Sinkender Ölpreis – Warum ein Experte trotz EU-Embargo damit rechnet

Der Krieg in der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland heizen den Ölmarkt auf und sorgen für rekordverdächtige Preissprünge. Nun soll auch noch der Ausstieg der EU bei russischem Erdöl kommen. Viele Experten sehen einen weiteren Preisanstieg als Folge – jedoch nicht alle.
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Ölplattform.Foto: EDSON PASSARINHO/AFP via Getty Images
Von 6. Mai 2022

Das geplante EU-Öl-Embargo gegen Russland soll bereits im Herbst anlaufen. Viele Experten erwarten deshalb einen Preisanstieg bei den Rohölpreisen. Doch es gibt auch Stimmen, die ein anderes Szenario kommen sehen und sogar von sinkenden Ölpreisen ausgehen.

EU will „vollständiges Einfuhrverbot“

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte am 4. Mai in einer Pressemitteilung, dass es sich um ein „vollständiges Einfuhrverbot für sämtliches russisches Öl“ handeln werde, „ob Seeweg oder Pipeline, ob Rohöl oder raffiniert“. Demnach sollen die russischen Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten auslaufen, die raffinierten Erzeugnisse bis Ende des Jahres.

Ausnahmen sollen für die stark von russischem Öl abhängigen Staaten Ungarn und Tschechien gelten, die bis Ende 2023 Zeit haben. Möglicherweise will die EU-Kommission damit auch die Annahme ihres Sanktionspakets sicherstellen, die nach Passieren des Europaparlaments im Europarat der Mitgliedsländer einstimmig erfolgen muss.

Mit der Präsentation dieses sechsten Sanktionspakets gegen Russland setzt die Kommission der Europäischen Union auch die von Saudi-Arabien und Russland angeführte Organisation erdölexportierender Länder (OPEC+) einen Tag vor ihrer monatlichen Onlinesitzung am 5. Mai unter Druck. Eine Entscheidung zur wesentlichen Erhöhung der Fördermenge dieser Länder erwarten die Experten jedoch nicht.

Chef-Analyst: Öl-Preis wird sinken

Aktuell liegt der Ölpreis (Brent) bei 110 US-Dollar pro Barrel (159 Liter). Im März erreichte der Wert kurzfristig sogar Rekordhöhen von knapp unter 140 US-Dollar.

Entgegen den allgemeinen Vermutungen zur Entwicklung des Ölpreises sieht der Chef-Rohstoffanalyst der Commerzbank, Ulrich Leuchtmann, „spätestens in der zweiten Jahreshälfte“ fallende Preise – „unter 100 Dollar“. Leuchtmann hält laut einem Beitrag der „Wirtschaftswoche“ sogar einen Ölpreis von um die 90 Dollar zum Jahresende hin für realistisch. Der Ökonom sehe dies mit Blick auf steigende Zinsen und eine schrumpfende globale Wachstumsdynamik für begründet. Sogar „ein Niveau deutlich darunter“ sei vorstellbar, wenn es in großen Wirtschaftsräumen zu einer Rezession käme.

Hinsichtlich des geplanten Öl-Embargos der EU gegen Russland erwartet Leuchtmann nach vorübergehend ansteigenden Reaktionen des Marktes eine rasche Beruhigung. Grund sei demnach die Erwartung, dass große Ölverbraucher wie Indien und China sich nicht an dem Boykott gegen russisches Öl beteiligen werden. Diese könnten sogar aufgrund kräftiger Preisabschläge für russisches Öl mehr von diesem kaufen. Dies wiederum setze bei den bisherigen Lieferanten Indiens und Chinas Kapazitäten für den Westen frei – auch wenn dies eine Weile aufgrund bestehender Lieferverträge und der Neujustierung von Lieferwegen dauere.

Auch Leuchtmann hält übrigens eine Anhebung der Fördermengen der OPEC für eher unwahrscheinlich. Dennoch ist der Experte darüber verwundert, weil dies seiner Ansicht nach nicht im Sinne Saudi-Arabiens sein könne, „das in der Opec den Ton angibt“. Leuchtmann verweist darauf, dass der Ausstieg aus fossilen Energien umso schneller kommen werde, je höher der Ölpreis sei. „Ökonomisch ist der Verzicht auf höhere Fördermengen für die Ölstaaten ein Eigentor“, zieht der Rohstoffanalyst ein Fazit im Interview mit der „Wirtschaftswoche“.

OPEC bisher zurückhaltend

Die OPEC scheint die Förderlücke von rund 7,5 Millionen Barrel russisches Rohöl pro Tag für Europa nicht ersetzen zu können – oder zu wollen. Noch Mitte April hatte OPEC-Generalsekretär Mohammed Barkindo nach Angaben der „Tagesschau“ bei einem Treffen mit EU-Vertretern erklärt, dass angesichts der aktuellen Nachfrageaussichten es nahezu unmöglich wäre, „einen Verlust an Volumen in dieser Größenordnung zu ersetzen“, so der Nigerianer.

Giovanni Staunovo, Rohstoff-Experte der Schweizer Großbank UBS, erinnert gegenüber dem ARD-Format daran, dass Russland Mitglied der OPEC+ sei und die 23 Länder umfassende Öl-Allianz einstimmig über Maßnahmen wie Förderausweitungen abstimme. Dem Experten nach würden einige Mitglieder der OPEC+ bereits am Rande ihrer Kapazitäten fördern, Saudi-Arabien jedoch könnte schnell seine Förderung deutlich erhöhen.

Die OPEC nennt den Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine „geopolitische Spannungen in Osteuropa“ – um Russland nicht zu verärgern, wie USB-Analyst Staunovo zudem erklärt.

Bereits vor Corona hatten sich die OPEC und Russland geeinigt, die Fördermengen zu reduzieren, um den Ölpreis in die Höhe zu treiben. Diese Politik wurde während der Corona-Jahre 2020/2021 weiter fortgesetzt. Erst in den vergangenen Monaten kam es zu leichten Steigerungen der Fördermenge.



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