Urteil: Versammlungsverbot durch sächsische Corona-Schutz-Verordnung unverhältnismäßig

Kritiker prangerten während der Corona-Pandemie oft eine Unverhältnismäßigkeit bei den Einschränkungen von Grundrechten im „Kampf“ der Regierung gegen das Coronavirus an. Drei Jahre später bestätigt das höchste deutsche Verwaltungsgericht im Fall der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 diesen Verstoß.
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Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (l.) spricht in Pirna mit einem Gegner der Corona-Maßnahmen im Mai 2020.Foto: Matthias Rietschel/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Von 23. Juni 2023

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Die Einschränkungen während der Corona-Krise waren massiv und wie jetzt im Fall der sächsischen Corona-Schutz-Verordnung vom 17. April 2020 – betreffend der Untersagung von Versammlungen – auch unverhältnismäßig. Das stellte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch, 21. Juni fest (BVerwG 3 CN 1.22).

Nach der damaligen sächsischen Corona-Schutz-Verordnung waren alle Veranstaltungen, Versammlungen und sonstigen Ansammlungen untersagt. Im Einzelfall konnten Ausnahmegenehmigungen auf Antrag vom zuständigen Landkreis oder der zuständigen kreisfreien Stadt erteilt werden, wenn dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar war.

Dagegen ging eine Privatperson vor. Ihr Antrag zur Feststellung, dass dies eine unwirksame Vorschrift wäre, lehnte das Sächsische Oberverwaltungsgericht ab.

Das Bundesverwaltungsgericht revidierte nun das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts (OVG Bautzen, OVG 3 C 20/20).

„Zweck stand außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs“

Aus Sicht des Leipziger Gerichtes sei das sächsische Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass Untersagungen von Versammlungen auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes des Bundes (§ 28 Abs. 1 i. V. m. § 32) zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 gestützt werden konnten.

Gleichzeitig sei die Landesregierung davon ausgegangen, dass ein generelles Versammlungsverbot wirksamer gewesen wäre als Schutzauflagen wie zum Beispiel Abstandsgebote. Das Ziel sei gewesen, physische Kontakte zu vermeiden, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verlangsamen.

„Dieser Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung standen jedoch außer Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs“, so das Bundesverwaltungsgericht.

Die Untersagung aller Versammlungen sei ein schwerer Eingriff in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) gewesen, die für eine freiheitlich-demokratische Grundordnung grundlegend sei, heißt es weiter.

Daran hat auch der Ausnahmevorbehalt nichts geändert. Er habe das Gewicht des Eingriffs nur unwesentlich gemindert, so die Leipziger Richter.

Die Vorschrift ließ zudem nicht erkennen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen infektiologisch vertretbar sein könnten.

Und selbst für „infektiologisch vertretbare Versammlungen“ stellte sie die Erteilung der Genehmigung in das Ermessen der Behörde, beanstandet das Gericht.

Konkrete Voraussetzungen für Ausnahmen fehlte

Gleichzeitig stellen die Richter fest, dass der Verordnungsgeber das Risiko für Leben und Gesundheit im Zusammenhang mit COVID-19 „weiterhin als hoch“ einschätzen durfte.

Jedoch sah die Landesregierung auch, dass angesichts der Verlangsamung der Infektionsgeschwindigkeit in Sachsen Spielraum für schrittweise Lockerungen von Beschränkungen möglich seien, was die Verordnung vom 31. März 2020 zeige.

„In dieser Situation wurde ein generelles Versammlungsverbot, das lediglich durch einen nicht konkretisierten Ausnahmevorbehalt geöffnet war, der Bedeutung der Versammlungsfreiheit für ein freiheitliches Staatswesen nicht gerecht.“

Die Landesregierung hätte selbst regeln müssen, unter welchen Voraussetzungen Versammlungen „infektiologisch“ vertretbar sein können, um zumindest Versammlungen unter freiem Himmel mit begrenzter Teilnehmerzahl unter Beachtung von Schutzauflagen wieder möglich zu machen. Nur so hätte er die erforderliche Rechtssicherheit für Bürger und Behörden schaffen können, befand das Gericht.

Allerdings wurde der Antrag des Klägers festzustellen, dass das Mindestabstandsgebot von 1,5 Meter, im öffentlichen Raum, außer zu bestimmten Personen unwirksam war, auch vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt.



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