Der „Heilige Gral der Archäologie“: Neue Methode zur Datierung von Keramik entdeckt

Ein Team an der Universität von Bristol hat eine neue Methode zur Datierung von Keramik entwickelt. Archäologen ist es nun weltweit möglich, das Alter von prähistorischen Tongefäßen mit bemerkenswerter Genauigkeit zu bestimmen.
Prähistorische Keramik
Prähistorische Keramik.Foto: iStock
Von 14. April 2020

Über diese neue Methode berichteten die Forscher ausführlich in der Fachzeitschrift Nature. Aktuell wird die Altersbestimmung bei einer Vielzahl von Keramiken aus wichtigen Fundstätten in Großbritannien, Europa und Afrika angewendet, die bis zu 8.000 Jahre alt sind.

Keramik wird seit mehr als einem Jahrhundert zur Datierung archäologischer Stätten benutzt. Ein Grund hierfür ist, dass sie häufig in ausreichendem Maße und (seit ihrer Erfindung) an nahezu jedem Fundplatz vorhanden ist. Außerdem ist gebrannter Ton wesentlich resistenter gegenüber Umwelteinflüssen als Metall oder Holz und ist oft mit weiteren datierbaren Objekten vergesellschaftet.

Keramik und das Spiel mit der Datierung

Besonders die Gefäße seit der römischen Zeit können aufgrund von beiliegenden Münzen oder Erwähnungen in Schriftquellen eine recht genaue Datierung liefern. Bei älterer Keramik, wie jener der frühesten neolithischen Bauern, ist eine genaue Datierung dagegen schwieriger. Diese Arten sind meist weniger ausgeprägt. Zu dieser Zeit gab es außerdem weder Münzen noch historische Aufzeichnungen von „Augenzeugen“.

Hier kommt die Radiokarbondatierung, auch als 14C-Datierung bekannt, ins Spiel. Bisher mussten Archäologen dazu Knochen oder andere organische Materialien, die mit den Gefäßen begraben wurden, datieren, um ihr Alter zu ermitteln.

Römische Keramik

Römische Amphoren. Foto: iStock

„Einer der ‚Heiligen Grale‘ der Archäologie“

Eine bessere und genauere Methode zur Datierung von Keramik wäre jedoch die direkte Datierung der Gefäße. Dies ermöglichte das Team der Universität Bristol nun durch die Datierung von Fettsäuren, die bei der Lebensmittelzubereitung in den Behältern zurückblieben.

„In der Lage zu sein, archäologische Töpfe direkt zu datieren, ist einer der ‚Heiligen Grale‘ der Archäologie. Diese neue Methode basiert auf einer Idee, die ich vor mehr als 20 Jahren hatte. Nun ermöglicht sie es der Gemeinschaft, wichtige archäologische Stätten auf der ganzen Welt besser zu verstehen“, sagte Professor Richard Evershed von der Universität Bristol, Leiter des Forschungsteams.

„Wir haben schon früher mehrere Versuche unternommen, eine perfekte Methode zu entwickeln. Allerdings konnten wir das erst realisieren, als wir unsere eigene Radiokarbonanlage in Bristol eingerichtet haben. […] Jetzt konnten archäologische Fragen beantwortet werden, die bislang sehr schwer zu lösen waren“, ergänzte der Wissenschaftler.

Keramik aus der Sahara

6.000 Jahre alte prähistorische Keramik aus der Sahara. Foto: Evershed, Casanova, Bayliss et. al.

Wie die Altersbestimmung der Keramik funktioniert

Der Trick bestand darin, einzelne Fettverbindungen aus Lebensmittelresten zu gewinnen. Diese blieben möglicherweise beim Kochen von Fleisch oder Milch zurück und setzten sich geschützt in den Poren prähistorischer Kochtöpfe ab.

Bei der Gewinnung der Fettsäuren verwendete das Team die neuesten hochauflösenden Technologien der kernmagnetischen Resonanzspektroskopie und der Massenspektrometrie. Zudem konnte mittels dieser Technik überprüft werden, ob die Proben rein genug für eine genaue Datierung waren.

Keramik

Emmanuelle Casanova, eine der Wissenschaftlerinnen aus Bristol, die an dem Projekt arbeitetet. Foto: University of Bristol

Das Team musste anschließend beweisen, dass die Daten der neuen Methode so genau sein konnten, wie die von Materialien, die in der Archäologie üblicherweise datiert werden, wie z. B. Knochen, Samen und Holz. Zu diesem Zweck untersuchte das Team Fettextrakte aus antiker Keramik an einer Reihe wichtiger Stätten in Großbritannien, Europa und Afrika mit bereits präzisen Datierungen, die bis zu 8.000 Jahre alt waren.

Mit Erfolg: Tatsächlich stimmten die aus den Fetten gewonnenen Alter nicht nur mit den bereits vorhandenen überein, sondern gaben auch ein wesentlich genaueres Alter preis. So konnten die Stätten sogar innerhalb einer menschlichen Lebensspanne datiert werden.

„Die Keramiktypologie ist die am weitesten verbreitete Datierungstechnik in der Archäologie. Daher wird die Möglichkeit, verschiedene Arten von Keramik viel sicherer in der Zeitrechnung zu platzieren, von großer praktischer Bedeutung sein“, sagte Professor Alex Bayliss, Leiter der wissenschaftlichen Datierung bei Historic England.

Keramik aus 138 Jahren Londoner Vorgeschichte

In London wandten die Archäologen die neue Datierungsmethode bei einer Keramiksammlung in Shoreditch an. Sie gilt als die bedeutendste Gruppe frühneolithischer Keramik aus London und umfasst 436 Fragmente von mindestens 24 einzelnen Gefäßen. Das Fundgut mit einem Gesamtgewicht von fast 6,5 Kilogramm wurde von Archäologen des Museum of London Archaeology (MOLA) entdeckt.

Die Fundstätte schien aus der Zeit zu stammen, als die ersten Bauern nach Großbritannien kamen. Eine genaue Datierung war bislang jedoch schwierig. Mit der neuen Methode und anhand von Milchfettspuren ergab sich nun ein Alter von 5.500 Jahren für die Gefäße. Außerdem ergaben die Daten eine Nutzungszeit von nur 138 Jahren für die gesamte Keramiksammlung.

Keramik aus Somerset

Neolithische Schüssel aus Somerset. Foto: Evershed, Casanova, Bayliss et. al.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Bauern das Gebiet vor etwa 5600 Jahren nutzten und die Herstellung von Milch ein zentraler Bestandteil ihrer Ernährung war.

„Diese bemerkenswerte Sammlung trägt dazu bei, eine kritische Lücke in der Londoner Vorgeschichte zu schließen. Archäologische Zeugnisse für die Zeit nach der Ankunft der Landwirtschaft in Großbritannien sind in der Hauptstadt selten erhalten geblieben, geschweige denn noch vor Ort. Dies ist der bisher stärkste Beweis dafür, dass die Menschen einen weniger mobilen, auf der Landwirtschaft basierenden Lebensstil führten“, sagte Jon Cotton, Prähistoriker bei MOLA.



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