Verkehrswende oder fragwürdiger Deal? Führerschein abgeben gegen kostenloses Deutschlandticket

In einigen Städten Deutschlands können die Menschen seit Kurzem ihren Führerschein gegen das 49-Euro-Ticket zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs eintauschen. Allerdings hat dieses Angebot einen entscheidenden Haken.
Führerschein
Einige Städte bieten das Deutschlandticket gegen die Abgabe des Führerscheins an.Foto: iStock/Fotomontage: Epoch Times
Von 16. September 2023

Es klingt zunächst nach einem interessanten Tauschgeschäft: Mehrere deutsche Städte und Kommunen bieten ihren Bürgern an, ihren Führerschein gegen ein Deutschlandticket einzutauschen. Das Deutschlandticket erlaubt die Nutzung aller Nahverkehrszüge wie etwa RB-, RE-, S-Bahn-Züge und zusätzlich der öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse, Straßenbahnen und U-Bahnen.

Der Zweck dieser Aktion ist es, die Zahl der Autofahrer auf den Straßen zu reduzieren und somit die Umwelt zu entlasten. Die Städte wollen somit einen Beitrag zur Verkehrswende leisten.

Die Tauschangebote sind allerdings nicht einheitlich, sondern variieren je nach Ort. Während etwa der Ennepe-Ruhr-Kreis oder Lübeck für den Führerscheinverzicht ein Jahresabo anbieten, bekommt man das 49-Euro-Ticket in Dortmund zwei Monate lang kostenlos. In Bonn kann derzeit laut MDR jeder über 60 Jahren ein Deutschlandticket für sechs Monate im Gegenzug zur Führerscheinabgabe erhalten.

Führerschein ist dauerhaft weg

Einen wesentlichen Haken hat die Sache jedoch: Die Abgabe des Führerscheins ist dauerhaft, wie die „Welt“ berichtet. Es ist also nicht so, dass man nach Ablauf des Deutschlandtickets seinen abgegebenen Führerschein wieder ausgehändigt bekommt. Wer dann aber doch wieder Auto fahren will, müsse erneut wie ein Neuling den Führerschein machen – inklusive kostenpflichtiger Fahrstunden und Prüfungen.

Derzeit kostet die Fahrerlaubnis der Klasse B laut ING zwischen 1.500 und 3.500 Euro. Vielen, vor allem Menschen im jüngeren und mittleren Alter, mag die Idee daher skurril vorkommen. Auf der Social-Media-Plattform X, ehemals Twitter, beklagten viele Menschen, dass es sich um kein gutes Angebot handele.

Eine gewisse Nachfrage ist da

Tatsächlich stößt das Tauschangebot laut einem Bericht von „Utopia“ auf eine gewisse Nachfrage. Das Tauschangebot erfreue sich „großer Beliebtheit“, schreibt etwa die Stadt Lübeck. Auch der Ennepe-Ruhr-Kreis berichtet von „einer großen Resonanz“ auf das Angebot.

Die Stadt Lübeck habe in diesem Jahr bereits an 750 Personen Tauschabonnements herausgegeben. Bereits im vergangenen Jahr führte die Stadt das Tauschangebot als Modellversuch ein. Wegen des unerwartet großen Interesses erweiterte sie dieses kurz darauf. Für das laufende Jahr habe man die Zahl der Tickets auf 1.000 erhöht und wolle in den kommenden beiden Jahren jeweils 500 weitere anbieten.

In Leverkusen haben bisher rund 350 Menschen mitgemacht und freiwillig dauerhaft auf ihren Führerschein verzichtet, wie ARD berichtet. Die Stadt will die Tauschaktion nicht befristen und hofft, dass noch mehr Menschen auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Laut einem Mitarbeiter der Stadt Leverkusen haben sich bereits weitere Städte über das Konzept informiert. Die Mobilitätswende sei nun in den Stadtverwaltungen angekommen und ein Umdenken finde statt.

Seit Einführung des Deutschlandtickets wird das Angebot vielerorts auf alle Altersklassen ausgeweitet und nicht nur Senioren zugänglich gemacht.

Ursprünglich richtete sich die Tauschidee an ältere Menschen. Laut Statistiken des Dekra-Verkehrssicherheitsreports aus dem Jahr 2021 seien diese stärker unfallgefährdet als jüngere Autofahrer. Für den ADAC sind ebenso wie für den Verkehrssicherheitsrat Senioren jedoch „eher Gefährdete als Gefährder“.

Typischer Seniorenunfall: Überqueren der Fahrbahn

Scholz und Kulcke erklärten 2020 nach einem kritischen Blick auf die Daten: Senioren bauen die meisten Unfälle „zu Fuß“. Das hat trotzdem Auswirkungen auf ihre Kfz-Haftpflichtversicherung; sie müssen höhere Grundbeiträge zahlen. Die Versicherungswirtschaft geht demnach nicht von Unfällen aus, die „ältere Menschen mit dem Auto verursachen, sondern von allen Unfällen, die sie verursachen“. Es werde ein Umgang mit dem Auto unterstellt, der gar nicht stattfinde.

Typische Unfallursachen sind Fehler beim Überqueren der Fahrbahn zu Fuß oder eine falsche Straßenbenutzung mit dem Fahrrad. Bei den älteren Autofahrern sind es Vorfahrtfehler sowie Fehler beim Abbiegen, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren. Bei den älteren Motorradfahrern sind es nicht angepasste Geschwindigkeit, Abstandsfehler und Fehler beim Überholen.

Das Alter, so internationale Studien, bedeute allein kein erhöhtes Unfallrisiko. Probleme entstehen jedoch bei krankheitsbedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, die nicht mehr durch ein entsprechendes Verhalten kompensiert werden können, so die Deutsche Verkehrswacht.



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