Ex-BND-Chef beklagt Abhängigkeit von ausländischen Nachrichtendiensten

Die Festnahme zweier Iraner in Castrop-Rauxel wegen mutmaßlicher Planung eines Anschlags entfacht erneut die Diskussion zu den Befugnissen der deutschen Geheimdienste.
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Der ehemaliger BND-Chef Gerhard Schindler.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP über Getty Images
Von 16. Januar 2023

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Der Antiterroreinsatz in Castrop-Rauxel im Ruhrgebiet, dem ein Hinweis des US-Inlandsgeheimdienstes FBI vorausgegangen war, hat eine Debatte über die Befugnisse der deutschen Nachrichtendienste ausgelöst.

Die Ermittler haben in diesem Fall keine Biowaffen gefunden, es sind in dem Verfahren noch viele Fragen ungeklärt, doch erneut wird deutlich, wie abhängig Deutschland anscheinend von Informationen ausländischer Geheimdienste ist.

„Wir sind auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten angewiesen. Die bittere Realität ist: Wir brauchen sie, sie uns nicht“, sagte der ehemalige Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Gerhard Schindler, der „Welt am Sonntag“.

„Das hat uns bei Lagen oft den Ar*** gerettet“

Wegen vieler rechtlicher Hemmnisse könnten die deutschen Nachrichtendienste gewisse Erkenntnisse nicht gewinnen. „Eine Mustererkennung, ob zum Beispiel jemand eine Bauanleitung für einen Sprengsatz aus dem Internet heruntergeladen und die erforderlichen Komponenten online bestellt hat, ist unseren Sicherheitsbehörden schon wegen der fehlenden Vorratsdatenspeicherung regelmäßig nicht möglich“, erklärte Schindler gegenüber der Zeitung.

Aktive Terrorermittler in den Bundesländern hätten in vertraulichen Gesprächen mit der „Welt“ eine gewisse Abhängigkeit von ausländischen Diensten beschrieben, vor allem aus den USA.

Diese Unterstützung erfolgte beispielsweise durch FBI-Kontaktleute bei den US-Botschaften. „Das hat uns bei Lagen oft den Ar*** gerettet“, berichtet ein Staatsschützer der Zeitung.

Die Bundesregierung selbst sieht keine Abhängigkeit von ausländischen Diensten.

Grünen-Politiker für Ausbau der Spionageabwehr

Der CDU-Innenexperte Christoph de Vries sagte der „Welt am Sonntag“: „Ich staune immer wieder darüber, dass ausgerechnet diejenigen, die unseren Nachrichtendiensten mit Misstrauen begegnen und ihre rechtlichen Befugnisse immer weiter einschränken wollen, sich bei jeder Gelegenheit wundern, dass Anschlagspläne nicht aufgrund eigener Erkenntnisse aufgedeckt werden.“

Konstantin von Notz, Fraktionsvize der Grünen, weist den Vorwurf zurück: „Kritik daran, Sicherheitsgesetze bezüglich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit zu evaluieren, kann ich nicht wirklich nachvollziehen, zumal dies ja ergebnisoffen in beide Richtungen passiert.“ Die Befugnisse deutscher Dienste müssten „angesichts stark gestiegener sicherheitspolitischer Herausforderungen“ nicht nur überprüft, sondern Bereiche wie die Spionageabwehr auch ausgebaut werden.

32 Prozent mehr Bedienstete beim Verfassungsschutz

Deutschland hat drei große nachrichtendienstliche Organisationen. Das Bundesamt für Verfassungsschutz ist der Inlandsgeheimdienst. Seine Aufgabe ist, extremistische und terroristische Bestrebungen zu erkennen und zu beseitigen sowie ausländische Spionage zu bekämpfen. Er soll damit die freiheitliche, demokratische Grundordnung schützen. Er schöpft nach eigenen Angaben den größten Teil seiner Informationen aus frei zugänglichen Quellen wie der Presse oder Flugblättern.

Zudem würden die Beamten öffentliche Veranstaltungen besuchen und Personen befragen. Weiterhin setzt die Behörde nachrichtendienstliche Mittel ein. Dazu gehören beispielsweise V-Leute, die sie in den extremistischen Szenen einsetzt, oder getarnte Observationen und die Telefonüberwachung. Im Jahr 2021 waren im Bundesamt für Verfassungsschutz rund 4.300 Personen beschäftigt. Die Anzahl der Bediensteten wuchs damit innerhalb der vergangenen vier Jahre um rund 32 Prozent.

Mindestens 6.500 Menschen beim BND beschäftigt

Der Bundesnachrichtendienst ist der Auslandsgeheimdienst der Bundesrepublik. Seine Mitarbeiter sammeln im Ausland mit nachrichtendienstlichen Mitteln Erkenntnisse, die für die Behörde außen- oder sicherheitspolitische Bedeutung haben. Zudem setzt er sich gegen terroristische Bestrebungen, die organisierte Kriminalität, illegale Finanzströme, Rauschgifthandel, die Weitergabe von ABC-Waffen und Rüstungsgütern ein. Auch ist er in Krisen- und Kriegsgebieten im Einsatz, wo auch Bundeswehrkräfte eingesetzt sind, und darüber hinaus.

Dazu nutzt er „menschliche Quellen“, das Abfangen von elektronischer Kommunikation (Mobilfunk, Internet, Mails, SMS, Messenger etc.) sowie Satelliten- und Luftbilder. Zudem nutzt der BND offene Quellen, wie Medienberichte und andere Veröffentlichungen. Nach Angaben des Bundesnachrichtendienstes (BND) waren 2019 rund 6.500 Menschen beim BND beschäftigt. Davon arbeiteten rund 3.200 Personen in der Zentrale in Berlin.

Militärischer Abschirmdienst aktiv bei Extremismus- und Terrorismusabwehr

Die Aufgaben des Militärischen Abschirmdienstes sind Extremismus- und Terrorismusabwehr sowie Spionage- und Sabotageabwehr, das Leisten eines Beitrages zur Beurteilung der Sicherheitslage von Dienststellen und Einrichtungen der Bundeswehr im In- und Ausland und die Mitwirkung an Sicherheitsüberprüfungen für Bundeswehrangehörige. Für ihn arbeiten rund 1.400 Mitarbeiter (Stand: 2021).

Zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben nutzt er ebenfalls nachrichtendienstliche Mittel zur verdeckten Nachrichtenbeschaffung. Wie auch alle anderen deutschen Nachrichtendienste unterliegt der Militärische Abschirmdienst einer parlamentarischen sowie fachaufsichtlicher Kontrolle und Gesetzen.

(Mit Material von dts )



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