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Wenn der Kiefer den ganzen Körper stresst – CMD erkennen und behandeln

Nächtliches Zähneknirschen raubt nicht nur den Schlaf, es schädigt auch die Zähne. Was Störungen im Kausystem in unserem Körper noch beeinflussen und wie wir darauf reagieren sollten, erklärt Gastautor und Heilpraktiker René Gräber in seiner wöchentlichen Kolumne bei Epoch Times.

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Wenn Zahn auf Zahn reibt, wird es schnell unangenehm – mitunter von Kopf bis Becken. Ein genauer Blick auf den Kiefer kann helfen, doch nicht alle Zahnärzte machen das.

Foto: Inside Creative House | iStock

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Lesedauer: 8 Min.

Sie wachen mit Nackenschmerzen auf, der Kopf ist dumpf, die Zähne empfindlich – und niemand findet eine Ursache? Dann lohnt sich ein Blick ganz nach oben: auf das Kiefergelenk.
Was viele nicht wissen: Störungen im Kauapparat betreffen weit mehr als nur die Zähne. Sie beeinflussen Muskeln, Nerven, Statik und können Beschwerden im ganzen Körper auslösen.

CMD – keine Mode, sondern unterschätzt

Nach aktuellen Angaben der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) leiden in Deutschland rund 8 bis 10 Prozent der Erwachsenen an behandlungsbedürftiger CMD – einer Craniomandibulären Dysfunktion beziehungsweise funktionellen Störung des Kausystems. Experten vermuten, dass die Dunkelziffer noch weitaus höher ist.
Viele Betroffene suchen jahrelang vergeblich nach einer Diagnose, meist mit Schmerzen, aber ohne klare Ursache. Wer unter diffusen Beschwerden leidet, die sich nicht logisch einordnen lassen, sollte das Kausystem in die Betrachtung einbeziehen. Denn wenn der Biss nicht stimmt, kann der ganze Körper aus dem Gleichgewicht geraten – und zwar vom Kopf bis zum Becken.

Mehr als nur Zähneknirschen

CMD ist kein klar abgrenzbares Krankheitsbild, sondern eine funktionelle Störung im Zusammenspiel von Kiefergelenken, Kaumuskulatur und Körperstatik. Wenn der Biss nicht passt oder die Muskulatur chronisch überlastet ist, reagiert das System – oft mit einer Kettenreaktion, die weit über den Kiefer hinausreicht.
Die Kaumuskulatur besteht aus vier Muskeln – pro Gesichtshälfte. Der Kaumuskel ist einer der stärksten Muskeln im menschlichen Körper.

Die Kaumuskulatur besteht aus vier Muskeln – pro Gesichtshälfte. Der Kaumuskel ist einer der stärksten Muskeln im menschlichen Körper.

Foto: ts | Epoch Times nach VectroMine | iStock

Nächtliches Zähneknirschen ist ein häufiger Auslöser: Es wirkt mit enormer Kraft auf den Kaumuskel (Musculus masseter) – einem der stärksten Muskeln im Körper. Studien zeigen, dass solche Dauerkontraktionen schnell zu Spannungskopfschmerzen und Nackenverspannungen führen können.
Doch CMD ist keine rein mechanische Störung. Viele Betroffene berichten über Schlafprobleme, innere Unruhe, ständige Anspannung – als würde sich der Körper regelrecht durch die Nacht „durchbeißen“.

CMD-Symptome – oft fehlinterpretiert

CMD zeigt sich selten isoliert. Typisch sind Spannungskopfschmerzen, Kieferknacken, Schwindel, Tinnitus, Nackenschmerzen oder das Gefühl, „nicht richtig zuzubeißen“. Auch Schlafstörungen, Erschöpfung und chronische Müdigkeit sind häufig – werden aber selten mit dem Kausystem in Verbindung gebracht.
Das Problem ist, viele dieser Symptome werden getrennt behandelt, obwohl sie oft Teil eines größeren Musters sind. Eine gezielte funktionsanalytische Untersuchung durch spezialisierte Zahnärzte oder Kieferorthopäden kann hier entscheidende Hinweise liefern.
Diagnose und Behandlung gehören dabei in erfahrene Hände, denn CMD ist keine Standarddiagnose, die jeder Zahnarzt routinemäßig stellt. Entscheidend ist eine strukturierte Funktionsanalyse – manuell-klinisch oder instrumentell –, durchgeführt von Zahnärzten mit entsprechender Spezialisierung in funktioneller Zahnmedizin. Nicht jede Praxis bietet das an.

Genau hinschauen lassen

In vielen Fällen wird zunächst eine individuell angepasste Aufbissschiene (zum Beispiel Michigan-Schiene) eingesetzt. Sie schützt die Zähne vor Abrieb und kann nächtliches Pressen reduzieren.
Wichtig ist dabei die präzise Anpassung. Eine Schiene, die nicht exakt auf die individuelle Kiefergelenkposition abgestimmt ist, kann bestehende Spannungen sogar verstärken. Richtig eingesetzt, lindert sie Beschwerden, behebt aber nicht die Ursachen. Deshalb sollte sie immer Teil eines umfassenderen Therapiekonzepts sein, das auch manuelle Behandlung, Entspannung und – falls nötig – die Überprüfung der Bissverhältnisse umfasst.
Eine individuell angepasste Schiene kann nächtliches Zähneknirschen reduzieren, behandelt aber nicht die Ursachen.

Eine individuell angepasste Schiene kann nächtliches Zähneknirschen reduzieren, behandelt aber nicht die Ursachen.

Foto: Vadym Plysiuk | iStock

Wichtig ist auch die Differenzierung. Entsteht das Problem durch Veränderungen am Biss – etwa nach Zahnersatz oder kieferorthopädischer Behandlung? Oder liegt eine funktionelle Störung im muskulären Zusammenspiel vor, verstärkt durch Stress, Fehlhaltungen oder nächtliche Anspannung? Diese Unterscheidung entscheidet über die Therapie.
Wer das Gefühl hat, „da stimmt etwas nicht im Biss“, sollte sich an einen Zahnarzt mit Erfahrung in Funktionsdiagnostik wenden – und nicht zögern, eine Zweitmeinung einzuholen, bevor Behandlungen beginnen.

Was Sie selbst tun können

Gerade in frühen Stadien lässt sich CMD gut beeinflussen – auch mit einfachen Mitteln im Alltag. Entscheidend ist, dem Kiefer regelmäßige Pausen zu gönnen. Tagsüber sollten die Lippen locker geschlossen bleiben, die Zähne aber keinen Kontakt haben. Abends empfiehlt es sich, auf harte Kost wie Brotrinden, Nüsse oder rohe Möhren zu verzichten. Das entlastet das System spürbar.
Wärme kann ebenfalls hilfreich sein. Ein Kirschkernkissen, eine Wärmelampe oder ein warmes Bad wirken oft entspannend. Auch eine reizarme Abendgestaltung hilft, zur Ruhe zu kommen – Blaulicht meiden, das Handy frühzeitig beiseitelegen, einen Lavendeltee trinken oder bewusst atmen.

CMD gezielt behandeln – zwei zentrale Ansatzpunkte

Nach meiner Erfahrung braucht es zwei therapeutische Säulen: manuelle Behandlung und gezielte Entspannung. Auch Magnesium kann helfen.
Bei Blockaden im Bereich der Halswirbelsäule, des Kiefers oder im cranialen Bereich wirkt osteopathische Behandlung oft erstaunlich schnell. Sie kann Spannungen lösen, Muskelketten harmonisieren und das vegetative Nervensystem beruhigen – besonders dann, wenn die Ursache nicht im Kiefer selbst liegt, sondern im Zusammenspiel von Haltung, Muskulatur und Nervensystem.
Gleichzeitig sollte auch die innere Anspannung adressiert werden. Atemübungen, progressive Muskelentspannung, ein warmes Bad oder Autogenes Training nach Schultz – diese scheinbar kleinen Maßnahmen können viel bewirken. Viele Patienten berichten erst durch diese Impulse von besserem Schlaf und weniger nächtlichem Zähneknirschen.
Ergänzend lohnt sich ein Blick auf die Nährstoffversorgung. Gerade bei innerer Unruhe oder schlechtem Schlaf ist Magnesium ein zentraler Faktor. Gut bioverfügbare Formen wie Magnesiumcitrat oder -glycinat wirken nicht nur muskulär, sondern auch auf das Nervensystem. Naturheilkundlich hat sich zudem Magnesium phosphoricum D6 bewährt: Zehn Tabletten in warmem Wasser auflösen, die Hälfte vor dem Schlafengehen trinken, den Rest bei nächtlichem Aufwachen – eine einfache, aber oft wirksame Maßnahme.

CMD ist behandelbar – Sie können viel selbst tun

Wenn unklare Beschwerden im Kopf-, Nacken- oder Kieferbereich bestehen, lohnt es sich, ganzheitlich zu denken. Drei Schritte haben sich bewährt:
Körperlich entlasten: Lassen Sie das Kausystem osteopathisch oder manualtherapeutisch behandeln, idealerweise durch erfahrene Therapeuten. Ein Kassenrezept für „manuelle Therapie“ kann ein erster Einstieg sein.
Nervensystem beruhigen: Lernen Sie ein Entspannungsverfahren. Mein Favorit: Autogenes Training. Es ist wissenschaftlich fundiert, leicht zu erlernen und sehr wirkungsvoll.
Magnesium nutzen: Organische Magnesiumverbindungen unterstützen Muskeln und Nerven. Ergänzend empfehle ich Magnesium phosphoricum D6 bei innerer Unruhe und Zähneknirschen.
Warten Sie nicht auf den perfekten Spezialisten. Fangen Sie dort an, wo es möglich ist. Kleine Veränderungen im Alltag können Großes bewirken. Und manchmal reicht ein einziger Gedanke, um den Wandel einzuleiten. Ob es geklappt hat, sagt Ihnen Ihr Körper: Er spricht leiser, wenn der Kiefer zur Ruhe kommt.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.

René Gräber studierte Pädagogik und Sportwissenschaften. Aufgewachsen in einer Ärztefamilie, kam er früh mit der Medizin in Kontakt – vor, unter und hinter dem Arzttisch. Bereits in seinen Zwanzigern war seine Krankenakte „so dick wie die mancher 70-Jährigen“. Sein eigenes Leid führte ihn jenseits der klassischen Medizin schließlich zur Naturheilkunde. Die erfolgreiche Selbstbehandlung legte den Grundstein für seine seit 1998 bestehende Praxis mit den Schwerpunkten Naturheilkunde und Alternativmedizin.

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