Rechtsstreit mit der AfD
AfD: Verfassungsschutz setzt Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ aus
Der Verfassungsschutz darf bis zu einer Gerichtsentscheidung die AfD weder als „gesichert rechtsextremistisch“ bezeichnen noch entsprechend beobachten. Es ist nicht das erste Mal, dass das BfV eine Stillhaltezusage macht.

Vor dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
Foto: Oliver Berg/dpa
Das Bundesamt für Verfassungsschutz setzt die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistische Bestrebung vorläufig aus und bezeichnet die Partei öffentlich nicht mehr so. Diese sogenannte Stillhaltezusage gilt, bis das Verwaltungsgericht Köln über den Eilantrag der AfD entschieden hat, wie das Gericht am Donnerstag mitteilte. Mit der Einstufung legt der Verfassungsschutz auch die Beobachtung der Partei als gesichert rechtsextremistische Bestrebung auf Eis.
Der Verfassungsschutz erklärte der Mitteilung zufolge im gerichtlichen Verfahren, dass er die AfD bis zu der Eilentscheidung nicht öffentlich so bezeichnet und auch die entsprechende Pressemitteilung von seiner Internetseite entfernen wird.
Tino Chrupalla und Alice Weidel (AfD-Vorsitzende) bezeichneten die Stillhaltezusage als „Teilerfolg gegen den Verfassungsschutz“. Es sei ein „erster wichtiger Schritt hin zu unserer eigentlichen Entlastung und damit dem Vorwurf des Rechtsextremismus zu begegnen.“
Staatsrechtler Boehme-Neßler: Stillhaltezusage bringt AfD Zeit
Auch Volker Boehme-Neßler, Staatsrechtler an der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, hat die Stillhaltezusage als Erfolg für die Partei gewertet. „Aus meiner Sicht ist das ein juristischer Erfolg für die AfD, allerdings nur ein vorläufiger. Es kommt juristisch am Ende auf das Urteil im Hauptsacheverfahren an“, sagte Boehme-Neßler der „Welt“ (Freitagausgabe).
„Bis zum Urteil kann es erfahrungsgemäß noch lange dauern – erfahrungsgemäß weit länger als ein Jahr.“ Weil es bis zu einem Urteil lange dauere, sei es wichtig, wie es in der Übergangszeit weitergeht. Boehme-Neßler skizziert, wie das laufen könnte: „Der Verfassungsschutz setzt die Hochstufung auf `gesichert rechtsextremistisch` so lange aus, bis das Gericht eine vorläufige Entscheidung getroffen hat. Die vorläufige Entscheidung könnte lauten: Bis zum Urteil in der Hauptsache muss der Verfassungsschutz die Hochstufung aussetzen. Sie könnte aber auch lauten: Bis zur Hauptsache kann der Verfassungsschutz die Hochstufung weiter umsetzen.“
Der Staatsrechtler sagte weiter: „Politisch ist es aber ein Erfolg für die AfD. Denn bis zur vorläufigen Entscheidung ist die Hochstufung vom Tisch.“ Weil selbst die vorläufige Entscheidung des Gerichts frühestens in mehreren Monaten kommen werde, „hat die AfD viel Zeit gewonnen. Das ist sicher ein politischer Erfolg mit rechtlichen Mitteln.“
Frühere Stillhaltezusage
Die Stillhaltezusage ändere nichts an der inhaltlichen Bewertung durch die Behörde, sagte dagegen der Kölner Staatsrechtsprofessor Markus Ogorek dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Freitagausgaben). „Das Bundesamt für Verfassungsschutz hält weiter an seiner Einschätzung zur AfD fest und verzichtet lediglich einstweilen darauf, sie öffentlich als gesichert extremistisch zu führen“, sagte Ogorek dem RND. „Dieser Schritt überrascht nicht und sagt rein gar nichts darüber aus, ob die Hochstufung der AfD rechtlich zulässig war oder nicht.“
Ein „Hängebeschluss“ des Verwaltungsgerichts Köln hätte zugunsten der AfD ausfallen können, diesen Beschluss vermeidet die Behörde nun. Dabei wäre es „allein um eine Folgenabwägung gegangen – also: Was wiegt schwerer, die Interessen des BfV oder die der AfD?“, erklärte Ogorek.
„Würde das BfV die AfD vorerst wieder wie einen Verdachtsfall behandeln, könnte es nach dem Gesetz trotzdem alle nachrichtendienstlichen Mittel einsetzen. Die AfD aber hätte bei einem Ausbleiben des Hängebeschlusses das Risiko tragen müssen, trotz einer möglicherweise rechtswidrigen Hochstufung zahlreiche Mitglieder zu verlieren. Vor diesem Hintergrund und nach sicherlich reiflicher Überlegung hat sich das BfV entschieden, selbst eine Stillhalteerklärung abzugeben.“
Ogorek verwies darauf, dass der Verfassungsschutz schon 2021 im Verfahren zur Verdachtsfall-Einstufung genauso gehandelt habe – und den Prozess später gewonnen. „Wenn AfD-Vertreter nun behaupten, dies sei ein erster juristischer Erfolg, dann ist das schlicht falsch oder zeugt von Unkenntnis der gerichtlichen Verfahren. Tatsächlich gilt weiterhin, dass der Ausgang der gerichtlichen Überprüfung völlig offen ist“, sagte der Staatsrechtler dem RND.
Die Stillhaltezusage bezieht sich nicht nur auf öffentliche Äußerungen, sondern bedeutet auch, dass der Verfassungsschutz die AfD bis zu einem Urteil nicht entsprechend beobachten kann. Die Beobachtung als Verdachtsfall – hier liegt die Hürde für den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln höher – darf jedoch fortgesetzt werden.
Wann über den Eilantrag entschieden wird, gab es noch nicht bekannt. Zuständig ist das Gericht in Köln, weil das Bundesamt für Verfassungsschutz dort seinen Sitz hat.
(dpa/afp/dts/red)
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