Wagenknecht und Palmer: Allianz für politischen Umbruch?

Tübingens OB Boris Palmer hat sich in einem zentralen Café in Berlin mit der möglichen Parteigründerin Sahra Wagenknecht getroffen. Eine gemeinsame politische Zukunft erscheint jedoch fraglich. Eine Analyse.
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Tübingens OB Boris Palmer wurde jüngst in Berlin gesehen. Mischt er in künftiger Wagenknecht-Partei mit?Foto: Getty Images
Von 20. September 2023

Für Spekulationen sorgte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer am Montag, 16. September, mit seinem Besuch in Berlin. Auf Instagram teilte er ein Bild, das ihn zusammen mit der möglichen Parteigründerin Sahra Wagenknecht zeigt. Dieses versah er mit der Bildunterschrift „Kluge Gesprächspartnerinnen“.

 

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Neben der Noch-Linkspolitikerin meinte er damit auch Ex-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Mit dieser hatte er offenbar zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Unterredung geführt.

Wagenknecht lässt „Austausch zu aktuellen politischen Themen“ bestätigen

Der „Tagesspiegel“ wies in einem Beitrag darauf hin, dass der Ort des Treffens das Café „Einstein“ Unter den Linden gewesen sei. Bei diesem handele es sich um einen beliebten Treffpunkt für Politiker und Journalisten. Das Blatt fügte hinzu:

Wer hier Platz nimmt, will gesehen werden.“

Das Büro von Sahra Wagenknecht teilte auf Anfrage der Zeitung mit, diese habe sich mit Palmer „zu aktuellen politischen Themen ausgetauscht“. Nähere Angaben waren jedoch beiden Gesprächsteilnehmern bislang nicht zu entlocken.

Palmer als Vorbild für Erfolg ohne frühere Partei?

Dennoch hat das Treffen bereits jetzt Gerüchte und Spekulationen aller Art befeuert. Im nächsten Jahr findet die Wahl zum EU-Parlament statt. Erneut wird es keine Sperrklausel geben. Für neue Parteien eine willkommene Einladung, ihre politische Schlagkraft auszutesten. Und Sahra Wagenknecht will eigenen Angaben zufolge „bis zum Ende des Jahres“ eine endgültige Entscheidung bezüglich einer Parteigründung treffen.

Boris Palmer hatte im Mai nach 27 Jahren Mitgliedschaft die Grünen verlassen. Obwohl seine Partei ihn gezielt nicht unterstützt hatte, war es ihm im Vorjahr gelungen, sich überlegen die Wiederwahl als Tübinger OB zu sichern.

Auch Sahra Wagenknecht, langjährige Fraktionschefin im Bundestag, ist bei der Linkspartei längst in Ungnade gefallen – und deren Vorstand hat ihr ausdrücklich einen Austritt nahegelegt. Meinungsforschern zufolge könnte sie durch einen solchen Schritt nur gewinnen. Vor allem in Ostdeutschland trauen Demoskopen einer möglichen Wagenknecht-Partei ein erhebliches Erfolgspotenzial zu.

„Politische Notwendigkeit für eine neue Partei“

Allerdings müsste Wagenknecht für eine mögliche neue Formation Strukturen aufbauen und geeignetes Personal finden, erklärte Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot. Sie ist beispielsweise als mögliche Kandidatin für das EU-Parlament im Gespräch.

Um dauerhaften Erfolg zu erlangen, müsste Wagenknecht sich jedoch auch inhaltlich breiter aufstellen, als es die Linkspartei vermag. Informationen aus deren Umfeld zufolge sind es vor allem Kader dieser Partei, die bereits seit Längerem die Gründung eines Wagenknecht-Projekts vorbereiten.

Auf „web.de“ erklärte die Politikerin jüngst in einem Interview, es gebe „die politische Notwendigkeit für eine neue Partei“. Deutschland brauche „eine Politik der wirtschaftlichen Vernunft, der sozialen Gerechtigkeit, eine friedliche Außenpolitik und Respekt vor der Meinungsvielfalt statt Cancel Culture“.

Wagenknecht scheint auf muslimisches Potenzial zugunsten von Schwarzer & Co. verzichten zu wollen

Bezüglich der Frage, ob die neue Formation sich eher an Vorbildern wie Jean-Luc Mélenchon oder einer strikt säkularistischen Linken orientieren würde, scheint jedoch eine Vorentscheidung gefallen zu sein. Bei „web.de“ distanzierte sich Wagenknecht von „rassistischen Ressentiments“ der AfD.

Gleichzeitig wetterte sie jedoch auch gegen die „Verbreitung von religiösen Hasslehren, die sich gegen unsere Werte und unsere Kultur richten“. Ein „radikaler politischer Islam, der Kopftuch und Scharia predigt“, habe „in Deutschland nichts verloren“.

Offenbar zielt diese Taktik darauf ab, Personen wie Alice Schwarzer und deren Anhängerschaft als Potenzial zu erschließen. Mit Schwarzer hatte Wagenknecht bereits Anfang des Jahres eine Friedenspetition für die Ukraine initiiert. Zwar versucht die AfD immer wieder, unter dem Banner der „Islamkritik“ nicht-„woke“ Exponenten eines Feminismus der 1970er-Jahre anzusprechen, allerdings fremdeln diese häufig mit manchen konservativen gesellschaftspolitischen Ansätzen der Rechtspartei.

Abseits von Migration kaum Berührungspunkte zu Palmer

Auch Boris Palmer und Kristina Schröder hatten mehrfach durch konfrontatives Auftreten gegenüber muslimischen Einwanderern bei Anhängern der äußersten Rechten gepunktet. Allerdings blieb das häufig der einzige Berührungspunkt zur Gedankenwelt des AfD-Umfeldes.

Im Fall Palmers könnte es jedoch auch deutliche Auffassungsunterschiede zu Wagenknecht geben, die am Ende gegen eine Kooperation sprechen würden. So hat der Tübinger OB im Ukraine-Konflikt eindeutig Partei gegen Russland ergriffen. In der Corona-Politik wollte Palmer Ungeimpften den Bezug von Lohn und Rente vorenthalten und diese in „Beugehaft“ nehmen.

Dazu kommt, dass der Tübinger OB in der Klimapolitik kaum abweichende Positionen von seiner früheren Partei vertritt. Wagenknecht hingegen hatte sich mehrfach dagegen ausgesprochen, unter dem Banner des „Klimaschutzes“ eine Belastungspolitik für breite Bevölkerungsschichten zu betreiben.



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