EU setzt Bremse für Bargeschäfte: Lob, Kritik – und rechtliche Zweifel

EU-Rat und Europaparlament haben sich auf eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro geeinigt. Formell muss dieser Grenze erst noch beschlossen werden – die Kritik daran ist aber unüberhörbar. Nicht erst seit der Einigung in der letzten Woche.
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Dass das EU-Parlament eine Bargeldobergrenze beschließen wird, gilt als ausgemacht. Symbolbild.Foto: iStock
Von 26. Januar 2024

In der EU gilt künftig eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro. Weiter sollen bereits ab Barzahlungen von 3.000 Euro die Daten des Käufers für spätere Rückverfolgungszwecke erfasst werden. Darauf haben sich am 18. Januar 2024 die Unterhändler von EU-Rat und Europaparlament geeinigt. Formal muss die Einigung zwar noch von beiden Institutionen bestätigt werden. Das gilt aber als ausgemacht.

Deutschland hat kein Bargeldlimit

Die Bundesregierung hat sich auf EU-Ebene immer wieder gegen eine Bargeldobergrenze gesperrt. Das hat gute Gründe: Anders als in anderen europäischen Ländern gibt es bislang in Deutschland keine Obergrenze für Bargeld. Lediglich zwei Ausnahmen gibt es bislang:

  1. Wer Beiträge oberhalb der 10.000 Euro bar bezahlen möchte, muss sich ausweisen. Die Händler zeichnen dann Daten wie Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Adresse auf.
  2. Seit Jahresbeginn 2020 gibt es in Deutschland zudem beim Kauf von Edelmetallen wie Gold und Silber sowie Kunst ab 2.000 Euro eine Ausweispflicht. Ein generelles Limit für Barzahlungen gibt es aber auch hier nicht.

In 18 von 27 Mitgliedsstaaten gibt es schon Bargeldgrenzen. Sie reichen von 500 Euro in Griechenland bis 15.000 Euro in Kroatien.

Ausdruck von Privatsphäre und Datenschutz

In der Ampelregierung ist es vor allem die FDP, die sich immer wieder gegen eine Obergrenze von Bargeld gesperrt hat. Schon im Dezember 2022 sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner am Rande eines Treffens der EU-Finanzminister in Brüssel: „Deutschland kann einer Obergrenze für die Barzahlung nicht zustimmen.“ Bargeld sei auch ein Ausdruck von Privatsphäre und Datenschutz. Deswegen werde die Bundesregierung sich bei Teilen eines entsprechenden EU-Gesetzespakets gegen Geldwäsche enthalten. Unter anderem berichtete damals die „Rheinische Post“ darüber. Verhindern konnte die deutsche Haltung nun die Obergrenze trotzdem nicht.

Die SPD und die Grünen als Koalitionspartner hatten von Anfang an eine andere Haltung zur Frage der Bargeldobergrenze als die FDP. So hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Juni gegenüber dem „Tagesspiegel“ eine Obergrenze, deutlich unter 10.000 Euro, ins Spiel gebracht. „Mir geht es darum, kriminelle Strukturen zu zerschlagen und ihnen kriminelle Einnahmen konsequent zu entziehen“, so Faeser damals. Deutschland dürfe kein „Hort für Geldwäscher sein“, so die Ministerin.

Die Europäische Kommission hatte im Sommer 2021 ein Gesetzespaket zur Geldwäschebekämpfung vorgeschlagen. Dazu gehörte neben einer EU-weiter Grenze für Bargeldzahlungen und Beschränkungen für Kryptowährungen auch eine neue Überwachungsbehörde. Sie soll unter anderem die Aufsicht über bestimmte Finanzunternehmen übernehmen können, wenn ein erhöhtes Risiko für Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung bestehe. Die Bundesregierung will diese neue Behörde nach Frankfurt am Main holen, dazu laufen auf EU-Ebene noch die Verhandlungen.

Bei der FDP stößt die beschlossene Obergrenze auch nach der Einigung in der vergangenen Woche auf Vorbehalte. Es sei der Eindruck erweckt worden, das Bundesfinanzministerium habe einer Bargeldobergrenze zugestimmt, schrieb Finanzminister Lindner auf der Plattform X, das sei falsch. „Ich war gegen diese unnötige Freiheitseinschränkung, deren Nutzen für die Kriminalitätsbekämpfung gering ist.“ Die Bundesregierung insgesamt habe sich auf „Enthaltung“ geeinigt.

Zustimmung zur Obergrenze aus Ampelkoalition

Allerdings kam aus der Ampelkoalition auch Zustimmung für eine Bargeldobergrenze. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sprach SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler von einer „lange überfälligen“ Entscheidung.

Für viele Kriminelle seien hohe Bargeschäfte nach wie vor von „großer Bedeutung“. Für Verbraucher hingegen sei eine Obergrenze von 10.000 Euro im Alltag „eigentlich nicht relevant“.

Auch die Grünen äußerten sich positiv zu den Plänen der Obergrenze. „Geldwäsche ist und bleibt ein großes Problem – auch und gerade in Deutschland“, sagte Fraktionsvize Konstantin von Notz gegenüber dem „Handelsblatt“. „Daher müssen wir der Problematik der Finanzkriminalität noch effektiver und gesamteuropäisch abgestimmt entgegentreten.“

Auch wenn der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler im Alltag für Verbraucher keine Relevanz sieht, kommt Kritik an der Obergrenze, aber gerade von Verbraucherschützern. Der „Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)“  sieht durchaus eine Einschränkung für Bürger durch ein Bargeldlimit, etwa beim Autokauf. Bargeldgeschäfte, so der Bundesverband, könnten auch nicht an Schufa-Auskunft oder an Technikproblemen scheitern. Zudem sei Bargeld demokratisch, jeder könne damit umgehen. In einem Beitrag auf dem Blog des Bundesverbandes schreibt Michaela Schröder, die Geschäftsbereichsleiterin Verbraucherpolitik beim vzbv: „Wenn wir das Bargeld nicht längst hätten, wäre spätestens jetzt der Zeitpunkt, es zu erfinden“. Argumente für das Bargeld sind für Schröder in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht darauf, wie man sparen und zahlen möchte, sowie der Schutz der Privatsphäre.

Bundesbank kritisiert Obergrenze

Kritik an einer Bargeldobergrenze kommt auch vom „Deutschen Sparkassen- und Giroverband“: „Bargeldobergrenzen werden nicht dazu führen, Terrorfinanzierung oder Geldwäschekriminalität nachhaltig einzudämmen.“

Auch Bundesbank-Vorstand Johannes Beermann sieht eine Beschränkung von Barzahlung auf 10.000 Euro kritisch. Gegenüber dem „Handelsblatt“ sagte er schon 2021: „Bislang gibt es keinen wissenschaftlich fundierten Beleg, dass mit Barzahlungsobergrenzen das Ziel erreicht wird, Geldwäsche zu bekämpfen.“

Ex-Verfassungsrichter: Obergrenze verfassungswidrig

Kritik an einer Bargeldobergrenze kommt aber auch aus verfassungsrechtlicher Sicht. So legte der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, schon vor einiger Zeit eine Analyse vor, in der er der Frage nachgeht, ob gesetzliche Begrenzungen von Bargeldzahlungen verfassungsrechtlich überhaupt zulässig sind. Ex-Verfassungsrichter Papier hat daran große Zweifel.

„Dies wären nicht gerechtfertigte Eingriffe in Freiheitsrechte, nämlich in die Vertragsfreiheit und Privatautonomie“, stellt Papier in seiner Analyse fest. Zudem habe das Verfassungsgericht immer wieder betont, „dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf“.

Eine gesetzliche Bargeldobergrenze und der Zwang, auf elektronische Zahlungsmittel zurückzugreifen, bedeuteten einen „kräftigen Schritt hin zur weiteren Reglementierung, Erfassung und verdachtslosen Registrierung“, schrieb Papier damals. Auch sei wohl nicht hinreichend nachweisbar, dass Beschränkungen zum Schutz des Gemeinwohls geeignet und erforderlich seien. „Mit solch vagen Vermutungen und globalen Verdächtigungen können die Freiheitseingriffe nicht legitimiert werden“, so der frühere oberste Verfassungsrichter.

Düsteres Bild zur Zukunft des Bargelds

Der Finanzexperte Sebastian Hell zeichnet für das Bargeld im „Focus“ ein düsteres Bild. Immer wieder würden Vertreter der EZB und der EU betonen, dass Bargeld nicht abgeschafft werden soll. Jedoch deuteten die Entwicklungen klar in die Richtung einer künftig verminderten Bargeldnutzung. Ein Bargeldverbot werde es wahrscheinlich nicht geben, vermutet Hell. Jedoch werde der Zugang und Einsatz im Alltag systematisch erschwert werden, sodass sich die meisten Menschen von allein dem Bargeld entwöhnen würden.



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