Ein Jahr Lieferkettengesetz, erste Bilanz für Behörden positiv

Seit Jahresbeginn müssen deutsche Unternehmen per Gesetz für Kinder- und Zwangsarbeit in der Lieferkette ihrer Produkte mit die Verantwortung übernehmen. Das zuständige Bundesamt zieht positive Bilanz.
Am Containerhafen werden Container verladen.
Im ersten Jahr des Lieferkettengesetzes hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bislang keine Sanktionen wegen Verstößen verhängt.Foto: Roland Weihrauch/dpa
Epoch Times21. Dezember 2023

Wenn ein T-Shirt in Deutschland im Geschäft, ein Schokoriegel im Supermarkt oder ein Sofa im Möbelhaus ankommt, haben die Produkte oft viele Fertigungsstufen in verschiedenen Ländern hinter sich.

Seit fast zwölf Monaten nimmt das von der Wirtschaft teilweise scharf kritisierte Lieferkettengesetz Unternehmen in Deutschland in die Pflicht, damit diese nicht von Kinder- und Zwangsarbeit bei ihren Zulieferern profitieren. Sanktionen wegen Verstößen hat das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) im ersten Jahr nach eigenen Angaben noch nicht verhängen müssen.

Wie die Behörde nun mitteilte, gab es seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 486 Kontrollen bei Unternehmen – zum Großteil in der Automobil-, Chemie-, Pharmazie-, Maschinenbau-, Energie-, Möbel-, Textil- sowie Nahrungs- und Genussmittelindustrie. Es seien 38 Beschwerden eingegangen, in sechs Fällen habe das Bafa Kontakt mit dem Unternehmen aufgenommen.

Die Behörde zieht eine positive erste Bilanz: Die verpflichteten Unternehmen setzten sich demnach mit ihren Lieferketten stärker auseinander und die Anforderungen des Gesetzes größtenteils erfolgreich um. Dabei seien sie auch auf ihre Zulieferer zugegangen, um Missstände zu beseitigen oder abzumildern.

Wirtschaft kritisiert hohen Aufwand

Die Wirtschaft kritisiert die Regeln jedoch noch immer. „Die Zielsetzung des Gesetzes wird von der deutschen Wirtschaft geteilt, sorgt aber in der Praxis für Schwierigkeiten“, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian, dpa.

Die Auswirkungen seien heute für kleine und mittelständische Unternehmen spürbar. „Wenn sie mit großen Unternehmen Geschäfte machen, wird auch von kleinen Betrieben verlangt, die Standards zu erfüllen“, so Adrian.

„Ein Beispiel aus meiner Praxis: Wir liefern Maschinen an große Unternehmen, die von uns erwarten, dass wir die Vorgaben einhalten. Wir haben allein schon 157 Vorlieferanten, von denen wir wiederum Produkte beziehen, bei denen wir dann die Einhaltung der Standards von Beginn an überprüfen müssen. Das ist teilweise schier unmöglich, das funktioniert nicht“, sagte Adrian.

Ich habe die Befürchtung, dass wir uns mit dem LkSG und erst Recht mit der jetzt in Brüssel vereinbarten EU-Variante komplett übernehmen.“

Die Verunsicherung und Belastung der Unternehmen werde durch die EU-Regelungen drastisch zunehmen und die Verärgerung über die EU-Politik bei vielen Unternehmen nochmals verstärken.

Was das Lieferkettengesetz verlangt

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), wie es offiziell heißt, gilt bisher für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sind davon rund 900 Unternehmen betroffen. Ab 2024 greift das Gesetz für Firmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Sie müssen unter anderem analysieren, wie groß das Risiko ist, dass sie von Menschenrechtsverstößen wie Zwangsarbeit profitieren, ein Risikomanagement sowie einen Beschwerdemechanismus aufsetzen und öffentlich darüber berichten.

Bei Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei unmittelbaren Zulieferern müssen die Unternehmen laut Gesetz unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen, „um diese Verletzung zu verhindern, zu beenden oder das Ausmaß der Verletzung zu minimieren“.

Kontrolliert werden die Vorgaben vom Bafa. Es geht auch eingereichten Beschwerden nach. Stellt das Bundesamt Versäumnisse oder Verstöße fest, kann es Bußgelder verhängen. Unternehmen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben, können von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden.

EU-Gesetz soll folgen

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten einigten sich Mitte Dezember auch EU-weit auf ein solches Gesetz, das die Unternehmen für die Einhaltung von Menschenrechten in ihrer Lieferkette mit verantwortlich macht.

Grundsätzlich gelten die Regeln für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Umsatz. Vorgesehen ist unter anderem, dass Firmen vor europäischen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn es in ihren Lieferketten zu Verstößen gegen Menschenrechte kommt.

„Was jetzt in der EU auf dem Tisch liegt, geht noch weit darüber hinaus, weil es dort nicht nur um die gesamten Lieferketten, sondern auch um die Absatzketten gehen soll“, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, der dpa.

„Das ist etwa für Komponentenhersteller völlig wirklichkeitsfern. Die kennen die Endkunden eines Großteils ihrer Lieferungen überhaupt nicht.“ Dazu komme eine drohende zivilrechtliche Haftung für Fehlverhalten anderer Unternehmen in der Lieferkette.

Die Einigung auf das EU-Gesetz muss vom Europäischen Parlament und den EU-Staaten noch bestätigt werden, das ist normalerweise Formsache. (dpa/red)



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