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57 Prozent gegen den Euro

Warum der Euro Bulgarien spaltet

Die EU-Kommission hat sich für den Beitritt Bulgariens zur Eurozone ausgesprochen – doch der Weg zum Euro bleibt steinig. Tausende Demonstranten sprechen von „Euro-Kolonialismus“, das Parlament ist gespalten, die Bevölkerung ebenso. Der Schritt zur Einheitswährung entfacht ein tief verwurzeltes Misstrauen und zugleich große Hoffnungen.

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Spuren von roten Farbbeuteln am Gebäude des EU-Parlaments und der EU-Kommission in Sofia.

Foto: Valentina Petrova/AP/dpa

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Lesedauer: 5 Min.

Von Protesten begleitet war in Bulgarien die am Mittwoch, 4. Juni, verkündete Entscheidung der EU-Kommission, einem Beitritt des Landes zur Eurozone zuzustimmen. Mehrere Tausend Menschen demonstrierten vor dem Parlamentsgebäude in Sofia gegen einen befürchteten „Euro-Kolonialismus“. Zu der Kundgebung hatte die rechtsgerichtete Partei „Wiedergeburt“ aufgerufen.

Am 8. Juli soll Bulgarien die letzte Hürde nehmen

Im Parlament selbst kam es zu chaotischen Szenen und Handgreiflichkeiten zwischen Befürwortern und Gegnern des Eurozonen-Beitritts. Bereits im nächsten Jahr soll der Euro in Bulgarien die bisherige Landeswährung Lew ersetzen. Am 8. Juli müssen die Finanzminister der Eurozone den Beitritt noch absegnen.

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Bulgarische Umfrage: 57 Prozent gegen den Euro

Die Entscheidung gilt als reine Formsache. Neben der EU-Kommission hat auch die Europäische Zentralbank (EZB) grünes Licht für einen Beitritt gegeben. EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis sprach von einem „historischen Moment für Bulgarien, die Eurozone und die EU“. EZB-Vorstandsmitglied Philip Lane beglückwünschte das Land zu seiner „unfassbaren Entschlossenheit, die erforderlichen Anpassungen durchzuführen“.
Bulgarien ist 2007 der EU beigetreten. Seine Regierungen hatten stets die Einführung des Euro angestrebt. Anhaltende Inflation und politische Instabilität im Inneren hatten den Prozess jedoch gebremst. Der Ukrainekrieg hatte den Beitrittsprozess wegen der starken inflationären Effekte weiter verlangsamt. Im April war die Teuerung jedoch auf 3,5 Prozent zurückgefallen. Damit näherte man sich dem Maastricht-Kriterium von maximal 3 Prozent an.
Staatspräsident Rumen Radew hatte zu Beginn des Monats ein Referendum über die Einführung des Euro gefordert. Dies wird von der Regierung als verfassungswidrig angesehen und abgelehnt. Eine Umfrage der Europäischen Kommission zeigt eine massiv gespaltene Bevölkerung in dieser Frage. Der Anteil der Gegner eines Beitritts zur Eurozone liegt Eurobarometer zufolge bei 49 Prozent. Dies entspricht ebenfalls dem Anteil der Befürworter.
Einer Umfrage des bulgarischen Meinungsforschungsinstituts Myara zufolge überwiegt mit 57,1 Prozent der Anteil der Bulgaren, die den Euro ablehnen. Dagegen wünschen sich 39 Prozent der Bevölkerung einen Beitritt zur Eurozone.

Bulgarien ärmstes Land in der EU – Bürger fürchten um ihre Kaufkraft

Ein Teil der Gegnerschaft zum Eurozonen-Beitritt in Bulgarien erklärt sich aus einem generell geringen Vertrauen in die politischen Institutionen des Landes. Dieses ist gespalten und hoch polarisiert, stabile Regierungen gehören der Vergangenheit an. Seit April 2021 hat es nicht weniger als sieben Parlamentswahlen gegeben, ohne dass diese klare Verhältnisse geschaffen hätten.
Aber auch konkrete Ängste tragen zu dem hohen Anteil an Gegnern der Euro-Einführung bei. Viele Bulgaren befürchten einen weiteren Anstieg der Inflation – und verweisen auf Teuerungseffekte in anderen Ländern, die der Eurozone beigetreten waren. Die letzte Erweiterung fand 2023 statt, als Kroatien den Euro einführte.
Durch den Beitritt wird auch die wirtschafts- und geldpolitische Souveränität des Landes geringer, da wesentliche Leitentscheidungen künftig die EZB treffen wird. Die EU könnte sich zudem noch stärker in die Innenpolitik des Landes einmischen, mit der Begründung, nötige Reformen anzustoßen. Außerdem sorgen sich Menschen um ihre Kaufkraft. Bulgarien ist bereits jetzt das ärmste Land der EU mit einem BIP pro Kopf, das 34 Prozent unterhalb des EU-Durchschnitts liegt.
Befürworter des Euros hofften auf mehr ausländische Investitionen und Kredite von der EU, schreibt der in Bulgarien lebende Journalist Rumen Milkow auf der Website der „Freien Medienakademie“. Dies würde zu einer höheren Verschuldung des Landes führen. Milkow weiter:
„Bulgarien gehörte Ende 2024 mit 24,1 Prozent Staatsschulden im Verhältnis zum BIP mit Estland (23,6) und Luxemburg (26,3) zu den am wenigsten verschuldeten Ländern der EU.“

Unternehmen, Touristen und Diaspora hoffen auf Wegfall der Wechselkursrisiken

Unternehmen und Privatpersonen, etwa Reisende, sollen von wegfallenden Wechselkursrisiken profitieren. Sie hoffen auf Planungssicherheit, Kosteneinsparungen und einen Wegfall unnötiger Gebühren. Preisvergleiche werden leichter, Transfers schneller und einfacher. Zum Verbleib in der Eurozone sollte Bulgarien zudem Preisstabilität und eine niedrige Staatsverschuldung gewährleisten.
Vor allem für bulgarische Staatsangehörige, die in Deutschland leben, wird es einfacher, Familienangehörige und Verwandte im Herkunftsland zu unterstützen. Sie profitieren vom Ende der Umrechnungen und der Umtauschgebühren von Banken und Transferdiensten. Überweisungen von Euro-Konten in Deutschland auf Euro-Konten in Bulgarien werden mit dem Beitritt wie Inlands- oder SEPA-Überweisungen behandelt.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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