Tauwetter zwischen Russland und der Ukraine? Putin und Selenski nach ersten Treffen zuversichtlich

Die Präsidenten der Ukraine und der Russischen Föderation, Wolodymyr Selenski und Wladimir Putin, sind nach ihrem ersten Zusammentreffen am Montag in Paris zuversichtlich, den Friedensprozess voranbringen zu können. Die schwierigsten Fragen bleiben jedoch offen.
Titelbild
(L-R) Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski, der französische Präsident Emmanuel Macron, der russische Präsident Vladimir Putin und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 9. Dezember 2019 im Elysee-Palast in Paris. Das Normandie-Format wurde 2014 geschaffen, um den Konflikt zwischen Kiew und den Gebieten im Osten der Ukraine zu lösen.Foto: CHRISTOPHE PETIT TESSON - Pool/Getty Images
Von 10. Dezember 2019

Mit einem Ergebnis von 73 Prozent wurde Wolodymyr Selenski in der Stichwahl im April zum Präsidenten der Ukraine gewählt, seiner Partei „Diener des Volkes“ gelang es bei den Parlamentswahlen im Juli, sich in der Werchowna Rada die absolute Mehrheit der Sitze zu sichern.

Dass auch mit einem solchen starken Mandat das Zeitfenster, um zählbare Erfolge zu verbuchen, eng bemessen ist, muss Selenski bereits jetzt erfahren. Seine Popularität ist auf knapp über 50 Prozent zurückgegangen, in Kyjiw bringen Gegner immer häufiger tausende Bürger zum Protest auf die Straßen.

Selenski bereit, Popularität gegen Frieden und Wohlstand zu tauschen

Das Thema, bei dem Selenski verliert, und dies im Interesse der Zukunft des Landes durchaus in Kauf zu nehmen bereit ist, ist der Friedensprozess in der Ostukraine. Er weiß, dass eine Fortdauer des Krieges, der seit 2014 bereits mehr als 13 000 Menschenleben gekostet und hunderttausende Flüchtlinge zur Folge hatte, ebenso wie auch nur ein eingefrorener Konflikt die Wirtschaft des Landes pro Jahr bis zu 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts belastet. So zumindest lautet der „Financial Times“ zufolge die Schätzung von Wirtschaftsminister Tymofij Mylowanow allein für das erste Krisenjahr 2014/15.

Insgesamt seien der Ukraine durch den Kriegszustand bislang an die 150 Milliarden US-Dollar verloren gegangen.

Ein zu sichtbares Entgegenkommen gegenüber Russland, das infolge des Machtwechsels in Kyjiw 2014 die Abspaltung der Halbinsel Krim ermöglicht hat und auch hinter dem Aufstand von Separatisten im Donbass stehen soll, könnte sowohl in Moskau als auch in der ukrainischen Bevölkerung als Kapitulation aufgefasst werden. Das ist Selenski bewusst.

Am Montag (9.12.) zeigten sich jedoch Selenski und der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, zuversichtlich, dass der Waffenstillstand, den sie bei ihren ersten direkten Gesprächen in Paris ausgehandelt hatten, halten wird. Er soll künftig 24 Stunden überwacht werden und es soll eine Truppenentflechtung an drei weiteren Stellen entlang der Front bis Ende März 2020 geben. Außerdem wurden ein umfassender Gefangenenaustausch unter Aufsicht des Internationalen Roten Kreuzes, Erleichterungen des Grenzübertritts für Zivilisten und weitere Maßnahmen zur Minenräumung vereinbart.

Putin bestätigt Fortschritte

Eine erste umfassende Waffenstillstandsvereinbarung wurde bereits 2015 in Minsk zwischen Putin und dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko ausgehandelt. Seither wurde es über 20 Mal gebrochen und ebenso oft wieder erneuert. Beide Seiten schoben einander wechselseitig die Verantwortung dafür zu. Die Lage wird dadurch verkompliziert, dass die Ukraine sich weigert, direkt mit den Separatisten zu verhandeln, die in Kyjiw als Terroristen betrachtet werden. Russland behaart aber darauf, keine Konfliktpartei zu sein – obwohl ohne Unterstützung durch Geld, Waffen und militärisch-nachrichtendienstliches Know-how aus Moskau der Aufstand im Donbass zeitnah in sich zusammenbrechen würde.

In den derzeitigen Gesprächen tritt die frühere führende Rolle Deutschlands und Frankreichs in der Vermittlung im Rahmen des Normandie-Formates zugunsten im Dialog geführter Gespräche zwischen Russland und der Ukraine zurück. Daher sind Selenski und Putin gleichermaßen zuversichtlich gestimmt, dass ihr nunmehriger gemeinsamer Anlauf zur Beendigung des Ukraine-Konflikts erfolgreicher sein wird als jene in der Ära Poroschenko.

„Voice of America“ zitiert Putin mit der Äußerung, es sei durchaus angemessen, von einem „Tauwetter“ zwischen Kyjiw und Moskau zu sprechen: „Wir haben in den meisten Bereichen Fortschritte erzielt. Das alles spricht dafür, dass sich die Dinge in die richtige Richtung entwickeln.“

Auch Selenski ist überzeugt, dass der Waffenstillstand noch im Laufe dieses Monats an alle Fronten einkehren wird. Zudem sei Bewegung im Prozess:

Es ist keine eingefrorene Situation. Und ja, ich gehe davon aus, dass wir in vier Monaten wieder zusammentreffen und dann in einer Situation sein werden, in der es uns möglich sein wird, auf der Grundlage des gemeinsam Erreichten voranzuschreiten und uns auch der übrigen Fragen anzunehmen.“

Selenskis „rote Linien“

Diese werden komplex genug. Selenski strebt von der internationalen Gemeinschaft überwachte Wahlen in den heute noch von Separatisten kontrollierten Gebieten in den Provinzen Donezk und Luhansk an. Moskau ist damit grundsätzlich einverstanden, Uneinigkeit gibt es jedoch bezüglich der Frage, ob eine Entwaffnung der Rebellen noch vor oder erst nach den Wahlen stattfinden soll.

Selenski beharrt darauf, dass die Ukraine die volle Kontrolle über ihre Grenze zurückerlangen müsse, bevor die Wahlen stattfinden – und dass fremde Truppen das Territorium verlassen. Er scheint dabei historische Erfahrungen mit Volksabstimmungen im Auge zu haben, die nach Überzeugung der unterlegenen Seite dadurch zu ihren Ungunsten ausgefallen waren, dass die Gegenseite im Vorfeld noch die Bevölkerungszusammensetzung verändert hätte. Dies wird etwa bezüglich der Referenden in Ödenburg (Sopron) im Jahr 1921 oder in Hatay (heute Türkei) 1939 behauptet. Putin hingegen beharrt darauf, dass es Wahlen gibt, ehe ukrainische Sicherheitskräfte wieder die Grenzen kontrollieren.

Was Selenski in der gemeinsamen Pressekonferenz deutlich machte, sind die „roten Linien“, welche die Grenzen der Bereitschaft Kyjiws zum Entgegenkommen markieren. Diese betreffen die außenpolitische Annäherung an den Westen, vor allem aber die Krim, deren Abspaltung und Beitrittserklärung zur Russischen Föderation von der Ukraine und im Westen weiterhin als völkerrechtswidrige Annexion qualifiziert wird.

Allerdings dürfte auch Selenski sich darüber im Klaren sein, dass Russland in den bisherigen Jahren der Ausübung der Hoheitsgewalt über das Gebiet vielfach vollendete Tatsachen geschaffen hat – unter anderem durch Ausschaltung der Kyjiw-loyalen Kräfte auf der Krim und durch gezielten Zuzug ethnischer Russen.

Macron sieht Beilegung des Konflikts als Weg zur Normalisierung gegenüber Russland

Die dritte rote Linie betrifft die Föderalisierung des Landes. Die Regierung der Ukraine befürchtet in einem solchen Fall weniger die – mental ohnehin weitgehend vollzogene – Hinwendung russischsprachiger Bevölkerungsteile im Donbass zu Russland, sondern vor allem das Wecken von Begehrlichkeiten diverser Minderheiten in anderen Teilen des Landes.

Russland hingegen, das sich von Beginn des Konflikts an als Schutzmacht der russischsprachigen Bevölkerungsteile inszeniert hatte, fordert exakt einen solchen Sonderstatus. Auch die „Steinmeier-Formel“, die Deutschlands heutiger Bundespräsident als Außenminister im Jahre 2016 entwickelt hatte und auf die sich Selenski und Putin als Richtschnur verständigt hatten, sieht einen solchen vor – wenn auch erst von dem Moment an, da im Donbass von der OSZE anerkannte Wahlen im Einklang mit der ukrainischen Verfassung abgehalten wurden.

Der Friedensprozess in der Ukraine ist zudem eine Bewährungsprobe für Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Dieser will sich als erfolgreicher Diplomat in Szene setzen – und die Beziehungen zur Russischen Föderation nach mehreren Jahren der wechselseitigen Sanktionspolitik normalisieren. Bis dato versuchen die baltischen Staaten und Polen, die mögliche russische Expansionsgelüste fürchten, diese Normalisierung zu verhindern.

Auch Deutschlands Führung mag diesbezüglich weniger enthusiastisch sein, kommt jedoch aus realpolitischen Gründen nicht um ein verbessertes Verhältnis zu Moskau herum: Immerhin hat Berlin sich durch Energiewende, Atom- und Kohleausstieg stärker denn je von russischen Energielieferungen abhängig gemacht.

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