Neue Belastungsprobe für die Koalition
SPD fordert tiefgreifende Reform der Erbschaftssteuer - Söder warnt vor „Enteignungsfantasien“
Bei der Erbschaftssteuer droht der Koalition eine neue Belastungsprobe. Sowohl die Jungsozialisten als auch SPD-Abgeordnete des Seeheimer Kreises fordern tiefgreifende Änderungen. Die CSU beabsichtigt, dem Bund die Kompetenz in diesem Bereich komplett zu entziehen.

Philipp Türmer, Vorsitzender der Jusos. Die SPD-Jugend fordert deutliche Veränderungen bei der Erbschaftssteuer.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
In Kürze:
- Zwei Flügel der SPD – Jusos und Seeheimer Kreis – fordern eine umfassende Reform der Erbschaftssteuer.
- Beide Initiativen zielen auf höhere Belastungen großer Vermögen und Unternehmen.
- CDU und CSU warnen vor wachstumshemmenden Effekten – Söder bezeichnet die Pläne als „Enteignungsfantasien“.
- Die Debatte gewinnt durch neue Daten über Vermögensungleichheit an Dynamik.
In der Koalition bahnt sich ein neuer Konflikt an. Gleich zwei Flügel der SPD fordern Reformen der Erbschaftssteuer, die jeweils auf eine Erhöhung hinauslaufen. Sowohl die Jusos als auch der als konservativ geltende Seeheimer Kreis haben Vorstöße in dieser Richtung unternommen.
Die Jungsozialisten werden Ende November ihren Bundeskongress abhalten. In ihrem Leitantrag zur „Agenda 2010“ machen sie die damit verbundene „neoliberale“ Politik für den „Geldadel“ verantwortlich, der sich „in den letzten Jahrzehnten zementiert“ habe. Deshalb wollen sie diesen nicht nur durch eine höhere Erbschaftssteuer belasten, sondern auch die Vermögenssteuer wieder einführen.
Im Juso-Antrag heißt es: „Dieser Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit droht den demokratischen und sozialen Rechtsstaat zu zerstören. […] Die Antwort auf diese Entwicklung ist konsequenter Klassenkampf.“
Jusos und Seeheimer halten Einnahmen aus Erbschaftssteuer für zu gering
Der Seeheimer Kreis hat wiederum ein eigenes Papier mit dem Titel „Gerechtigkeit schafft Stärke – Leitplanken für die Finanzpolitik von morgen“ vorgelegt. Dieses stammt aus der Feder der Bundestagsabgeordneten Parsa Marvi und Philipp Rottwilm. Die Seeheimer beklagen, dass im Jahr 2023 nur 121,5 von 400 vererbten oder verschenkten Milliarden überhaupt steuerlich erfasst worden seien.
Noch weniger davon sei tatsächlich versteuert worden. Nur 9,2 Milliarden Euro habe der Bund in jenem Jahr an Erbschafts- und Schenkungssteuer eingenommen. Das sei gerade einmal ein Anteil von knapp 1 Prozent am Gesamtsteueraufkommen gewesen. Auf knapp 8 Milliarden Euro habe der Staat im selben Jahr hingegen zugunsten von Unternehmenserben verzichtet.
In dem Papier sprechen die Abgeordneten an, dass das Stiftungsrecht gerade bei größeren Vermögen ein häufig gewählter Weg sei, um die Erbschaftssteuer teilweise oder vollständig zu umgehen. Allein 3.630 Großvermögen mit einem Gesamtwert von 260 Milliarden Euro hätten dadurch in der Zeit zwischen 2009 und 2020 ihren Eigentümer gewechselt.
Sozialdemokraten schlagen „stille Beteiligung des Staates“ und „Lebensfreibetrag“ vor
Der Seeheimer Kreis fordert nun die „Abschaffung oder deutliche Einschränkung der Steuerprivilegien für große Unternehmensvermögen“. Man ist sich zwar dessen bewusst, dass an diesen Arbeitsplätze hängen. Die Weiterführung von Betrieben soll jedoch durch „langfristige Steuerstundungen, Verrentungen oder stille Beteiligungen des Staates“ gesichert werden.
Die Höhe der Freibeträge wollen die SPD-Abgeordneten ebenfalls anpassen. Dafür komme entweder eine Berücksichtigung der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt oder die Schaffung eines einmaligen „Lebensfreibetrages“ in Betracht. Ein weiterer Punkt ist die „Prüfung, ob die Mehreinnahmen über die Erbschaftsteuer nicht teilweise dem Bund über die Verteilung der Umsatzsteuerpunkte zufließen könnten“.
Bereits im September hatte SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ eine umfassende Reform der Erbschaftssteuer gefordert. Er brachte dabei eine Deckelung des Gesamtbetrages an Vermögen vor, den jede Person in ihrem Leben steuerfrei verschenken oder vererben könne. Alles, was darüber hinausgehe, sei zu versteuern.
Klüssendorf fordert ein „gerechtes Gesamtpaket“
Auf diese Weise solle „Kettenschenkungen“ entgegengewirkt werden, die jeweils unter Ausschöpfung von Freibeträgen vorgenommen würden. Klüssendorf nannte keine konkrete Zahl dahingehend, wie hoch der Lebensfreibetrag sein solle. Es sei „keine Erpressung, einzufordern, dass alle ihren gerechten Betrag leisten, um das Land voranzubringen“, betonte der Generalsekretär.
Man dürfe nicht nur über Leistungskürzungen reden, es benötige ein „gerechtes Gesamtpaket“. In diesem Kontext wies Klüssendorf auch die Darstellung zurück, die von der SPD geforderten Änderungen an der Erbschaftssteuer seien ein „Tauschgeschäft“ gegen die Verschärfungen beim Bürgergeld.
Klingbeil: Erbschaftssteuerreform soll Leistungsprinzip stärken
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) hatte schon Ende September für eine Erhöhung der Erbschaftssteuer geworben, um die Lücke in den Bundeshaushalten 2027 bis 2029 zu schließen.
„Wir vererben jedes Jahr in Deutschland zwischen 300 und 400 Milliarden. Menschen, die viele Millionen erben, zahlen oft so gut wie keine Erbschaftssteuer.“ Das sei „unfair“, sagte der SPD-Vorsitzende. Es gebe „große Millionenerbschaften“, und die Welt gehe nicht unter, „wenn man die ein bisschen stärker heranzieht“, so Klingbeil.
Er habe einst gelernt, dass man mit Anstrengung im Leben vorankomme. In Berlin hingegen könne man „der Beste in der Schule gewesen sein, der Beste im Studium, der Fleißigste auf der Arbeit: Du wirst dir keine Eigentumswohnung in Berlin leisten können“, sagte er. „Aber du kannst der Schlechteste in der Schule, der Schlechteste im Studium und der Faulste im Job sein. Wenn du geerbt hast, kaufst du dir eine Wohnung in Berlin. Das untergräbt doch das Leistungsprinzip in unserem Land, und das will ich wieder ändern.“
Söder: „Enteignungsfantasien von ganz links außen“
CSU-Chef Markus Söder hingegen spricht in der Erbschaftssteuerdebatte laut „Merkur.de“ von „Enteignungsfantasien von ganz links außen“.
Auf X veröffentlichte er den Ausschnitt aus seiner Rede vom Wochenende, in der er auf das Thema einging. Die CSU hatte in München ihr 80-jähriges Gründungsjubiläum gefeiert. Söder stellt das Thema der Erbschaftssteuer vorrangig als solches der Würdigung von Leistung dar. Auf X schrieb er:
„Ohne Leistung kann sich eine Gesellschaft nicht weiterentwickeln. Für uns ist klar: Leistung muss sich lohnen! Und wer sein Leben lang hart gearbeitet hat, der muss selbst entscheiden, was er seinen Kindern und Enkelkindern vererbt.“
Bayern fordert Regionalisierung der Erbschaftssteuer
Söder hatte vor einigen Wochen gefordert, die Erbschaftssteuer zu regionalisieren. Die Bundesländer könnten so in einen Wettbewerb um die besten Wege treten – SPD-geführte Länder könnten die Erbschaftssteuer dann erhöhen, Bayern könne sie senken. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) forderte am Montag sogar deren vollständige Abschaffung.
Auch der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) fordert schon im September ein Ende der Debatte über die Erbschaftssteuer. Gegenüber den Zeitungen der Mediengruppe Bayern äußerte er:
„Hohe Steuern gefährden die Wettbewerbsfähigkeit, weil sie zwar erst schnell mehr Geld einbringen, dann aber das Wachstum bremsen.“
Im Wahlkampf hatten CDU und CSU versprochen, die Erbschaftssteuern auf Eigenheime deutlich zu senken. Viele Bürger hätten Angst davor, dass eine zu hohe Belastung ihre Eigenheime unvererbbar mache. Bayern klagte sogar vor dem Bundesverfassungsgericht und will auf diese Weise eine Regionalisierung der Erbschaftssteuer erzwingen. Es habe seit 15 Jahren keine Anpassung der Freibeträge gegeben. Die Immobilienpreise seien hingegen seither deutlich gestiegen.
Ungleichheit in Deutschland: Eigenheim leichter zu erben als zu erarbeiten
Derzeit beträgt der Freibetrag bei der Vererbung von Vermögen auf Ehepartner und eingetragene Lebenspartner 500.000 Euro. Bei Kindern oder Stiefkindern liegt er bei 400.000 pro Kind. Sind die Kinder bereits verstorben, aber Enkel vorhanden, gilt für diese ebenso ein Freibetrag von 400.000 Euro. Für Enkel, deren Eltern noch leben, sind es 200.000 Euro. Eltern und Großeltern können jeweils 100.000 Euro geltend machen, alle anderen Erben kommen auf jeweils 20.000 Euro.
Die Debatte gewann durch eine jüngst veröffentlichte Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft an Brisanz. Aus dieser ging hervor, dass der Aufbau von Vermögen durch derzeit erwerbstätige Personen in Deutschland immer schwieriger werde. Es seien vor allem Menschen der Altersgruppe von 55 Jahren aufwärts, die in Deutschland ein nennenswertes Vermögen aufbauen oder erhalten konnten.
Ererbtes Immobilienvermögen oder Wertpapiere seien dabei ein entscheidender Faktor. Was Befürworter einer Reform der Erbschaftssteuer als Argument heranziehen, ist, dass aktive Einkommen höher besteuert würden als Erbschaften. Gleichzeitig sei Erben für die meisten Erwerbstätigen die einzige Aussicht, zu nennenswertem eigenem Vermögen wie Immobilien, Wertpapieren oder Unternehmen zu gelangen.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Anm. d. Red.: Dieser Artikel wurde am 29. Februar 2025 aktualisiert, um die Freibeträge bei der Vererbung zu korrigieren und präzisieren.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
Aktuelle Artikel des Autors
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.














