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Kartographie

Herz, Keis oder Viereck: Wieso Weltkarten die wahre Größe von Regionen verzerren

Grönland ist auf vielen gängigen Weltkarten etwa so groß wie Afrika, dabei ist der Kontinent etwa 14-mal größer. Auch andere Regionen werden viel zu klein oder zu groß dargestellt. Was steckt dahinter? Und gibt es Alternativen?

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Der Globus ist die nach wie vor am genausten, wenn es darum geht, die Größenverhältnisse auf der Erde richtig darzustellen. (Archivbild)

Foto: Sebastian Gollnow/dpa

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Lesedauer: 9 Min.


In Kürze:

  • Seit dem Mittelalter wissen wir, die Erde ist keine Scheibe.
  • Die Kugelgestalt der Erde führt zu Schwierigkeiten bei der Darstellung in Karten.
  • Sogenannte Projektionen ermöglichen die Abbildung der Erdkugel auf einer ebenen Karte.
  • Unterschiedliche Projektionen führen zu unterschiedlichen Verzerrungen, die jeweils Vor- und Nachteile habe.

 
Wer manche klassischen Weltkarten betrachtet, dem fällt mitunter die enorme Größe von Grönland auf. In manchen Entwürfen erscheint die Insel etwa so groß wie der gesamte Kontinent Afrika.
Betrachtet man hingegen einen Globus, fällt auf: Afrika ist um ein Vielfaches größer. Das täuscht nicht. Laut dem Bundesamt für Kartographie und Geodäsie (BKG) ist die Fläche des Kontinents in der Tat fast 14-mal so groß wie die von Grönland. Wie also kommt es zu dieser Verzerrung in den Karten?
Der "Behaim-Globus" aus dem Jahr 1492 ist im Germanischen Nationalmuseum ausgestellt.

Der „Behaim-Globus“ aus dem Jahr 1492 ist im Germanischen Nationalmuseum ausgestellt.

Foto: Daniel Karmann/dpa

Die bis heute häufig verwendete Weltkarte beruht auf der sogenannten Mercator-Projektion. Diese wurde laut BKG im Jahr 1569 von dem Kartographen Gerardus Mercator für die Seefahrt entwickelt. Damals wusste man bereits, dass sie die Größe der Länder nicht flächentreu darstellt, sondern verzerrt. Aber dafür war sie winkeltreu und erwies sich für die Schifffahrt von enormem Nutzen.
Denn genau diese winkeltreuen geraden Linien halfen dabei, „dass man danach recht einfach navigieren, also den Kurs eines Schiffes bestimmen konnte“, erklärt Manfred Weisensee, Präsident der Jade Hochschule und langjähriger (2011–2019) Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kartographie (DGfK).
Weisensee zufolge gehört die Mercator-Projektion zu den „Meilensteinen der Wissenschaft“.

Mercator-Projektion bietet heute noch Vorteile – doch sie verzerrt

Heute wird die Projektion laut BKG vor allem in digitalen Kartendiensten eingesetzt, da sie die Darstellung online vereinfache – Displays sind rechteckig – und so auch konsistentes Zoomen ermögliche.
Zudem ließen sich die Karten so schneller laden und interaktiv nutzen. In der Seefahrt wird laut Weisensee zwar schon lange auf GPS gesetzt, im Falle einer Störung der Satellitennavigation greife man dort jedoch auch heute noch auf klassische Karten mit der Mercator-Projektion zurück.
Fällt die Satellitennavigation aus, greifen Schiffsoffiziere noch heute auf klassische Seekarten zurück.

Fällt die Satellitennavigation aus, greifen Schiffsoffiziere noch heute auf klassische Seekarten zurück.

Foto: Igor-Kardasov/iStock

Das Problem dieser Karte ist laut Weisensee die Flächenverzerrung: Länder (und Ozeane) werden bei dieser Projektion umso größer, je weiter sie vom Äquator entfernt liegen. Schließlich muss die dreidimensionale Erde, die eigentlich fast kugelförmig ist, auf eine zweidimensionale, rechteckige Fläche projiziert werden.
Diese Abbildung hat zur Folge, dass Flächen immer größer, je weiter man vom Äquator entfernt ist. Äquatornahe Regionen – Afrika, Südamerika und Südasien – werden dagegen verhältnismäßig klein dargestellt.
Somit wirken große Länder wie Indonesien, Brasilien, Kolumbien, die Demokratische Republik Kongo und Kenia, die nahe am Äquator viel kleiner als sie im Vergleich zum Rest der Welt sind. Polnahe Regionen wie Kanada, Russland, Skandinavien und vor allem Grönland und die Antarktis erscheinen hingegen viel zu groß.
Mit anderen Worten, Länder werden mit wachsendem Abstand vom Äquator immer mehr in die Breite gezogen. Das erzeuge „eine falsche Vorstellung beispielsweise von Entfernungen“, so Weissensee.
Der Grund liegt in der Art und Weise der Projektion selbst: Am Äquator müssen rund 40.000 km auf die Karte passen, an den Polarkreisen noch knapp 16.000 km und direkt am Nord- und Südpol 0 km. Auf der Weltkarte nach Mercator sind dennoch alle drei Längen gleich breit.
Mercator-Projektion der Erde.

Am Äquator müssen rund 40.000 km auf die Karte passen, an den Polarkreisen knapp 16.000 km und direkt an Nord- und Südpol 0 km. In der Mercator-Projektion sind dennoch alle drei Längen gleich breit.

Verzerrte Weltkarte verzerrt unser Weltbild

Deshalb hat unter anderem die Afrikanische Union (AU) im August 2025 beklagt, dass die Mercator-Projektion Afrika nicht angemessen darstelle und damit ein falsches Weltbild vermittle. Die Verzerrung fördere ein fehlerhaftes Bild von Afrikas Bedeutung und Größe. Das wirkt sich laut AU auf schulische Bildung, Medien und Politik aus.
„Natürlich sind es insbesondere die Größenverhältnisse von Flächen, Ländern oder Kontinenten, die großen Einfluss auf unser Weltbild haben“, erklärt Weisensee. „Denn eine Karte, die zwei Länder mit ähnlicher Fläche in extrem unterschiedlicher Größe darstellt, erzeugt ein falsches Bild und verhindert damit eine zutreffende Einschätzung von Sachverhalten.“
Ein weiteres Beispiel für die Verzerrung durch die Mercator-Projektion ist Weisensee zufolge ein Vergleich zwischen Grönland und der Arabischen Halbinsel. Letztere hat de facto eine deutlich größere Fläche als Grönland – 2,7 Millionen Quadratkilometer im Vergleich zu 2,2 Millionen Quadratkilometer –, erscheint aber dennoch viel kleiner. Dass derartige Karten weiterhin verwendet werden, habe wohl auch mit den Gewohnheiten der Menschen zu tun.

Alternative Karten liegen bereit

Tatsächlich gibt es eine Vielzahl anderer Projektionen, mit ihren ganz eigenen Vor- und Nachteilen. Zu ihnen gehören beispielsweise flächentreuere Abbildungen wie die von Carl Brandan Mollweide aus dem Jahr 1805, oder jene von Ernst Hammer (1892). Beide projizieren die Erde auf eine elliptische Karte.
Wie bei anderen Karten nimmt die Verzerrung mit zunehmendem Abstand vom Äquator und Mittelmeridian stark zu. Da die direkte Verbindung von zwei Punkten außer auf dem Nullmeridian und dem Äquator keine geraden Linien bildet, ist sie zur Navigation ungeeignet, was wiederum möglicherweise ein Grund ist, warum sie sich im 19. Jahrhundert nicht durchgesetzt hat.
Hammer-Aitov-Projektion der Erde.

Die Hammer-Aitov-Projektion bildet Kontinente flächentreu ab. Zur Navigation ist sie ungeeignet.

Foto: Mdf, gemeinfei

Weder elliptisch noch viereckig sind die Projektionen von Max Eckert-Greifendorff (1906) und Karlheinz Wagner (1949). Auch sie sind zur Navigation ungeeignet.
Bei allen Eckert-Projektionen werden die Pole als Linie mit der halben Länge des Äquators dargestellt. Sie bilden damit eine Zwischenlösung zwischen der extremen Polverzerrung der Mercator-Projektion und der polwärts zunehmenden Unlesbarkeit der Mollweide- und Hammer-Aitov-Projektionen.
Darüber hinaus gibt es weitere Projektionen, die teils herz-, apfel- oder gänzlich unförmig sind.

Eckert-Projektionen bilden die Pole als Linie mit der halben Länge des Äquators ab.

Werner-, polikonische und Goode-Homolosine-Projektion der Erde

Werner-, polikonische und Goode-Homolosine-Projektion. Foto ts/Epoch Times nach Mdf, gemeinfei

Andere Abbildungen bieten neue Perspektiven

„Zur Vermittlung eines realistischen Bildes der Welt sollte immer eine flächentreue Abbildung verwendet werden oder zumindest eine vermittelnde Abbildung, die Flächen nur wenig verzerrt“, betont Weisensee.
Dennoch werde die Mercator-Projektion häufig an Schulen und weiteren Orten für Zwecke und Aufgaben verwendet, „für die es keine ungeeignetere Projektion, als sie es ist, gibt“, beklagt der Kartograph.
Zwar gebe es in Schulen auch Atlanten, die flächentreue Abbildungen zeigen; „jedoch ist gerade der Einfluss digitaler Kartendienste für unsere Sicht auf die Welt so groß geworden, dass hier ein dringender Änderungsbedarf besteht“, unterstreicht Weisensee. Weiter sagte er:
„Software-Lösungen, welche die Erde als Globus darstellen – beispielsweise Google Earth im Unterschied zu Google Maps – geben ein realistischeres Bild der Erde wieder.“
Auch wenn nicht die gesamte Erde auf einen Blick dargestellt werden könne, so seien Vergleiche von Flächen und von flächenbezogenen Informationen hier wesentlich besser möglich. Zudem ermögliche diese flexible Form der Darstellung und die Sicht auf einen virtuellen Globus auch ganz andere Einblicke.
„So kann nicht nur das Zentrum einer Abbildung frei gewählt werden, um die Welt von einem bestimmten Punkt aus zu betrachten, auch die übliche Ausrichtung von Karten nach Norden kann verändert werden, wodurch neue Perspektiven entstehen.“
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
Dieser Artikel wurde am 11. Dezember 2025 aktualisiert und um weitere Projektionen ergänzt.
Dipl.-Ing. Tim Sumpf studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit den Schwerpunkten erneuerbare Energien, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Als Ressortleiter „Wissen“ und Statistiker des Hauses berichtete er neben den genannten Themen auch über Klima, Forschung und Technik.

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