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Streit in der Koalition

SPD fordert „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt - Union sieht keinen Handlungsbedarf

Die jüngsten Aussagen von Kanzler Merz über „Probleme im Stadtbild“ deutscher Städte sorgen weiter für Spannungen in der Koalition. SPD-Abgeordnete verlangen nun einen Gipfel im Kanzleramt und haben ein eigenes Konzeptpapier zur Verbesserung des öffentlichen Raums vorgelegt.

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Zahlreiche Menschen nehmen an einer Kundgebung auf dem Opernplatz in Hannover teil.

Foto: Moritz Frankenberg/dpa

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Lesedauer: 6 Min.


In Kürze:

  • SPD-Abgeordneter Ahmetovic fordert „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt
  • Nach umstrittenen Aussagen von Kanzler Merz zur Migration wächst innerkoalitionärer Druck
  • SPD-Abgeordnete legen eigenes Acht-Punkte-Papier für „soziales, sicheres und solidarisches Stadtbild“ vor
  • Union lehnt Gipfel ab – Spahn spricht von „Empörungszirkus“

 
Die jüngsten Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz zum „Stadtbild“ deutscher Städte im Kontext des Migrationsthemas belasten weiterhin die Koalition. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Adis Ahmetovic hat am Montag, 27. Oktober, einen „Stadtbild“-Gipfel im Kanzleramt gefordert. Gegenüber „Bild“ erklärte er, ein solcher sei ebenso vonnöten wie jene mit der Stahl- und Automobilindustrie.
An dem Treffen sollen nach Auffassung des niedersächsischen Abgeordneten Merz selbst sowie Vertreter der Bundestagsfraktionen und der Sozialverbände teilnehmen. Außerdem sollen Vertreter von Großstädten, kommunalen Verbänden und den Fraktionen Input geben.
Der Bundeskanzler hatte Mitte des Monats gegenüber Reportern über Erfolge der Koalition in der Migrationspolitik gesprochen. Dabei verwies er auf rückläufige Zahlen an Asylbewerbern. In diesem Kontext hatte er auch von nach wie vor bestehenden „Problemen im Stadtbild“ deutscher Städte gesprochen.

SPD will über das „Stadtbild“ diskutieren – ohne Ressentiments gegen Migranten

Diese Äußerung hatte teilweise heftige Reaktionen ausgelöst. Obwohl Merz später präzisiert hatte, nur Auswirkungen illegaler Migration gemeint zu haben, fanden in der vergangenen Woche und am Wochenende in mehreren Städten des Landes Demonstrationen statt. An den Kundgebungen, auf denen gegen Merz Vorwürfe der Diskriminierung und teilweise sogar des Rassismus laut wurden, nahmen vereinzelt auch SPD-Politiker teil – unter anderem Fraktionsvize und Bundestagsabgeordnete Wiebke Esdar.
Ahmetovic und mehrere weitere SPD-Abgeordnete haben nun ein Acht-Punkte-Papier vorgelegt, in dem es um Verbesserungen des Stadtbilds in Großstädten geht. Das Papier ist zwar bis jetzt nicht auf der offiziellen Fraktionsseite zu finden. SPD-Parlamentsgeschäftsführer Dirk Wiese hatte sich jedoch mit dem Vorstoß solidarisiert.
Das Papier sei ein „Debattenbeitrag“ und solle dazu beitragen, die Stadtbild-Debatte zu versachlichen „und nicht auf das Thema Migration zu verengen“. In dem Papier „für ein soziales, sicheres und solidarisches Stadtbild“ nennen die sozialdemokratischen Autoren mehrere Aspekte, die aus ihrer Sicht Schwierigkeiten im Stadtbild herbeiführen.

Beleuchtung, Wohnen und Prävention zur Verbesserung des Stadtbilds

Die Sicherheit ist dabei als der erste Aspekt genannt – „besonders für Frauen, Mädchen sowie Seniorinnen und Senioren“. Mehr Sicherheitskräfte seien dabei sinnvoll. Allerdings entstehe echte Sicherheit „durch Respekt und soziale Verantwortung, nicht durch Angst oder Abschottung“. Deshalb setze man auf „Prävention statt Ausgrenzung“.
Dazu gehörten „aufsuchende Sozialarbeit“ und mobile Dienste ebenso wie Antidiskriminierungsarbeit und „Programme gegen rassistische Gewalt“. Die Sozialdemokraten wollen unter anderem durch bessere Beleuchtung, Notrufsysteme und sichere Wegekonzepte Vertrauen schaffen.
Andere Themen, die in dem Papier zur Sprache kommen, sind Wohnen oder unzureichende Digitalisierung ebenso wie die Verwahrlosung öffentlicher Räume. Das SPD-Papier nennt aber auch fehlende soziale Infrastruktur, fehlenden öffentlichen Nahverkehr und fehlende kommunale Räume für Sport und Kultur als Ursachen für Probleme im Stadtbild.

Spahn: „Integrierte Einwanderer haben uns verstanden“

Der Unionsparlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger will hingegen mit der SPD lediglich über eine „konsequentere Innenpolitik“ reden. Der Bundeskanzler habe „die Problemlage klar benannt, eine weitere Erörterung ist nicht nötig“. Bilger hatte die Teilnahme Esdars an einer Protestkundgebung gegen Merz kritisiert. Diese trage „leichtfertig dazu bei, dass die Menschen uns weniger zutrauen, gut zu regieren“, sagte der CDU-Politiker dem „Tagesspiegel“.
Auch Unionsfraktionschef Jens Spahn warf der SPD „Opposition in der Regierung“ vor. Dies habe „noch nie funktioniert, das geht auch nie gut im Ergebnis“. Er sprach von einem „linken Empörungszirkus“. Am Sonntag sagte er im „Bericht aus Berlin“ der ARD, es gehe in der Debatte um „Verwahrlosung, Drogenkriminalität“ sowie Stadtteile, in denen „Juden, Schwule, Frauen sich nicht hintrauen“.
Integrierte Bürger mit Migrationsgeschichte wüssten, so Spahn, dass es bei den Äußerungen „nie um Ethnie oder Hautfarbe“ gegangen sei. Vielmehr habe Merz eine „kulturelle, religiöse Prägung“ und „Gewaltaffinität“ gemeint, die Probleme im Alltag verursachten. Dies hätten auch die meisten Menschen so verstanden.

Banaszak kritisiert „dahingerülpste“ Aussage von Merz

Grünen-Bundeschef Felix Banaszak hingegen erklärte am Montag auf einer Pressekonferenz, Merz habe durch seine „dahingerülpste“ Aussage polarisiert. Viele Bürger mit Migrationsgeschichte sähen dies als „Angriff auf ihre Sicherheit und Zugehörigkeit“. Als Kanzler einer Einwanderungsgesellschaft müsste er die Menschen zusammenführen, statt zu spalten. Die nunmehrigen Proteste seien ein „wichtiges Zeichen der Solidarität“.
In sozialen Medien bleibt die Stadtbild-Debatte weiterhin präsent. FDP-Generalsekretärin Nicole Büttner äußert auf X, die Äußerungen von Merz hätten „nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun“. Sie fügte hinzu:
„Sich sicher fühlen zu wollen ist kein Luxus, sondern Staatsaufgabe.“
Der Dortmunder SPD-Funktionär Silvan Theiss hingegen kritisiert die Union für ihre Weigerung, den „Stadtbild-Gipfel“ einzuberufen. Er wirft dieser vor, zwar eine Debatte vom Zaun zu brechen, sich aber dann vor Lösungen zu drücken.

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Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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