mehr als einer Billion Euro zu rechnen. Mindereinnahmen von insgesamt 10,5 Milliarden Euro gegenüber dem Finanzplan bis 2023 stellten die Haushalte angesichts dessen vor eine „überschaubare Aufgabe“. Auch für das laufende Jahr seien trotz Steuerausfällen von 3,7 Milliarden Euro für den Bund keine gesonderten Maßnahmen erforderlich. „So viel Luft haben wir uns gelassen“, sagte Scholz.

Auch wenn die korrigierte Schätzung keinen Anlass zur Beunruhigung gäbe, sei mehr denn je die Wahrung der Haushaltsdisziplin unabdingbar, meint der Minister. Er habe mit Bundeskanzlerin Angela Merkel Konsens darüber erzielt, „dass wir dabei bleiben wollen“, wenn es um das Ziel eines Haushalts ohne Neuverschuldung gehe. Die Regierung wolle auch künftig eine „sehr aktive Haushaltspolitik betreiben“, dabei aber „besonders sorgfältig auf die Finanzierung“ achten.

Das von ihm selbst an vorderster Front betriebene Prestigeprojekt der SPD, die Grundrente, will er nicht infrage stellen. Diese sei, wenn es gelingt, die angemahnte Ausgabendisziplin zu wahren, mit der aktuellen Haushaltsentwicklung vereinbar. Prioritäre Maßnahmen der Bundesregierung seien generell bereits eingepreist, für neue Vorhaben gelte allerdings, „dass die Anforderungen an die Finanzierung höher geworden sind“. Inwieweit sich im November noch nicht eingerechnete Faktoren wie Steuerentlastungen über das Familienpaket, Kita-Milliarden oder Maßnahmen zur Entlastung von Ländern und Kommunen bei den Flüchtlingskosten nun zusätzlich auswirken, ist noch offen.

Rufe nach Steuerentlastung aus der Union

Scholz kündigte für die kommenden Tage Gespräche in der Koalition über das weitere Vorgehen an. Die Ressorts seien dazu aufgefordert, Prioritäten zu definieren und alle Vorhaben, die mit diesen nicht konformgingen, nach hinten zu schieben. Aus der CDU kommen Forderungen, die Wirtschaft zu entlasten und Maßnahmen zu treffen, um die Konjunktur zu beleben. Dies fordert beispielsweise Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt verlangt ebenfalls nach entlastenden Maßnahmen, etwa durch die Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Der Chefhaushälter der Fraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), sieht dafür hingegen keinen Spielraum. CDU-Fraktionsvize fordert steuerliche Entlastungen und eine Ausgabenbegrenzung. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warnte vor möglichen Unionsplänen zur Kürzung von Sozialleistungen.

Die neuen Zahlen der Steuerschätzung und die darin zum Ausdruck kommenden Auswirkungen der Konjunktureintrübung könnten zudem zumindest in der Union die Hemmschwelle anheben, der von linken Parteien und linksliberalen Exponenten der Union wie Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther oder der „Union der Mitte“ angestrebten CO2-Steuer näherzutreten. Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte sich Anfang der Woche von Plänen dieser Art distanziert.

Mehrere Politiker der AfD argwöhnen, dabei könnte es sich um ein taktisches Manöver vor der Europawahl gehandelt haben – und dass die CDU nach dem Wahltag wieder „umfallen“ könnte. (Mit Material von AFP und dpa)



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