Freie Sachsen bleiben auf Unvereinbarkeitsliste der AfD

Bei Protesten im Freistaat marschieren Mitglieder beider Parteien oft gemeinsam. Der Bundesvorstand der AfD bleibt aber auf Distanz zu den Freien Sachsen.
Akteure wie die rechtsextremen Freien Sachsen heizen derzeit im Netz die Stimmung an. Im Winter könnte sich die Wut auch auf der Straße entladen, befürchtet der Sozialforscher Piotr Kocyba.
Die Partei „Freie Sachsen“ gehört zu den führenden Protagonisten von Straßenprotesten im Freistaat Sachsen. Der Verfassungsschutz stuft sie als rechtsextremistisch ein.Foto: Sebastian Kahnert/dpa
Von 29. Oktober 2022

Bei zahlreichen Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen oder anlässlich der Energiekrise nahmen Mitglieder und Anhänger beider Parteien in trauter Einigkeit teil. Politisch werden AfD und Freie Sachsen jedoch weiterhin in scharfer Konkurrenz zueinander stehen.

Am Wochenende hat der Bundesvorstand der AfD beschlossen, dass die rechte Konkurrenzpartei auf der Unvereinbarkeitsliste bleibt. Die „Sächsische Zeitung“ hatte darüber berichtet. Der sächsische Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann hat die Richtigkeit der Mitteilung auf Facebook bestätigt.

Verfassungsschutz hat beide Parteien im Visier

Der AfD-Bundesvorstand hatte diesen Beschluss erstmals im Februar des Jahres gefasst. Damit kann kein aktives oder ehemaliges Mitglied dieser Gruppierung in die Partei aufgenommen werden. Der sächsische Verfassungsschutz beobachtet die im Februar 2021 gegründeten Freien Sachsen bereits seit Juni des Vorjahres. Das Bundesamt zog im Januar 2022 nach.

Der Bundesverfassungsschutz stuft die AfD seit März 2021 als „Verdachtsfall“ hinsichtlich einer rechtsextremistischen Bestrebung ein. Das sächsische Landesamt beobachtet den Verband der Partei im Freistaat bereits einen Monat länger. In Bayern hat das Verwaltungsgericht München am Dienstag (25.10.) dem Inlandsgeheimdienst vorerst eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln untersagt.

AfD-Abgeordneter bezeichnet Freie Sachsen als „NPD in neuem Gewand“

Wie der Landtagsabgeordnete Teichmann mitteilt, waren auch die Landesvorsitzenden in die Beratung mit dem Bundesvorstand eingebunden. Der AfD-Politiker bezeichnete die Freien Sachsen als „NPD in neuem Gewand“ und warf ihnen vor, die Bürgerproteste zu instrumentalisieren:

Die rechtsextremen Freien Sachsen machen sich gern größer als sie sind und vereinnahmen regionale Bürgerproteste für ihre eigene Darstellung, insbesondere in den sozialen Medien.“

Er bezeichnete die Freien Sachsen als „in erster Linie ein Parteiprojekt von etablierten Rechtsextremisten“. Diese versuchten nun „als NPD 2.0 die Fünf-Prozent-Hürde bei der Landtagswahl zu schaffen und der AfD Stimmen abzunehmen“. Die „spalten die Opposition im Land und werden damit zum Steigbügelhalter der regierenden Altparteien“, so Teichmann.

Freie Sachsen als Auffangbecken für unterschiedliche Vereinigungen

In den Reihen der Freien Sachsen, die sich vor allem über Telegram-Gruppen vernetzen, finden sich neben Newcomern auch frühere Mitglieder mehrerer Parteien. Neben ehemaligen AfD-Mitgliedern waren auch frühere Exponenten der Freien Wähler zu der noch jungen Gruppierung gewechselt.

Einige derzeitige Funktionäre der Freien Sachsen gehörten auch bereits seit Längerem als rechtsextremistisch eingestuften Parteien wie der NPD oder „Pro Chemnitz“ an. Für letztgenannte Gruppierung sitzt der jetzige Vorsitzende der Freien Sachsen, Martin Kohlmann, im Stadtrat.

Sein Stellvertreter Stefan Hartung wird auf der Seite des NPD-Landesverbandes Sachsen nach wie vor als Kreisvorsitzender im Erzgebirge geführt. Max Schreiber, der die Freien Sachsen im KV Sächsische Schweiz-Osterzgebirge führt, ist gleichzeitig auch Kreisvorsitzender Alt-Nationalisten. Die Freien Sachsen dulden Mehrfachmitgliedschaften ihrer Anhänger ausdrücklich, wie sie auf ihrer Website festhalten.

Säxit und Rückkehr zur Monarchie

Inhaltlich sind die Freien Sachsen bislang jedoch durch Forderungen aufgefallen, wie sie traditionellen deutsch-nationalen Parteien eher fremd sind. So fordert die Partei einen „Säxit“ und dass das sächsische Königshaus „bei der Gestaltung der Zukunft einzubinden“ sei.

Ein autonomes Sachsen verbinde, so Parteichef Kohlmann, mit der Visegrád-Gruppe „sicherheits- oder familienpolitischer Hinsicht mehr als mit den westdeutschen Bundesländern“. Deshalb solle sich ein eigenständiger Freistaat auch eher an Polen, Ungarn und die Tschechische Republik annähern.

Im Vordergrund der politischen Arbeit stehen bei der Partei derzeit Themen wie der Protest gegen Corona-Maßnahmen oder gegen die Energie- und Russlandpolitik des Bundes. Zuletzt wandte sich die Partei auch mit einer Mail-In-Aktion gegen ein angeblich drohendes Verbot von Weihnachtsbeleuchtung in sächsischen Städten. Zudem ruft die Partei zum „Impf-Streik“ auf und bietet ein verschlüsseltes Formular auf ihrer Website, über die „Whistleblower“ angebliche oder tatsächliche Missstände melden können.

Nicht alle Anhänger der AfD billigen den Abgrenzungskurs

Unnötig findet Ivo Teichmann diesen Aktivismus. Die AfD sei bereits „mit ihren Vertretern flächendeckend präsent und mit den Bürgern im Gespräch“, schreibt er auf Facebook. Deren Belange bringe man „als starke Oppositionspartei auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sehr engagiert und fachlich überall fundiert ein“.

Nicht alle seine Follower auf Facebook befürworten den Unvereinbarkeitsbeschluss. Der Kreisverband Mittelsachsen will die Unvereinbarkeitsliste generell überarbeiten. Deren Reform sei, so heißt es dort, „ein wichtiger Schritt, um Kräfte zu bündeln und Menschen die Möglichkeit zu geben, dieses Land aktiv mitzugestalten“.

Andere befürchten, die AfD würde auf diese Weise „Wähler verprellen“. Befürworter der Abgrenzung bezeichnen hingegen die Freien Sachsen als „bedeutungslos“. Ein Nutzer warf der Kleinpartei vor, „unpatriotisch“ zu sein, weil ihre Forderung nach einem eigenständigen Sachsen bedeute, „Deutschland aufzugeben“.

Noch kaum Erkenntnisse über Landtagschancen der Freien Sachsen

Wie sich die Position der Bundes-AfD zur rechten Konkurrenz im Freistaat selbst auswirken wird, ist schwer einzuschätzen. Bei den Landratswahlen im Juni des Jahres konnten die AfD-Kandidaten dort, wo beide Parteien Wahlvorschläge stellten, die Freie-Sachsen-Kandidaten deutlich hinter sich lassen. Allerdings gelangen diesen, wo sie antraten, durchweg Achtungserfolge – häufig sogar im zweistelligen Bereich.

Bei Wahlumfragen werden die Freien Sachsen bis dato nicht explizit ausgewiesen. Die jüngste Landtagswahlumfrage des Instituts Wahlkreisprognose für den Landtag in Sachsen, der 2024 wieder gewählt wird, sieht alle „Sonstigen“ zusammen bei neun Prozent. Die AfD käme auf 30 Prozent, die CDU unter Ministerpräsident Michael Kretschmer auf 34.

Die AfD würde nach diesem Stand unabhängig vom Ergebnis der kleineren Rechtspartei einen Zuwachs verbuchen können, während diese noch unterhalb der Fünf-Prozent-Hürde liegt. Allerdings könnte die Konkurrenz durch die Freien Sachsen der AfD vor allem in Erststimmen-Wahlkreisen schaden, die bereits 2019 ein knappes Rennen beinhalteten.



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