CDU und Linke stimmen mit „Freien Sachsen“
Ist die Brandmauer nach rechts in Aue-Bad Schlema gefallen?
Die sächsische Stadt Aue-Bad Schlema hat mit einem Stadtratsbeschluss zur Migrationspolitik für Aufsehen gesorgt. Der Ursprungsantrag kam von den als rechtsextremistisch eingestuften Freien Sachsen. Es stimmten auch CDU und Linke der überarbeiteten Vorlage zu. Ziel ist eine schärfere Gangart gegenüber straffälligen Asylsuchenden – Kritiker sprechen von einem politischen Dammbruch.

Mitglieder der Freien Sachsen am 5. September 2022 in Leipzig.
Foto: Jens Schlueter/Getty Images
Die Erzgebirgsstadt Aue-Bad Schlema ist aufgrund eines Stadtratsbeschlusses vom 29.04. in die bundesweiten Schlagzeilen geraten. Bei einer Enthaltung durch die Stadträtin der SPD, Claudia Ficker, stimmten alle Stadträte einer Beschlussvorlage zu, die Oberbürgermeister Heinrich Kohl (CDU) zwei Wochen zuvor eingereicht hatte.
Der Beschlussvorlage liegt jedoch ein Antrag zugrunde, der auf die als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuften Freien Sachsen zurückgeht. In dem Antrag ging es zudem um das Reizthema „Asyl“. Neben der SPD-Stadträtin sind noch die Freien Sachsen (3 Sitze), die AfD (5), die CDU (5), zwei Freie Wählergruppen (4 und 2 Sitze), eine Bürgerinitiative (1 Sitz) und die Linke (1 Sitz) im Kommunalparlament vertreten. Das bedeutet, dass auch Linke und CDU dem Antrag zugestimmt haben.
Was die Freien Sachsen beantragt hatten
Der Fraktionschef der Freien Sachsen, der frühere NPD-Funktionär Stefan Hartung, hatte seinen Antrag mit dem Titel „Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit und Bewältigung der Migrationssituation in Aue-Bad Schlema“ überschrieben. Der Antrag umfasste drei Punkte. Der erste hatte eine Verstärkung der Polizeipräsenz in der Innenstadt von Aue-Bad Schlema zum Gegenstand. Dies solle die objektive Sicherheit und das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger verbessern.
Der zweite Punkt sollte die Erklärung einer Art „Asyl-Notstand“ für die Stadt umfassen. Der Stadtrat solle „die sofortige Beendigung der gegenwärtigen Asyl-Praxis“ fordern. Dies solle Belastungen für die Stadt und ihre Einwohner reduzieren. Im Antrag wird von einem „Überfremdungsproblem“ gesprochen – was Verfassungsschutzbehörden als rechtsextremistischen Propagandabegriff einordnen.
Dieses wirke sich „durch Gewalt- und Drogenkriminalität und eine massive gesellschaftliche Transformation“ aus, die „ein Großteil unserer Bürger ablehnt“. Im dritten Punkt des Antrages wird der Oberbürgermeister aufgefordert, sich gegenüber dem Landrat und Sachsens Ministerpräsidenten für eine Änderung der Situation einzusetzen. Das Stadtoberhaupt solle darauf drängen, dass „abgelehnte Asylbewerber sowie Asylbewerber, die Straftaten begehen, künftig nicht mehr im Stadtgebiet von Aue-Bad Schlema untergebracht werden“.
Wie der Antrag nach Überarbeitung durch den OB aussah
In der Beschlussvorlage überarbeitet der Oberbürgermeister den Antrag und fügt einige Ergänzungen und Erläuterungen hinzu. Der erste Punkt lautete nun, dass der OB sich gegenüber den zuständigen Behörden für eine dauerhafte Erhöhung der Vollzugspolizeipräsenz in der Innenstadt von Aue-Bad Schlema einsetzen solle. Zudem sei die Justiz aufgefordert, „ihrem Auftrag, unter Ausschöpfung aller Mittel, gerecht zu werden“.
Punkt 2 der Beschlussvorlage spricht von einer „hohen Belastung, die als ‚Notlage‘ bezeichnet werden kann“. Diese wird auf eine „unzureichende Bewältigung von Migrationsbewegungen auf EU-, Bundes- und Landesebene“ zurückgeführt. Das Buzzword „Überfremdung“ wurde entfernt, aber von „rasanten gesellschaftlichen Transformationserscheinungen“ blieb die Rede. Der Stadtrat der Großen Kreisstadt Aue-Bad Schlema solle „auf diesen Ebenen auf eine Änderung der gesetzlichen Lage“ hinwirken.
Dabei stehe eine Verbesserung der öffentlichen Sicherheit im Vordergrund. Als Wege zur Verfolgung dieses Ziels nennt die Beschlussvorlage „insbesondere das Engagement in kommunalen Spitzenverbänden“ und den direkten Kontakt zu den jeweiligen Parlamentsabgeordneten.
Deutliche Zunahme der Gewalt in Aue-Bad Schlema
Auch das Anliegen im dritten Punkt blieb im Kern erhalten. Präzisiert wurde er dahingehend, dass der Antragstext den unterschiedlichen Regelungskompetenzen Rechnung trug. So solle der Oberbürgermeister damit beauftragt werden, sich bei den jeweils zuständigen Stellen für Veränderungen einzusetzen.
Insbesondere solle „die Gesetzeslage von den zuständigen Parlamenten dahingehend angepasst“ werden, dass abgelehnte oder straffällige Asylsuchende „künftig nicht mehr im Stadtgebiet von Aue-Bad Schlema untergebracht werden“. In der Begründung legt der OB dar, warum er einen Antrag eigentlich für überflüssig, aber unter welchen Bedingungen er ihn für zulässig hält.
Vor allem auf dem Postplatz war es in Aue-Bad Schlema in den vergangenen Monaten gehäuft zu Straftaten gekommen. Darunter waren auch einige erhebliche Gewaltstraftaten, für die laut Polizei „hauptsächlich Teenager unterschiedlicher Nationalitäten“ verantwortlich seien. Bis Ende Januar 2025 existierte im Ortsteil Bad Schlema ein Heim für Unbegleitete Minderjährige Asylsuchende (UMAs).
Aus Sicht rechter Fraktionen liegt ein Zusammenhang zwischen beiden Sachverhalten nahe. Im März soll unter anderem ein polizeibekannter 15-jähriger Syrer einen Mitschüler mit einem Messer bedroht haben.
CDU verteidigt Beschluss – Situation „schadet Image der Stadt“
Die Freien Sachsen nehmen nach der Abstimmung für sich auf der Plattform X in Anspruch, die „Brandmauer zu Fall gebracht“ zu haben. Politische Kräfte, die für Willkommenskultur gestanden hätten, hätten nun „kleinlaut eingestanden, dass sie einen Irrweg beschritten haben“.
Kritiker in sozialen Netzwerken zweifeln hingegen an der Notwendigkeit eines solchen Beschlusses. X Nutzer „bird_on_a_wire“ betont den geringen Ausländeranteil von 3,6 Prozent in der Stadt. Nutzer „Dogwalker“ sieht keine Relevanz: „Aue-Bad Schlema hat keinen echten Asyl-Notstand ausgerufen. Der Stadtratsbeschluss ist rein symbolisch und hat keine rechtlichen Folgen.“
Bereits im Verwaltungsausschuss hatte es eine einstimmige Zustimmung zur Beschlussvorlage gegeben. CDU-Stadtrat Thomas Colditz weist Kritik von außen zurück. Es habe „keine bewusste Zusammenarbeit“ mit den Freien Sachsen gegeben. Der Beschluss sei nötig gewesen, weil die Situation auf dem Postplatz „dem Image der Stadt schadet“. Der Landesverband der Linkspartei sprach hingegen von einem „Fehler“. Das Votum, so hieß es gegenüber dem „Spiegel“, widerspreche der eigenen Parteilinie, keine Kooperation mit extrem rechten Kräften einzugehen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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