Analyse
Landtagswahl Sachsen-AnhaltBeliebtheitswerte von Haseloff intakt – doch Aussagen von Ost-Beauftragtem bleiben Unsicherheitsfaktor
Profitiert die CDU unter Ministerpräsident Reiner Haseloff von Leihstimmen kleinerer bürgerlicher Parteien? Eine „ZDF“-Umfrage sieht Chancen für die Union in Sachsen-Anhalt, ihr Landtagswahlergebnis von 2016 sogar noch leicht zu verbessern.

Landtagswahl.
Foto: iStock
Nachdem einige Umfragen vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt am kommenden Sonntag (6.6.) ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der regierenden CDU und der AfD um den ersten Platz vorhergesagt hatten, könnte Ministerpräsident Reiner Haseloff nun doch auf den letzten Metern von zusätzlichem Rückenwind profitieren. Dies legt zumindest eine am Donnerstagabend veröffentlichte „ZDF“-Prognose nahe.
Vor allem Leihstimmen von Wählern, die mit einer Zweitstimme für die FDP geliebäugelt hatten, könnten in letzter Minute der Union zugutekommen. Gleichzeitig dürfte die Entwicklung die Hoffnungen der Freien Wähler zunichtemachen, ihren Überraschungserfolg von Rheinland-Pfalz zu wiederholen und erstmals in den Magdeburger Landtag einzuziehen.
Grüne könnten einstellig bleiben
Der Umfrage des Politbarometers zufolge kann die CDU am Sonntag mit 30 Prozent der Stimmen rechnen, was leicht über den 29,8 Prozent des Jahres 2016 angesiedelt wäre. Gegenüber der Vorwoche wäre dies ein Plus von einem Prozentpunkt. Demgegenüber würde die FDP 1,5 Prozent einbüßen – mit 6,5 Prozent wäre ihr der erste Landtagseinzug seit 2006 jedoch sicher.
Die AfD, die andere Umfrageinstitute zuletzt bei bis zu 28 Prozent gehandelt hatten, verharre bei 23 Prozent und damit knapp unter dem Resultat von 2016. Allerdings würde sich das Szenario der Landtagswahlen vom März in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt nicht wiederholen, wo die Partei jeweils ein Drittel ihrer Stimmen verloren hatte.
Die Union würde jedoch erneut vor einer schwierigen Koalitionsbildung stehen. Da sie ein Bündnis mit der AfD oder der Linkspartei, die auf 11,5 Prozent käme, ausgeschlossen hat, müsste sie entweder die SPD wieder mit ins Boot holen, die bei zehn Prozent gehandelt wird, oder die Grünen, die mit neun Prozent im einstelligen Bereich blieben.
61 Prozent mit Amtsführung Haseloffs zufrieden
Der offenbare Rückenwind für Ministerpräsident Haseloff auf den letzten Metern dürfte auch mit den jüngst forcierten Mahnungen aus der Union zu tun haben, die AfD nicht zur stärksten Kraft im Landtag werden zu lassen.
Haseloff selbst und der Bundesvorsitzende Armin Laschet hatten in den vergangenen Tagen offensiv dafür geworben, ein solches Szenario zu verhindern – was angesichts der Stimmungslage im Land lediglich mit der CDU zu bewerkstelligen wäre.
Ob der Union die Äußerungen ihres Ost-Beauftragten Marco Wanderwitz noch schaden könnten, der von einem angeblichen Defizit an demokratischer Überzeugung in Ostdeutschland gesprochen hatte, bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Andererseits sind die Beliebtheitswerte Haseloffs als Ministerpräsident intakt: In einer Infratest-Dimap-Umfrage im Auftrag des „MDR“ äußerten sich 61 Prozent der Befragten mit seiner Arbeit zufrieden. Im Sommer des Vorjahres waren es sogar 76 Prozent gewesen.
CDU-Funktionäre werben als „Unternehmerinitiative“
Kurz vor der Wahl hat sich auch eine „Unternehmerinitiative Sachsen-Anhalt“ mit einer halbseitigen Annonce in Sachsen-Anhalts führenden Tageszeitungen zu Wort gemeldet und Haseloff ihr Vertrauen ausgesprochen. Er stehe, so die Inserenten, für „eine gute wirtschaftliche Entwicklung, Beständigkeit und Nachhaltigkeit“ ohne „Experimente nach rechts oder links“ und stärke damit „unsere Demokratie und soziale Marktwirtschaft“.
Der Magdeburger AfD-Stadtrat Ronny Kumpf wirft der Initiative vor, „Etikettenschwindel“ zu betreiben, weil sich unter den Unterzeichnern langjährige Mitglieder und sogar Funktionäre der CDU befinden, wie GEREC-Geschäftsführer Karl Gerhold, der auch Landesschatzmeister der Union ist.
Dennoch ist das Stimmungsbild, das die „Unternehmerinitiative“ zeichnet, nicht völlig abseits des Eindrucks, der auch in breiten Bevölkerungsschichten von Sachsen-Anhalt vorherrscht. Zwar haben die Corona-Krise und die Lockdown-Folgen die Stimmung auch zu Ungunsten der Landesregierung etwas eingetrübt, dennoch wird Haseloff zugutegehalten, das Land nach seinen Möglichkeiten passabel durch die Krise gebracht und Schlimmeres verhindert zu haben.
Herausforderungen für Sachsen-Anhalt bleiben groß
Dass Haseloff regelmäßig auch kritische Worte in Richtung Berlin verlor und in Fragen wie der Rundfunkgebühr standhaft geblieben ist, hat ihm ebenfalls Sympathien eingebracht. Zur fehlenden Wechselstimmung im Land kommt dazu, dass potenzielle Konkurrenten um den Posten des Ministerpräsidenten entweder weithin unbekannt, unbeliebt oder beides sind.
Anders als in westdeutschen Bundesländern haben in Sachsen-Anhalt auch die Grünen mit Gegenwind zu kämpfen: Die Blockadepolitik gegen den Ausbau der A14 nach Schwerin und Wismar schadet der Partei in dem ländlich strukturierten Bundesland ebenso wie die jüngsten Forderungen nach einer weiteren Benzinpreiserhöhung.
Die neue Landesregierung – wie immer sie am Ende auch aussehen wird – steht dennoch vor gewaltigen Herausforderungen. Neben der Bewältigung der Corona-Folgen leidet das Land unter Überalterung, Ausdünnung des ländlichen Raumes, Defiziten bei der Digitalisierung und einer Krise des öffentlichen Schulwesens. Ein chronischer Lehrermangel, wie er erst am heutigen Freitag wieder von den führenden Medien des Landes diagnostiziert wurde, ist dabei nur ein Symptom des Problems.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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