Frankreich: Le Pen hofft auf Zemmour-Aus

Galt Marine Le Pen lange Zeit als sichere Starterin für eine weitere Stichwahl gegen Amtsinhaber Macron, droht ihr nun ein Aus im ersten Wahlgang. Neben der konservativen Pécresse muss sie die Konkurrenz durch Éric Zemmour fürchten – sofern dieser den Antritt schafft.
Titelbild
Der französische Präsidentschaftskandidat für 2022, Eric Zemmour, präsentierte den Namen seiner neuen Partei „Reconquete!“ während seiner Wahlkampfveranstaltung in Villepinte, in der Nähe von Paris, am 5. Dezember 2021.Foto: JULIEN DE ROSA/AFP via Getty Images
Von 19. Dezember 2021
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Noch zu Beginn des Jahres galt es als ausgemachte Sache, dass auch bei den im April 2022 angesetzten Präsidentenwahlen in Frankreich Amtsinhaber Emmanuel Macron und seine Herausfordererin von 2017, Marine Le Pen, die Stichwahl bestreiten werden – und dass diese, wenn auch mit einem knapperen Abstand als vor fünf Jahren, an Macron gehen würde.

Nun ist wieder Spannung in den Wahlkampf eingekehrt: Zum einen haben die konservativen Republikaner mit Valérie Pécresse eine Kandidatin finden können, der reale Siegeschancen in einem Duell mit Macron zugebilligt werden.

Zum anderen könnte Marine Le Pen bereits in der ersten Runde auf der Strecke bleiben, weil sie das Rechtsaußen-Potenzial von derzeit knapp 30 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang mit einem unverhofften Konkurrenten im eigenen Lager teilen muss: dem Publizisten Éric Zemmour.

Informelle Kanäle sollen zumindest taktische Allianz absichern

Mag dieser mit Le Pen im Wesentlichen die gleichen Positionen in Fragen wie Einwanderung oder dem Umgang mit der muslimischen Bevölkerungsgruppe teilen, ist es darüber hinaus mit Gemeinsamkeiten schnell wieder vorbei. Darüber hinaus verbindet beide eine wechselseitige persönliche Abneigung.

Dass man sich nicht einmal für den Fall, dass einer der beiden Rechtsaußen-Kandidaten die Stichwahl erreichen sollte, auf die uneingeschränkte Unterstützung des jeweils anderen verlassen kann, hat zudem taktische Gründe. Vor allem in der Partei Le Pens, dem in „Rassemblement National“ (RN) umbenannten früheren Front National, brodelt es seit Jahren und es gibt noch jede Menge offener Rechnungen.

Zwar erklärt ein RN-Berater gegenüber der Zeitschrift „Politico“, es gäbe auf informeller Ebene Gesprächskanäle zwischen den Parteien der beiden Kontrahenten, und diese könnten im Fall des Falles zumindest eine taktische Allianz für den Fall einer Stichwahl zwischen einem der beiden und dem Amtsinhaber erreichen.

Zemmour als Hoffnung für potenzielle RN-Rebellen

Das würde aber nichts an der giftigen Atmosphäre zwischen Le Pen und Zemmour selbst ändern – und nichts an dem Umstand, dass es auch im RN selbst nicht wenige Akteure gibt, die die seit 2011 amtierende Parteichefin lieber heute als morgen aufs politische Altenteil befördern würden.

„Es gibt eine Gruppe von Leuten, die Le Pen den Todesstoß versetzen, sobald sie die geringste Schwäche zeigt“, erläutert der RN-Berater, mit dem „Politico“ sprach. „Wenn nicht, halten sie sich weiter bedeckt.“ Entsprechend würden nicht wenige in der Partei sich insgeheim nur wünschen, dass Zemmour ihrer Langzeitführerin den Rang abläuft – und im Fall dieses Falles von einer Neuaufstellung der äußersten Rechten unter seiner Führung setzen.

Dies dürfte sich auch bis an die Parteispitze herumgesprochen haben, und Marine Le Pen selbst dürfte nun einen gespannten Blick darauf werfen, welcher Kandidat seinen Antritt mithilfe welcher sogenannter Parrainagen sichert. Und diese könnten bei der bevorstehenden Wahl eine vorentscheidende Rolle spielen.

Bis 4. März müssen die Parrainagen stehen

Bei den sogenannten Parrainagen handelt es sich um Unterstützungserklärungen, wie sie auch im Vorfeld von Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften in anderen Ländern vorgeschrieben sind. Auch in Deutschland müssen Kandidaten oder Parteien, die zu einer Wahl antreten wollen, in manchen Fällen Unterschriften beibringen – entweder jene einer etwas höheren Anzahl von wahlberechtigten Bürgern oder solche einer deutlich geringeren Anzahl an Parlamentsabgeordneten.

In Frankreich müssen die Parrainagen zwingend von gewählten Volksvertretern wie Stadträten, Bürgermeistern, Senatoren oder Parlamentsabgeordneten kommen, und jeder Kandidat muss landesweit 500 davon sammeln. Zudem müssen die Unterschriften aus mindestens 30 Départements kommen und es dürfen nicht mehr als 50 davon aus demselben stammen.

Es liegt auf der Hand, dass Marine Le Pen darauf hofft, dass bereits ein Wahlantritt Zemmours am Fehlen der erforderlichen Parrainagen scheitern wird – zumal sie selbst erklärt, bereits jetzt zwischen 250 und 300 in der Tasche zu haben und beim letzten Mal auf 627 gekommen ist. Die Deadline für die Abgabe der Parrainagen ist der 4. März 2022.

Zemmour-Sprecher befürchtet „demokratischen Unfall“

Zwar haben Parrainagen bis dato Kandidaturen selbst von bedeutungslosen Fringe-Kandidaten wie der Trotzkistin Nathalie Arthaud oder des La-Rouche-Anhängers Jacques Cheminade nicht verhindern können, und auch in Frankreich ist den meisten politischen Vertretern klar, dass die Unterstützung des Wahlantritts einer Person nicht gleichbedeutend ist mit eine Sympathieerklärung.

Angesichts der tiefen Abneigung zwischen Le Pen und Zemmour würden gewählte RN-Vertreter, die in einer solchen Situation Zemmour eine Parrainage gewähren, ihre künftige Parteikarriere aufs Spiel setzen. Le Pen würde einen solchen Akt zweifellos als Ausdruck persönlicher Illoyalität werten.

„Die letzte Hoffnung meiner Feinde ist, dass ich die Parrainagen nicht schaffe“, äußert sogar Zemmour selbst gegenüber „The Local“, „und es könnte sogar sein, dass ich diese nicht schaffe.“ Das System, so Zemmour, sei geschaffen worden, um die großen Parteien zu schützen.

Zemmour-Sprecher Antoine Diers erklärte zwar, dass er bereits 300 Zusagen von gewählten Repräsentanten habe. Er sei zuversichtlich, auch die 500 noch zu bekommen, andernfalls wäre das ein „demokratischer Unfall“.

Ménard rechnet mit Rückziehern möglicher Zemmour-Unterstützer

Der parteilose Bürgermeister von Béziers, Robert Ménard, der angekündigt hat, für Le Pen zu unterschreiben, erklärte am Sonntag (12.12.) gegenüber dem Sender LCI, er rechne damit, dass Zemmour Schwierigkeiten haben werde, auf die 500 Erklärungen zu kommen – und dass auch von jenen, die Parrainagen angekündigt haben, einige kalte Füße bekommen würden.

„Ich kenne Leute, die ihm [Zemmour] ihre Unterschrift versprochen haben und sie ihm nicht geben werden“, erläutert Ménard. „Mittlerweile wird er echte Probleme haben, die 500 Unterstützungserklärungen zu bekommen, wegen der Härte seiner Reden. Für manche Bürgermeister wird das sehr kompliziert.“

Seit einer Gesetzesänderung im Jahr 2016 muss der Verfassungsrat, der die Gültigkeit der Unterstützungserklärungen überprüft, auch die Namen der Unterstützer veröffentlichen. Als Konsequenz daraus hatten sich nur 34 Prozent aller gewählten Verantwortungsträger bereit erklärt, für die Wahl 2017 überhaupt eine Parrainage abzugeben.

Dazu komme, dass selbst Marine Le Pen immer wieder Schwierigkeiten gehabt hätte, die erforderliche Anzahl an Parrainagen zusammenzubekommen. Auch gewählte Repräsentanten können nur eine Unterstützungserklärung abgeben. Die 627, die dies im Jahr 2017 getan hatten, müssen jetzt wählen, an wen sie diese vergeben.

Ein möglicher Strohhalm für Zemmour wären gewählte Vertreter der Republikaner, anderer gemäßigter Rechter oder sogar linksgerichteter Politiker, die bewusst eine Konkurrenz zwischen den ganz rechten Kandidaten herbeiführen wollten, damit diese sich gegenseitig aus der Stichwahl kicken.

Kandidatur zweier Rechtsaußen könnte Pécresse den Weg freimachen

Dieses Szenario ist durchaus realistisch. Jüngste Umfragen in Frankreich sorgen für Beunruhigung in den Reihen der weit rechten Kandidaten Marine Le Pen und Éric Zemmour.

Nur eine Woche nach ihrer Nominierung hat die Kandidatin der konservativen Republikaner, Valérie Pécresse, zu beiden bereits aufgeschlossen oder sie sogar überholt. Eine Umfrage sieht sie sogar schon im Windschatten von Amtsinhaber Emmanuel Macron.

Im zusammengefassten „Poll of Polls“ der Zeitschrift „Politico“, die den Mittelwert aus den Ergebnissen mehrerer Institute ausweist, liegt Macron im ersten Durchgang mit 24 Prozent voran, gefolgt von Le Pen mit 17. Pécresse hätte demnach jedoch deutlich dazugewonnen und liege bereits bei 16 Prozent. Zemmour verharre demgegenüber bei 13.

Einer Elabe-Umfrage für „L’Express“ und „BFMTV“ zufolge käme Pécresse jedoch bereits auf 20 Prozent, nur drei Punkte hinter Macron. Le Pen und Zemmour kämen gemeinsam zwar immer noch auf 29 Prozent – da diese sich jedoch mit 15 zu 14 fast gleichmäßig auf beide Kandidaten aufteilen, würde keiner von ihnen den Sprung in die Stichwahl schaffen.

Der Trend könnte sich verstärken, je mehr sich abzeichnet, dass Pécresse in einem Wahlgang auch realistische Chancen hätte, Macron hinter sich zu lassen – anders als Le Pen und Zemmour, die auf zu viele Wähler abschreckend wirken. Das Argument der „Wählbarkeit“ könnte auch auf vormalige Wähler des Rassemblement National (RN) und auf Zemmour-Sympathisanten abfärben. Entsprechend werden die Rufe nach einer möglichen Wahlabsprache der Rechtsaußen-Kandidaten lauter.

„Sozialistin“ Le Pen gegen „Frauenfeind“ Zemmour

Die Begeisterung bezüglich eines möglichen solchen Vorgehens hält sich in den Lagern beider Politiker in überschaubaren Grenzen. Es gibt nicht viel an wechselseitiger Anerkennung zwischen ihnen.

Während Zemmour Le Pen vorwirft, mit „sozialistischen“ Forderungen wie der nach der Wiedereinführung von Vermögenssteuern und einem garantierten Rentenalter von 60 Jahren künftige Generationen untragbare Belastungen aufzubürden, bescheinigt die RN-Kandidatin ihrem Konkurrenten im eigenen Lager „Ultraliberalismus“ und ein „bedenkliches“ Frauenbild. Zemmour hatte sich in seinen Büchern kritisch über Frauen in politischen Machtpositionen geäußert und ist zum Ziel von Vorwürfen sexueller Belästigung vonseiten früherer Mitarbeiterinnen geworden.

RN-Parteisprecher Jordan Bardella nannte noch zwei weitere aus seiner Sicht bestehende fundamentale Unterschiede zwischen beiden weit rechten Kandidaten: Zum einen wolle die Le-Pen-Partei „Frankreichs Probleme im zivilen Frieden lösen“ – anders als Zemmour, der mehrfach einen Bürgerkrieg als „unvermeidlich“ dargestellt habe. Zum anderen verzichte Le Pen bewusst auf Forderungen wie jene nach einem Verbot „nichtfranzösischer“ Namen, die primär der Effekthascherei dienten.



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