Vom Nordirland-Konflikt zum Würstchen-Streit mit der EU

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Flaggen der EU und der UK. Symbolbild.Foto: DANIEL LEAL-OLIVAS/AFP via Getty Images
Epoch Times13. Oktober 2021

Der Austritt Großbritanniens aus der EU ist seit Anfang vergangenen Jahres offiziell vollzogen. Die Briten sind nicht mehr Teil der politischen Gemeinschaft und des gemeinsamen Binnenmarktes. Die Stellung der britischen Provinz Nordirland in den neuen Beziehungen zwischen London und Brüssel sorgt aber weiterhin für erhebliche Spannungen. Ein Überblick:

Worum geht es?

Die irische Insel besteht aus der Republik Irland, die weiterhin zur EU gehört, und der britischen Provinz Nordirland. Letztere war bis in die 1990er Jahre Schauplatz des blutigen Nordirland-Konflikts zwischen mehrheitlich protestantischen und pro-britischen Unionisten und mehrheitlich katholischen Befürwortern einer Wiedervereinigung mit der Republik Irland.

Der Konflikt wurde mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 beigelegt, das insbesondere dank der Mitgliedschaft sowohl Irlands als auch Großbritanniens in der EU möglich war.

Ein zum Brexit-Vertrag gehörendes Nordirland-Protokoll soll nun verhindern, dass infolge des britischen Austritts Grenzkontrollen an der inneririschen Grenze nötig werden. Denn dies könnte nach Einschätzung sowohl Londons als auch Brüssels zu einem Wiederaufflammen der Gewalt führen.

Wie ist die derzeitige Regelung?

Gemäß des Nordirland-Protokolls gehört die britische Provinz politisch zum Vereinigten Königreich, verbleibt aber de facto im europäischen Binnenmarkt. Das bedeutet, dass die nötigen Warenkontrollen im Austausch mit Großbritannien an der Seegrenze in der Irischen See stattfinden müssen. Für die Kontrollen ist der britische Zoll zuständig.

Für die Anwendung dieser Bestimmungen waren auch nach Vollzug des Brexit Übergangsfristen vorgesehen, um die technische Einrichtung der Warenkontrollen zu gewährleisten. Die Regierung in London hat die Übergangsregeln für bestimmte Produkte in den vergangenen Monaten immer wieder einseitig verlängert und den Start der Kontrollen auf unbestimmte Zeit verschoben.

Was fordert London?

Auf britischer Seite waren große Teile der regierenden konservativen Tories sowie die nordirischen Unionisten von Anfang an gegen das Nordirland-Protokoll. Sie prangern die Entstehung einer De-Facto-Grenze innerhalb des Vereinigten Königreichs an.

Die pro-britischen Unionisten befürchten dadurch, insbesondere eine weitere Annäherung Nordirlands an die irische Republik. Der sogenannte Würstchen-Streit um Regeln für Einfuhren britischer Frischfleischprodukte nach Nordirland hatte die Kritik in den vergangenen Monaten noch angeheizt.

Premierminister Boris Johnson und sein Brexit-Minister David Frost, die das Protokoll im jahrelangen Tauziehen mit der EU selbst mühsam ausgehandelt hatten, sind mittlerweile auf den Kurs ihrer Parteikollegen eingeschwenkt.

Sie werfen der EU vor, die im Protokoll vorgesehenen Bestimmungen zu strikt auszulegen, und fordern grundsätzliche Änderungen. Andernfalls wollen sie das Abkommen gänzlich aufkündigen.

Wie steht die EU dazu?

Brüssel hat ein im Zuge der wiederholten einseitigen Aussetzungen der Übergangsregeln für die Zollkontrollen eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien wieder auf Eis gelegt und sich zu weiteren Verhandlungen bereit erklärt.

Eine grundsätzliche Erneuerung des Nordirland-Protokolls lehnt die EU-Kommission aber ab. Darunter fällt demnach auch etwa das von London geforderte nahezu gänzliche Wegfallen von Zollkontrollen zwischen Nordirland und Großbritannien.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der laut Nordirland-Protokoll in letzter Instanz bei Zollstreitigkeiten rund um Nordirland entscheiden soll. London will dies ändern. Für Brüssel kommt eine Beschneidung der Zuständigkeit des EuGH hingegen nicht infrage.

Wie geht es weiter?

Aus EU-Diplomatenkreisen hieß es, die Geduld gegenüber London gehe zur Neige. Über das für Mittwoch erwartete Angebot der EU-Kommission, den Warenfluss im Rahmen des Protokolls zu erleichtern, werde Brüssel nicht hinausgehen.

Allerdings hätte ein Scheitern der Verhandlungen und eine Aufkündigung des Nordirland-Protokolls durch Großbritannien auch für die EU schwerwiegende Folgen. Sie könnte in diesem Fall etwa Strafzölle auf britische Produkte erheben, es droht ein offener Handelskrieg. Die politischen Folgen in Nordirland sind ebenfalls kaum absehbar. (afp/dl)



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