Politologe rät Grünen zu Verzicht auf Kanzlerkandidatur

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Die Grünen-Chefs Annalena Baerbock und Robert Habeck fordern die Bundes-CDU auf, sich hinter Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff zu stellen (Archiv).Foto: Kay Nietfeld/dpa/dpa
Epoch Times19. März 2021

Der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte rät den Grünen, keinen Kanzlerkandidaten zu nominieren. Die Grünen sollten „auf den Faktor Neugierde“ setzen und die Kanzlerkandidatur offen lassen, sagte er der Wochenzeitung „Die Zeit“. Und weiter: „Eine Partei, die so viele neue Formate geprägt hat, vom Rotationssystem bis zur Doppelspitze und immer damit Werbung macht, als Bündnispartei hybrid auch Stimmungen und Strömungen und Orientierungen mit aufzusaugen und anzubinden – warum müssen sie über das Stöckchen springen und unbedingt einen anbieten. Warum nicht ein Tandem“, so Korte.

Das wäre „mal etwas Originelles“ und jeder der Wähler habe „mit Sicherheit Vertrauen, dass, wenn die Stunde kommt und gewählt ist, beide auch klug eine Entscheidung fällen, wer was dann macht“. Vieles an der Langeweile in der Betrachtung der SPD hänge auch damit zusammen, „dass sie alles schon entschieden haben“.

Korte bezieht sich damit auf die Aufstellung des Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sowie die Präsentation des Programms. Den Titel des Kanzlerkandidaten verliehen zu bekommen sei in der Geschichte der Republik immer eine besondere Ehre gewesen, es sei aber auch der „Titel, der am wenigsten Erfolg hatte“. Nur einmal sei bei einer ordentlichen Wahl mit Gerhard Schröder ein Kanzlerkandidat auch wirklich Kanzler geworden.

Zum traditionellen TV-Duell der Kanzlerkandidaten sagte Korte: „Es wird ein Triell geben.“ Wenn die Grünen einen der beiden Bundesvorsitzenden entsenden würden, könnten sie in der sogenannten Elefantenrunde den oder die andere schicken. Die Entscheidung könne per Los fallen, ohne dass in der öffentlichen Wahrnehmung damit ein Präjudiz für die Nummer-Eins-Position verbunden sein müsste, falls die Grünen als stärkste Partei aus der Wahl hervorgingen.

„Sozial-ökologische Neubegründung“ der Marktwirtschaft

Die Grünen-Spitze will mit dem Versprechen eines „klimagerechten Wohlstands“ in den Bundestagswahlkampf ziehen. Es werde die „sozial-ökologische Neubegründung“ der Marktwirtschaft gebraucht, heißt es im Entwurf für das Wahlprogramm, den die Parteivorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck am Freitag vorstellen wollen. Für den wirtschaftlichen Aufbruch nach der Corona-Pandemie schlagen die Grünen für das laufende Jahrzehnt ein Investitionsprogramm von jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich vor.

Habeck sagte bei der Vorstellung des Programms, mit der Bundestagswahl am 26. September gehe mit dem Abschied von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine politische Ära zu Ende, nun beginne eine neue. Aber „die Regierungsparteien sind erlahmt und müde.“ Die Grünen legten mit diesem Wahlprogramm nun eine „Vitaminspritze“ vor.

Wohlstand und Freiheit sollten neu begründet werden, zentrales Menschheitsthema sei der Kampf gegen die Erderwärmung, sagte Habeck. Die Grünen wollten weg von einer „reaktiven Politik, die Dinge stets nur reparieren will“. Er fügte hinzu: „Wir wollen mit diesem Programm einen Aufschwung schaffen, der über das rein ökonomische hinausgeht.“

„Deutschland. Alles ist drin“

Das Wahlprogramm steht unter dem Motto „Deutschland. Alles ist drin.“ Dies spiegele die Gewissheit wider, dass in diesem Land alles vorhanden sei, was zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen notwendig sei, sagte Ko-Parteichefin Annalena Baerbock. In der Corona-Pandemie seien die Menschen über sich hinausgewachsen. „Jetzt ist es an der Zeit, dass Politik endlich über sich hinauswächst.“

Für die Zeit nach der Corona-Pandemie schlagen die Grünen für das laufende Jahrzehnt ein Investitionsprogramm von jährlich 50 Milliarden Euro zusätzlich vor. Beim Klimaschutz geben sie das Ziel aus, bis 2030 statt der angepeilten 55 Prozent an CO2-Reduktion 70 Prozent zu schaffen. Mit Blick auf das Pariser Klimaschutzabkommen heißt es: „Es ist notwendig, auf den 1,5-Grad-Pfad zu kommen.“

Der Neustart nach der Corona-Krise müsse den besonders betroffenen Branchen helfen, heißt es im Programmentwurf weiter. Dafür sollen der steuerliche Verlustrücktrag ausgedehnt und begrenzte Abschreibungsbedingungen eingeführt werden.

Kleine und mittlere Unternehmen sollten sich mit vereinfachten Restrukturierungsverfahren leichter neu aufstellen können, ohne Insolvenz anmelden zu müssen. Bei der Rückzahlung von Soforthilfen sollten großzügige Stundungen möglich sein.

Bei der Einkommensteuer soll ab einem Einkommen von 100.000 Euro für Alleinstehende und 200.000 Euro für Paare eine neue Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt werden. Ab 250.000 beziehungsweise 500.000 Euro sollen es 48 Prozent sein.

Zudem wird im Programmentwurf für eine Vermögensteuer geworben. Sie soll ab zwei Millionen Euro pro Person gelten und ein Prozent jährlich betragen. Die Schuldenbremse im Grundgesetz soll so geändert werden, dass begrenzt Kredite aufgenommen werden dürfen, mit denen öffentliche Investitionen finanziert werden.

Ab 2030 sollen nach dem Willen der Grünen nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Kurzstreckenflüge sollen bis 2030 überflüssig gemacht werden – durch einen massiven Ausbau der Bahn. Kerosin soll durch klimaneutrale Treibstoffe ersetzt werden.

Das bisherige Hartz-IV-System soll nach dem Willen der Grünen durch eine Garantiesicherung ersetzt werden, die auf die bisherigen Sanktionen verzichtet. Zudem wollen die Grünen die bisherigen Leistungen für Kinder zu einer Kindergrundsicherung zusammenfassen.

Das Programm soll auf einem Parteitag im Juni beschlossen werden. Dabei ist noch offen, ob dieser erneut digital stattfindet oder als Präsenzveranstaltung über die Bühne geht. (dts)



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