Fußball-Krisen: Kirch, Bosman und verschobene Spiele

Bislang kam es in der Fußball-Bundesliga meist durch Wetterkapriolen zu einem unregelmäßigen Spielbetrieb. In den größten Krisen der Liga-Geschichte ging es aber immer nur ums Geld.
Titelbild
Leo Kirch im Jahre 2011. Die Kirch-Gruppe muste 2002 Insolvenz anmelden.Foto: Frank Leonhardt/dpa/dpa
Epoch Times19. April 2020

In ihren fast 57 Jahren überstand die Fußball- Bundesliga die unterschiedlichsten Krisen. Verschobene Spiele, das Bosman-Urteil und die Kirch-Pleite waren bislang die größten Sorgen.

Wegen der Coronavirus-Krise kam es nun erstmals wegen Gesundheitsproblemen zu einer krisenbedingten Saisonunterbrechung. Eine Übersicht der drei größten Aufreger:

BUNDESLIGA-SKANDAL: Der erste große Skandal in der noch jungen Fußball-Bundesliga kam am 6. Juni 1971 ausgerechnet auf einer Geburtstagsfeier ans Tageslicht. Präsident Horst-Gregorio Canellas von Kickers Offenbach verblüffte auf einer Gartenparty die geladenen Gäste, unter ihnen auch Journalisten, mit Tonbandaufnahmen, die den Skandal ans Tageslicht brachten. Etliche Spiele in der Endphase der Saison 1970/71 wurden für vergleichsweise kleines Geld verschoben, beteiligt waren zehn Clubs.

Die Ermittlungen dauerten zwei Jahre. Am Ende wurde Arminia Bielefeld in die Regionalliga versetzt, Kickers Offenbach für zwei Jahre die Lizenz entzogen. Zudem wurden 60 Spieler, Trainer und Funktionäre bestraft. Unter den Verurteilten waren die Schalker Nationalspieler Reinhard Libuda, Klaus Fichtel und Klaus Fischer sowie der Kölner Torwart Manfred Manglitz und die Hertha-Profis Tasso Wild und Bernd Patzke. Canellas wurde zunächst auf Lebenszeit gesperrt, das Urteil jedoch später wie bei vielen anderen aufgehoben. 1977 war der ehemalige Offenbacher Präsident Passagier in der entführten Lufthansamaschine „Landshut“. Er überlebte die Geiselbefreiung von Mogadischu und starb am 23. Juli 1999.

BOSMAN-URTEIL: Mit dem sogenannten Bosman-Urteil hat der Europäische Gerichtshof 1995 das Transfersystem im Profifußball auf den Kopf gestellt. Demnach durften für Vereinswechsel von Spielern innerhalb der EU-Staaten nach Vertragsende keine Ablösesummen mehr gezahlt werden. Ins Rollen brachte diese spektakuläre Veränderung auf dem Transfermarkt der Belgier Jean-Marc Bosman, der 1990 eine Klage gegen seinen Club Standard Lüttich und den belgischen Fußballverband angestrengt hatte. Bosman wollte nach Vertragsende in die zweite französische Liga wechseln, doch die Ablösesumme von Lüttich befand der Spieler als zu hoch. Auch die Franzosen wollten die Summe nicht bezahlen. Daraufhin verweigerte Lüttich Bosman die Freigabe.

Das Urteil mit all seinen Konsequenzen hatte zur Folge, dass die Clubs ihren Spielern langfristige Verträge anboten. Wollte man für einen Profi bei einem Vereinswechsel eine Ablösesumme erzielen, musste er mindestens ein Jahr vor dem Ende des Vertrags verkauft werden. Das wird bis heute so gehandhabt. Wechseln Spieler nach Vertragsende, kassieren sie dafür meist ein Handgeld.

Der heute 55 Jahre alte Bosman hat davon nichts mehr gehabt. Seine Karriere war damit mehr oder weniger beendet, er hatte nach eigenen Angaben große finanzielle Probleme und soll zeitweise in einer Garage gelebt haben. „Das Bosman-Urteil hat nicht nur meine Karriere, sondern auch mein Privatleben zerstört. Liebe, Zufriedenheit, Lebensqualität“, sagte der Belgier der „Bild“-Zeitung.

KIRCH-KRISE: Für Wolfgang Holzhäuser war die Kirch-Pleite im Jahre 2002 bedrohlicher als die derzeitige Coronavirus-Krise. „Bei der Kirch-Krise fiel ja der, der bezahlen hätte müssen, weg, obwohl man das Produkt liefern konnte. Heute ist es umgekehrt, die Rechteinhaber können ja zahlen. Es kommt darauf an, die Leistung zu erbringen“, sagte der ehemalige Vorsitzende des Ligaverbandes und Geschäftsführer von Bayer Leverkusen dem „Kicker“.

Der Medienunternehmer Leo Kirch, der für die Sender Premiere und Sat.1 die Übertragungsrechte der Fußball-Bundesliga von 2000 bis 2004 erworben hatte, musste für die Kirch-Gruppe 2002 Insolvenz anmelden und stürzte die Clubs damit in eine ernste Finanzkrise. Zwar musste durch die Pleite auch dank eines Solidaritätsfonds der Deutschen Fußball Liga keiner der Clubs Insolvenz anmelden, doch die Vereine mussten ihre Kosten senken, etwa zehn Prozent der Spieler wurden arbeitslos. Insgesamt verlor der deutsche Profifußball Beträge im dreistelligen Millionenbereich.

„Rein wirtschaftlich war der drohende Wegfall der gesamten TV-Einnahmen durch die Kirch-Insolvenz damals ein größeres Problem für die Bundesliga als die aktuelle Situation“, sagte der frühere Leverkusener Manager Reiner Calmund zuletzt den Zeitungen der Funke Mediengruppe. (dpa)



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