Präsident Selenskyj will „Ende des Kriegs“ – Berater skeptisch

Der ukrainische Präsident soll heute vor dem Bundestag sprechen. Mariupols Bürgermeister sagt, Privatautos hätten unter Beschuss die Stadt verlassen - Entwicklungen im Überblick.
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Zerstörung in Kiew. 15. März 2022.Foto: FADEL SENNA/AFP via Getty Images
Epoch Times17. März 2022

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Nach drei Wochen Krieg, Flucht und Vertreibung wendet sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj an diesem Donnerstag mit einem direkten Appell an Deutschland.

Der 44-jährige soll am Morgen per Videoschalte im Bundestag sprechen. In der Nacht meldete die Ukraine erneut Kämpfe mit russischen Angreifern unter anderem in der Nähe der Hauptstadt Kiew. Große Sorge herrscht nach wie vor um die Menschen in der belagerten und teilweise zerstörten Hafenstadt Mariupol.

Tausende Menschen fliehen in Privatautos

Der Bürgermeister von Mariupol, Wadim Bojchenko, meldete in der Nacht über den Dienst Telegram, Menschen könnten die Stadt nun mit Privatautos verlassen. Binnen zwei Tagen seien rund 6500 Autos aus Mariupol herausgekommen. Doch gebe es keine Feuerpause, die Menschen seien unter Beschuss geflohen. Gestern hatte es in Mariupol einen verheerenden Bombenangriff auf ein Theatergebäude gegeben. Bojchenko sagte, dort hätten sich mehr als 1000 Menschen befunden, es sei eine „weitere Tragödie“. Die Zivilisten sollen in dem Gebäude Schutz gesucht haben. Für den Angriff geben sich die Ukraine und Russland gegenseitig die Schuld.

Ukraine meldet Flugzeugabschuss

Zum eigentlichen Kriegsgeschehen meldete die ukrainische Armee in der Nacht, es seien zwei weitere russische Kampfflugzeuge vom Typ Suchoi Su-35 und Su-30 über der Region Kiew zerstört worden. An Land konzentrierten sich russische Einheiten demnach vor allem auf die Sicherung ihrer Geländegewinne. Es gebe Bemühungen russischer Truppen, südlich der Stadt Isjum vorzudringen, wohl um eine Offensive in Richtung Slowjansk fortzusetzen. Dabei seien sie aber nicht erfolgreich. Die russische Marine blockiere zudem nach wie vor die Schifffahrt im nordwestlichen Teil des Schwarzen Meeres. Das russische Militär wiederum behauptete, die Besatzungen von 70 ausländischen Schiffen säßen wegen von ukrainischer Seite verminter Gewässer dort fest. Die Angaben beider Seiten können nicht unabhängig geprüft werden.

Selenskyj will Kriegsende

Russland hatte die Ukraine am 24. Februar angegriffen und verzeichnet seither Geländegewinne im Norden, Osten und Süden des Landes. Zugleich verhandeln beide Seiten über Optionen, den Krieg zu beenden. Dazu könnte sich die Ukraine möglicherweise für neutral erklären und im Gegenzug Sicherheitsgarantien erhalten.

Präsident Selenskyjs Berater Alexander Rodnyansky dämpfte jedoch in der ARD-Sendung „maischberger. die woche“ die Hoffnung auf eine baldige Friedenslösung. Russland versuche, Zeit zu kaufen, um neue Truppen heranzuziehen und dann wieder eine Offensive starten.

Selenskyj selbst sagte in einer in der Nacht veröffentlichten Videobotschaft, seine Prioritäten in den Verhandlungen mit Russland seien klar: „Ein Ende des Krieges, Sicherheitsgarantien, Souveränität und Wiederherstellung der territorialen Integrität.“ Vom Westen verlangte Selenskyj erneut mehr Druck: eine Flugverbotszone über der Ukraine sei nötig, dazu die Lieferung von Luftverteidigungssystemen, Flugzeuge, tödlichen Waffen und Munition sowie ein neues Sanktionspaket gegen Russland.

Rede von Selenskyj auf Telegram

Biden sagt der Ukraine weitere Unterstützung zu

US-Präsident Joe Biden kündigte weitere Waffenlieferungen und Militärhilfen für die Ukraine in Millionenhöhe an. In einem 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro) schweren Hilfspaket seien unter anderem Flugabwehrraketen, Drohnen und Tausende Panzerabwehrwaffen enthalten, sagte Biden in Washington. Auch Deutschland und andere Nato-Staaten haben Waffen geliefert und Sanktionen verhängt. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) wandte sich jedoch am Mittwochabend erneut gegen eine Verwicklung der Nato in den Krieg und gegen Eskalationsszenarien.

Morawiecki fordert Scholz zu Kiew-Reise auf

Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki forderte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und weitere Staats- und Regierungschefs zu einem Solidaritätsbesuch in Kiew auf – so wie es Morawiecki selbst zuletzt mit seinen Kollegen aus Tschechien und Slowenien getan hatte. „Sie sollen in die Augen der Frauen und Kinder blicken und ihnen helfen, ihre Leben und ihre Eigenständigkeit zu retten“, sagte Morawiecki der „Bild“.

Sorge um Sicherheit der Ukraine-Flüchtlinge

Inzwischen sind nach UN-Angaben mehr als drei Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen. Die Internationale Organisation für Migration zeigte sich in der Nacht besorgt über die Gefahr des Menschenhandels sowie der sexuellen Ausbeutung und des Missbrauchs. Es gebe eine zunehmende Gefährdung der persönlichen Sicherheit der fliehenden Menschen, erklärte die IOM in Genf.

Auf die Gefahren vor allem für geflüchtete Frauen wies auch CDU-Chef Friedrich Merz in den ARD-„Tagesthemen“ hin. „Wir müssen vor allem die Flüchtlinge registrieren, und wir müssen diejenigen registrieren, die Flüchtlinge aufnehmen, denn wir sehen jetzt schon, dass hier möglicherweise Missbrauch auch mit Frauen getrieben wird, die da zu uns kommen“, sagte Merz. Deutschland müsse wissen, wer ins Land komme. Und die Menschen müssten in Deutschland und der Europäischen Union verteilt werden.

Das wird am Donnerstag wichtig

Nach der für den Vormittag (09.00 Uhr) geplanten Ansprache Selenskyjs an den Bundestag befasst sich das Parlament unter anderem mit der Unterbringung der Ukraine-Flüchtlinge. Bundeskanzler Olaf Scholz berät am Nachmittag (14.00 Uhr) mit den Ministerpräsidenten der Länder ebenfalls über den Umgang mit den Flüchtlingen sowie über die seit Kriegsbeginn gestiegenen Energiepreise. Davor empfängt er im Kanzleramt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Gesprächen (11.30 Uhr), auch mit Blick auf den Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs der Bündnisstaaten in der kommenden Woche. In New York tagt abermals der UN-Sicherheitsrat in einer Dringlichkeitssitzung, um über mögliche Kriegsverbrechen Russlands zu sprechen. Am Mittwoch nannte US-Präsident Biden Russlands Präsidenten Wladimir Putin erstmals öffentlich einen „Kriegsverbrecher“. (dpa/red)



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