Österreich: Handelsverband fürchtet „Kahlschlag“ unter Nahversorgern

In Österreich gibt es Gesetze, um Nahversorger im ländlichen Raum zu erhalten. Doch die hohen Energiepreise treiben viele Geschäfte in den Ruin.
Titelbild
Obstabteilung eines Nahversorger-Geschäfts.Foto: tutorial text communication Bernburg
Von 21. September 2022

Bereits seit den 1970er-Jahren messen Politik und Verbände in Österreich dem System der Nahversorger ein hohes Maß an Priorität bei. Seit 1977 existiert ein eigenes Nahversorgergesetz, das Einzelhandelsgeschäfte in dünn besiedelten Gebieten vor ruinösem Wettbewerb schützen soll. Dazu kommen spezielle Förderprogramme für selbstständige Lebensmittelkaufleute auf Bundesländerebene. Nun ist die Rede von ersten Geschäftsschließungen – bedingt durch die horrenden Energiekosten.

Nahversorger vor allem in kleinen Gemeinden präsent

Wie der „Standard“ berichtet, befürchtet der Händlerverbund Nah & Frisch einen „Kahlschlag“ im Bereich der Nahversorgung. Unter der Dachmarke haben sich mehr als 400 österreichische Einzelhandelskaufleute der Lebensmittelbranche zusammengeschlossen. Ende des Jahres 2021 waren dazugehörige Unternehmen an 430 Standorten vertreten.

Die Gesellschafter von Nah & Frisch Österreich sind die Großhändler Kastner, Kiennast und Unigruppe. Das Tiroler Handelshaus Wedl hat bereits zum Jahresende sein Ausscheiden aus dem Verbund bekannt gegeben. Die Gesellschafter sind wiederum Teil der auch in Deutschland und in der Schweiz präsenten Markant-Handelskooperation. Der Verbund beschäftigte zuletzt knapp 1.900 Mitarbeiter und erwirtschaftete im Vorjahr einen Umsatz von 321 Millionen Euro.

Das ist ein kleiner Bruchteil jener 18,4 Milliarden Euro, die beispielsweise die Supermarktkette Billa im Jahr 2020 erwirtschaftete. Allerdings ermöglichten Nahversorgerläden bislang lokalen Unternehmerfamilien ein hinreichendes Auskommen und waren ein wichtiger Teil der jeweiligen Dorfgemeinschaft. Ältere und weniger mobile Menschen konnten über die Nahversorger besser beliefert werden. In der Corona-Zeit halfen die Läden, ein Mindestmaß an sozialem Leben im Lockdown aufrechtzuerhalten.

Kleine Dorfläden verfügen über nur wenig Liquidität

Die Energiekrise droht nun eine Infrastruktur zu zerstören, die Corona aufgrund der Verankerung im lokalen Gemeinwesen überstanden hatte. Hannes Wuchterl, Geschäftsführer von Nah & Frisch Österreich, warnt vor den Folgen einer Vervielfachung der Energiekosten.

Erst jüngst musste eine Kauffrau in Niederösterreich ihren Betrieb aufgeben. Sie sei einfach nicht in der Lage gewesen, Kosten von 35.000 Euro statt 16.000 Euro und eine Nachzahlung in Höhe von 5.000 Euro zu bewältigen.

Der Verdienst des Betreibers eines Nahversorgers entspreche in etwa jenem eines durchschnittlichen österreichischen Arbeitnehmers. Auch wenn der Lebensmittelhandel noch verhältnismäßig stabil durch die Corona-Zeit gekommen sei, dürfe man die Liquiditätsreserven der Nahversorger nicht überschätzen.

Wuchterl: „Österreich braucht ein Nahversorgungspaket“

Im Magazin „Cash“ fordert Wuchterl nun von der Politik ein „Nahversorgungspaket“. Wie bei den privaten Haushalten sollten, so der Geschäftsführer, 80 Prozent der Stromkosten auch für kleine Nahversorger gedeckelt werden.

„Wenn hier nicht seitens Bund, Länder und Gemeinden raschest gegengesteuert wird, dann werden viele ländliche Gemeinden in Österreich nächstes Jahr ohne Nahversorger dastehen“, betont Wuchterl. „Und zwar unwiederbringlich.“

Das Konzept Nahversorger sei nicht grundsätzlich zum Scheitern verurteilt – trotz der Konkurrenz durch günstigere Discounter. Gerade angesichts der hohen Kosten vermieden es viele Konsumenten, ihr Auto zu benutzen. Außerdem werde häufiger nur für den täglichen Bedarf eingekauft. Das führe dazu, dass mehr kleinere Einkäufe pro Woche vielfach größere wöchentliche ersetzten. Für kleine Geschäfte sei das eine Chance.



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