„Charlie Hebdo“: Konflikt zwischen Frankreich und Türkei spitzt sich zu – Le Pen fordert Kopftuchverbot

Zwischen Frankreich und der Türkei ist keine Normalisierung absehbar. Ein Sprecher des türkischen Präsidenten Erdoğan bezeichnete jüngste Karikaturen von „Charlie Hebdo“ als „primitiven kulturellen Rassismus“, Marine Le Pen fordert ein komplettes Kopftuchverbot.
Epoch Times29. Oktober 2020

Die diplomatischen Verwerfungen zwischen Frankreich und der Türkei, zu denen es in den vergangenen Wochen gekommen war, scheinen bis auf Weiteres kein Ende zu finden. Am gestrigen Dienstag (27.10.) hat die Große Nationalversammlung in Ankara, das türkische Parlament, Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über den Islam verurteilt.

Dieser wiederum rief den Botschafter seines Landes aus der türkischen Hauptstadt zurück. Oppositionsführerin Marine Le Pen fordert unterdessen ein ausnahmsloses Kopftuchverbot in der Öffentlichkeit.

Große Nationalversammlung der Türkei verurteilt Macron-Aussagen

Macrons Büro warf dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im Zusammenhang mit dessen jüngsten Bemerkungen über seinen französischen Amtskollegen „Unhöflichkeit“ vor. Die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ veröffentlichte auf der Titelseite ihrer aktuellen Ausgabe eine Karikatur über den türkischen Staatschef.

Wie die englischsprachige Ausgabe der „Hürriyet“ berichtet, verabschiedeten die Abgeordneten in Ankara eine Deklaration, in der sie „entschieden die provokativen, respektlosen und gefährlichen Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron über den Islam, dessen verehrten Propheten Mohammed und über die Muslime“ verurteilen. Zudem heißt es darin:

Wir rufen die Meinungsführer, Politiker, Philosophen, Künstler und gesellschaftlichen Institutionen der Welt dazu auf, gegen diese hässliche Einstellung eine Position des gesunden Menschenverstandes und des Friedens einzunehmen.“

Die Deklaration bezog sich auf eine Rede Macrons in Paris Anfang Oktober, als dieser muslimischen Gemeinschaften in Frankreich einen Hang zum „Separatismus“ vorwarf und den Islam als „eine Religion in der Krise“ beschrieb. Bereits damals reagierten Politiker in der Türkei und Geistliche der staatlichen Religionsbehörde Diyanet mit scharfer Kritik.

Empörung über Mord an Lehrer nur Mittel zum Zweck?

Die Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty durch einen 18-Jährigen mit tschetschenischen Wurzeln am 16. Oktober in einem Pariser Vorort hat die Spannungen weiter angeheizt. Der Attentäter stammte aus einer Familie, die bereits über Jahre hinweg eine Affinität zu islamistischen Terrorgruppen gezeigt hatte. Auch die Tat selbst war offenkundig islamistisch motiviert: Der Lehrer hatte im Unterricht zu Zwecken der Diskussion Mohammed-Karikaturen gezeigt – im Vorfeld allerdings muslimischen Schülern freigestellt, an der Unterrichtseinheit teilzunehmen.

Dennoch führten Beschwerden muslimischer Kinder in weiterer Folge zu Aufsehen in einer örtlichen Moscheegemeinde. Der Muslimbruderschaft nahestehende Funktionäre eines Islamverbandes organisierten Proteste gegen die Schule und den Lehrer, in Videos wurde er scharf angegriffen und als „Schurke“ dargestellt. Der spätere Attentäter, der kurz nach der Tat von der Polizei erschossen wurde, bekannte in einem Video, das er vor dem Angriff aufgenommen hatte, „die Beleidigung des Propheten rächen“ zu wollen und bezog sich unter anderem auf den „Islamischen Staat“ (IS).

Emmanuel Macron reagierte auf die Bluttat mit einer öffentlichen Kampfansage an den Islamismus. Diese Islamisten, so der Präsident, „dürfen in unserem Land nicht ruhig schlafen können“. Zudem kündigte Innenminister Gérald Darmanin an, mehrere muslimische Verbände auflösen zu wollen, die er als „Feinde der Republik“ einstuft.

Steigende Zahl islamfeindlicher Übergriffe in Frankreich

In türkischen Regierungskreisen und regierungsnahen Medien wurde es so dargestellt, als wenn die öffentliche Empörung über den Mord am Lehrer Samuel Paty für die französische Regierung und generell für islamfeindliche Kräfte in Europa lediglich ein willkommener Vorwand war, den Islam als Religion insgesamt und die Muslime pauschal zu stigmatisieren.

Dass Innenminister Darmanin explizit die NGO „Kollektiv gegen Islamophobie“ als „Feind der Republik“ tituliert hatte, deren Auflösung er anstrebe, dürfte den Argwohn in der Türkei weiter verstärkt haben. Diese NGO hatte zuvor in einem Bericht des staatlichen türkischen Auslandssenders „TRT Deutsch“ darauf hingewiesen, dass die Zahl islamfeindlich motivierter Übergriffe in Frankreich im Jahr 2019 um 18 Prozent auf insgesamt 789 Fälle angestiegen sei. Das Innenministerium selbst habe 154 registriert. Nur wenige Tage nach dem Mord an Samuel Paty kam es zudem in Paris zu einem mutmaßlich rassistisch motivierten Messerangriff auf zwei Musliminnen.

Pakistan wirft Macron vor, Islamophobie zu schüren

Was nicht nur in der Türkei, sondern auch in mehreren arabischen Staaten und in Pakistan für erhebliche Kritik sorgte, war, dass Macron in seiner Traueransprache für den ermordeten Lehrer die Blasphemie, die in vielen mehrheitlich islamischen Staaten als Kapitalverbrechen gilt, als „Menschenrecht“ verteidigte. Zudem bekräftigte er, Frankreich werde „nie von seinen Cartoons ablassen“.

Wie „Al Jazeera“ berichtet, hat auch der pakistanische Premierminister Imran Khan Macron beschuldigt, dieser würde „die Islamophobie schüren“. Die Regierung in Islamabad hat am Montag den französischen Botschafter Marc Barety einbestellt.

Die Art und Weise, wie sich der Konflikt in den vergangenen Wochen hochgeschaukelt hat, zeigt fundamentale Unterschiede im jeweiligen Verständnis des Gemeinwesens: Während das „republikanische“ Frankreich die Herabwürdigung religiöser Überzeugungen als Ausdruck der Verbundenheit zu den „Werten der Aufklärung“ betrachtet, sieht man in der islamischen Welt das Verhöhnen des Propheten Mohammed und der muslimischen Überzeugungen als Ausdruck eines kulturellen Überlegenheitsdünkels der Europäer.

Dazu kommen Sentiments, die aus der Geschichte der Türkei selbst herrühren. Zum einen betrachtet man dort die Zerschlagung des Osmanischen Reiches nach dem Ersten Weltkrieg als Ausdruck westlicher Hegemonialpolitik. Zum anderen wurde die Regierung unter Atatürk, die über Jahrzehnte hinweg Staat und Religion nach Vorbild Frankreichs getrennt hatte, zunehmend als abgehobene, proeuropäische Schicht wahrgenommen, die sich gegen die Interessen des Volkes wende.

Der Aufstieg der pro-islamischen AKP und religiöser Reformbewegungen wie der des Predigers Fethullah Gülen waren Ausdruck dieser Entfremdung. Die islamische Renaissance in der Türkei war eine Reaktion auf die „Bevormundung“ durch Militärs und Kemalisten im Inneren. Nach der Machtübernahme durch die AKP sollte neben dieser auch im außenpolitischen Kontext der „Bevormundung“ durch die früheren Kolonialmächte entgegengewirkt werden.

Yeni Safak: „Westen führt Krieg gegen Islam und Türkei“

İbrahim Karagül, Chefredakteur der Zeitung „Yeni Safak“ und enger Vertrauter des Präsidenten Erdoğan, , gibt die Haltung der politischen Führung in Ankara in einem Kommentar wider. Er wirft dem Westen insgesamt und Deutschland und Frankreich im Besonderen vor, einen „Krieg gegen die Türkei“ zu führen.

Dieser sei, so Karagül, die letzte Phase eines Krieges des Westens gegen den Islam, der mit den Kreuzzügen begonnen habe. Die politischen Eliten im Westen hätten es den Muslimen schlecht gedankt, dass diese im Kampf gegen den Sowjetkommunismus ein verlässlicher Partner gewesen seien. Stattdessen habe man nach dem Ende des Ostblocks, den Islam zum Feindbild erklärt, der durch den Aufstieg der Türkei seit der Jahrtausendwende auch zum Sinnbild für den Aufstieg des Ostens insgesamt geworden sei.

„Wenn die Türkei nicht kontrolliert werden kann, kann die Region nicht kontrolliert werden. Wenn die Region von ihrer [der westlichen Mächte; d. Red.] Bevormundung befreit wird, wird die seit Jahrhunderten andauernde koloniale Ordnung kollabieren; der Imperialismus selbst wird kollabieren.“

Erdoğan stellt Macrons geistige Gesundheit infrage

Das „Deutsch-Türkische Journal“ (DTJ) sieht diese Betrachtungsweise hingegen als verkürzt. Dort weist man darauf hin, dass es aus Ankara als Reaktion auf den Mord am Lehrer Samuel Paty keine offizielle Verurteilung der Tat oder Solidarität für Frankreich gegeben habe. Stattdessen habe Präsident Erdoğan seinem französischen Amtskollegen mehrfach eine „psychologische Behandlung“ empfohlen und Frankreich attestiert, das „Prinzip der Glaubensfreiheit nicht verstanden“ zu haben.

Am Sonntag warf Erdoğan bei einem AKP-Kongress in Kayseri Deutschland vor, im Zusammenhang mit der jüngsten Durchsuchung mehrerer Büros und einer Moschee in Berlin wegen des Verdachts auf Subventionsbetrugs „rassistisch und islamfeindlich“ zu handeln.

Etwa 150 Beamte waren an der Durchsuchung beteiligt, die damit begründet wurde, dass ein Verein etwa 70.000 Euro zu Unrecht an Förderungen bezogen habe. In der muslimischen Community wurde bemängelt, dass die Kosten für die groß angelegte Durchsuchungsaktion höher waren als der behauptete Schaden. Zudem hätten die Beamten die Moschee mit Schuhen betreten, was als Respektlosigkeit gilt.

Yeneroğlu: „Erdoğans Türkei trägt zur Islamfeindlichkeit bei“

Das DTJ weist darauf hin, dass die Auseinandersetzungen um Karikaturen, Islamfeindlichkeit und Terrorismus nicht die einzigen Punkte seien, die das bilaterale Verhältnis zwischen Paris und Ankara belasteten. Auch außenpolitisch gebe es Differenzen, beispielsweise bezüglich der Rolle der Türkei in Libyen, dem Konflikt mit Griechenland im östlichen Mittelmeer und der vorbehaltlosen Unterstützung Aserbaidschans im mittlerweile auch militärisch eskalierten Konflikt mit Armenien rund um die Enklave Bergkarabach.

Das Nachrichtenportal zitiert auch einen Tweet des früheren AKP-Abgeordneten und derzeitigen Mitglieds der liberal-konservativen Deva-Partei, Mustafa Yeneroğlu, mit dem dieser auf die Kritik Erdoğans an der Durchsuchung des Berliner Moscheevereins reagierte.

Er bedankte sich einerseits bei diesem für dessen Worte zur „unangemessenen und rechtswidrigen Polizeirazzia in der Berliner Mevlana-Moschee“. Als „jemand, der, bevor er 2015 in die Türkei kam, mehr als 20 Jahre gegen die Islamfeindlichkeit in Deutschland gekämpft hat“, warf er dem türkischen Präsidenten jedoch auch vor, den Einsatz für türkische Interessen und gegen Islamfeindlichkeit unglaubwürdig zu machen.

Erdoğan zeige in seiner Sprache, so Yeneroğlu, dass er „mit populistischen Aussagen nur seine Community und die Gefühle der Türken in Europa bedienen“ wolle. Der Umstand, dass er selbst in der Türkei die Rechtsstaatlichkeit missachte und die Gesellschaft polarisiere, mache ihn jedoch unglaubwürdig. Die Türkei, so Yeneroğlu, sorge „derzeit eher dafür, dass die Islamfeindlichkeit in Europa ansteigt“.

„Produkt einer kranken Mentalität“

Dass sich die Fronten zwischen der Türkei und Frankreich zeitnah glätten werden, erscheint in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen als wenig wahrscheinlich. Erdoğan hat mittlerweile offen zum Boykott französischer Waren aufgerufen, was den Oppositionsführer und Chef der Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kılıçdaroğlu, zu der Äußerung veranlasst hat, der Präsident möge dann konsequenterweise auch erklären, das Renault-Werk in Bursa schließen zu wollen.

Unterdessen hat der Sprecher des türkischen Präsidenten, Fahrrettin Altun, in Bezug auf die jüngsten Karikaturen in Charlie Hebdo von „verabscheuungswürdigen Bildern“ gesprochen und die Verantwortlichen beschuldigt, „primitivem kulturellem Rassismus, intellektueller Unfruchtbarkeit und unzivilisiertem Diskurs“ Bahn zu brechen. Die Hürriyet zitiert Altun mit den Worten:

„Die sogenannten Karikaturen sind abscheulich und haben keinen wirklichen Sinn für menschlichen Anstand. Sie sind eindeutig das Produkt eines fremdenfeindlichen, islamfeindlichen und intoleranten kulturellen Umfelds, das die französische Führung für ihr Land zu wollen scheint.“

Der türkische Präsidentensprecher İbrahim Kalin erklärte, das Ziel dieser Veröffentlichungen sei es, „Samen des Hasses und der Feindseligkeit zu säen“. Die „Umwandlung der Meinungsfreiheit in Feindseligkeit gegenüber Religion und Weltanschauung“ könne „nur das Produkt einer kranken Mentalität sein“, so Kalin weiter, „jeder mit gesundem Menschenverstand“ sollte „diese abscheuliche Veröffentlichung verurteilen“.

Le Pen: „Von einigen europäischen Menschenrechten verabschieden“

Die Präsidentin des rechtsnationalistischen Rassemblement National, Marine Le Pen, forderte unterdessen in der TV-Show „Grand Jury“ ein vollständiges Verbot des Tragens von Kopftüchern in der Öffentlichkeit. Einem Bericht von TRT Deutsch zufolge soll sie von sich behauptet haben, ihre Forderung sei „eine Kriegserklärung gegen die islamische Ideologie und den Islam selbst“. Um sich vor Terror zu schützen, müsse Frankreich sich, so Le Pen, „von einigen europäischen Menschenrechten verabschieden“.



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