Verdacht des Machtmissbrauchs in Österreich – ÖVP im Visier

Die Regierungsjahre von Ex-Kanzler Sebastian Kurz waren für seine ÖVP glänzende Zeiten mit Wahlerfolgen und Einfluss. Jetzt wird aufgearbeitet, welcher Methoden sich die Konservativen bedient haben.
Titelbild
Sebastian Kurz.Foto: GEORG HOCHMUTH/APA/AFP via Getty Images
Epoch Times2. März 2022

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Schon der Name ist eine Bürde für den Ruf: „ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss“. Österreichs mächtige konservative Regierungspartei sieht sich mit vielen Vorwürfen konfrontiert.

Sie soll in der Zeit von Ex-Kanzler Sebastian Kurz besonders selbstherrlich Posten in- und außerhalb der Politik an Parteifreunde vergeben haben. Ein Team um den einst von Konservativen in ganz Europa gefeierten Kurz soll dessen Aufstieg mit Inseraten und geschönten Umfragen unterstützt haben. Und in geheimen Nebenabsprachen der ÖVP-Koalitionen mit FPÖ und nun den Grünen sind – unbestritten – viele Jobs unter den Parteien aufgeteilt worden.

Befragung des Kanzlers

Mit der Befragung von Kanzler und designiertem ÖVP-Chef Karl Nehammer beginnt heute ein neues Kapitel in der Aufarbeitung der Ära Kurz. Nehammer hat schon im Vorfeld einen gewissen Kurswechsel angedeutet. „Mit mir wird es in künftigen Regierungen keine geheimen Vereinbarungen außerhalb des Regierungsprogramms geben“, sagte der Regierungschef.

Und auch sonst kann die ÖVP – wenn auch aus dramatischem Anlass – ein wenig aufatmen. Die Opposition wollte den Untersuchungsausschuss zur großen Bühne der Abrechnung mit dem „System Kurz“ machen. Aber der Ausschuss startet in Zeiten des Ukraine-Krieges – und innenpolitische Attacken dürften jetzt deutlich weniger interessieren. „Dass die Scheinwerfer nun auf den Krieg gerichtet sind, kommt Karl Nehammer jedenfalls zugute“, meint die „Kronen Zeitung“. Ohnehin scheint der ehemalige Informationsoffizier des Bundesheeres als Kanzler in dieser Krise an Statur zu gewinnen.

Erleichterung für Kurz

Vor wenigen Tagen sorgten zudem Medienberichte über die Aussage einer wichtigen Zeugin für Erleichterung gerade bei Kurz. Die Meinungsforscherin, die die geschönten Umfragen im Auftrag des Finanzministeriums geliefert haben soll, soll zu Protokoll gegeben haben, dass sie mit Kurz und seinem engsten Umfeld selbst praktisch keinen Kontakt hatte. Außerdem soll sie laut eigenen Angaben ähnlich „adaptierte“ Umfragen auch für die oppositionelle SPÖ gemacht haben.

„Ich habe immer gesagt, dass sich die Vorwürfe gegen mich als falsch erweisen werden. Jetzt ist es soweit“, schrieb der 35-Jährige auf Twitter umgehend. Ob das wirklich ausreicht, den Verdacht der Falschaussage und der Beihilfe zur Untreue auszuräumen, muss die Staatsanwaltschaft beurteilen. Diese Entscheidung sei noch nicht absehbar, teilte die Behörde mit. Die Ermittler gehen davon aus, dass manche der Umfragen mit Steuergeld finanziert wurden.

Ex-Kabinettschef ist Schlüsselfigur

Eine Schlüsselfigur in den Affären ist der ehemalige Kabinettschef im Finanzministerium und Ex-Chef der Staatsholding Öbag, Thomas Schmid. Die bisherige Auswertung von insgesamt mehr als 300.000 Chatnachrichten aus seinem Handy hat die ÖVP in so schiefes Licht gedrängt, dass dieser enge Vertraute von Kurz am Ende nicht nur seinen Job räumte, sondern auch Kurz von der Politik in die Wirtschaft als neuer Stratege zum US-Investor Peter Thiel wechselte. Schmid lebt nicht mehr in Österreich und kann vom U-Ausschuss nicht geladen werden.

Ein Handy des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, scheint wiederum Ex-Innenminister Wolfgang Sobotka in die Bredouille zu bringen. In den bei Kloibmüller gefundenen Chats ist die Rede von Interventionslisten“, die als Art Postenwunschlisten von Parteifreunden interpretiert werden. Sobotka selbst, der als aktueller Nationalratspräsident den Vorsitz im U-Ausschuss innehat, hat diese Listen jetzt als „Bürgeranfragen“ bezeichnet. An einen Politiker würden täglich Anfragen und Bitten herangetragen, heißt es aus seinem Büro. „Was daran skandalös sein soll, ist nicht nachvollziehbar“, so ein Sprecher Sobotkas. Geplant ist, dass Sobotka den Ausschussvorsitz vorübergehend abgibt, falls er selbst Gegenstand des U-Ausschusses wird.

Unterstützung aus Deutschland

Dass die Regierungsparteien wichtige Jobs im Land untereinander aushandeln, gilt als jahrzehntelange Übung speziell zwischen ÖVP und den Sozialdemokraten. Der Proporz sei Ausdruck des Misstrauens zwischen SPÖ und ÖVP gewesen, kommentierte die Wiener Zeitung „Kurier“. „Seit der Konterpart SPÖ aus der Regierung flog, wuchert die ÖVP ungebremst in alle Bereiche des Staats hinein“. Der Partei sei offenbar entgangen, dass ihre Hybris nicht in die aktuellen Zeiten mit neuen Transparenz- und Sauberkeitsstandards passe.

Vorsorglich hat sich die ÖVP Expertise aus Deutschland gesichert. Der ehemalige stellvertretende Regierungssprecher unter der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Georg Streiter, wurde für die „strategische Kommunikation“ während der parlamentarischen Untersuchung engagiert. Streiter wolle im Sinne der Schadensbegrenzung künftig Hintergrundgespräche abhalten und eine neue Kommunikationsstrategie entwickeln, so das Blatt „Der Standard“. (dpa/red)



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