Sicherheit von Einsatzkräften
Gewalt gegen Polizisten: So wollen Innen- und Justizministerium Abhilfe schaffen
Die Krawalle von Gießen haben das Thema Straßengewalt gegen Einsatzkräfte erneut ins Bewusstsein gerückt. Das Bundesjustizministerium arbeitet bereits an einem Gesetz zur Strafverschärfung bei Attacken gegen Polizisten, Rettungsfachleute und Angehörige der Gesundheitsberufe. Vor Silvester wird es damit aber nichts mehr werden.

Das Archivbild zeigt brennende Autos und einen Randalierer beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli 2017.
Foto: RONNY HARTMANN/AFP/Getty Images
In Kürze:
- Verschärfter Gesetzentwurf zum Schutz von Polizisten, Rettungskräften und Angehörigen der Gesundheitsberufe
- Ansätze für besseren Schutz von Kommunalpolitikern und Allgemeinwohltätigen werden gleichfalls geprüft
- Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei fordert „Konsequenzen für die Festgenommenen“ von Gießen
- Das Bundesinnenministerium will keine Vergleiche über Art und Ausmaß der Gefahren aus den verschiedenen extremistischen Spektren ziehen
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) bereitet derzeit einen Gesetzentwurf vor, um „den strafrechtlichen Schutz von Einsatz- und Rettungskräften, Polizisten sowie Angehörigen der Gesundheitsberufe zu verschärfen und einen erweiterten Schutz für Kommunalpolitiker sowie für das Allgemeinwohl Tätige [sic!] zu prüfen“. Das hat ein Sprecher des BMJV auf Nachfrage der Epoch Times bestätigt.
Momentan werde geprüft, wie man die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag am besten umsetzen könne. Darin findet sich auf Seite 91 (PDF) eine gleichlautende Absichtserklärung.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) hatte sich gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ bereits im Juni zur Straßengewalt gegenüber Polizisten und Rettungskräften wie folgt geäußert:
„Schon heute können solche Angriffe streng bestraft werden. Aber ich kann mir vorstellen, dass wir an einigen Stellen nochmal nachjustieren – zum Beispiel bei Angriffen auf Einsatzkräfte. Solche Angriffe sind inakzeptabel und das muss im Strafgesetzbuch auch klar zum Ausdruck kommen.“

Das Archivbild zeigt Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD).
Foto: Jennifer Brückner/dpa
Buschmann-Entwurf als mögliche Grundlage
Einen Zeithorizont zur Fertigstellung des Gesetzentwurfs nannte der BMJV-Sprecher nicht. Man prüfe aber schon, ob auf einem bereits Ende September 2024 vom Justizministerium der „Ampel“ eingebrachter Gesetzentwurf aufgebaut werden könne und inwiefern über diesen möglicherweise hinauszugehen sei. Nähere Angaben, etwa über Strafverschärfungen, könne er zurzeit nicht machen.
Der BMJV-Sprecher bestätigte allerdings, dass es sich bei dem Ausgangstext um jenen Gesetzentwurf zur „Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie von dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten“ aus dem Ressort von Marco Buschmann (FDP) handle, der wegen des vorzeitigen Regierungswechsels nicht mehr verabschiedet worden war (BT-Drucksache 20/12950, PDF).
BMJV: „Strafrahmen wurde bereits deutlich angehoben“
Ansonsten verwies der BMJV-Sprecher auf die Tatsache, dass der Gesetzgeber die Paragrafen 113ff des Strafgesetzbuches schon 2017 „grundlegend reformiert“ habe. Seither würden tätliche Angriffe auf „Hilfeleistende eines Rettungsdienstes“ strenger geahndet. 2021 sei zudem das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität (PDF) in Kraft getreten. Auch dieses habe den Strafrahmen „auch für tätliche Angriffe auf Hilfeleistenden eines ärztlichen Notdienstes oder einer Notaufnahme deutlich angehoben“.
Jochen Kopelke, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hatte die 2017er-Gesetzesnovelle gegenüber Epoch Times zwar gelobt – sie habe aber „keinen ‚Durchbruch‘ im Sinne einer nachhaltigen Trendwende bei der Gewalt“ erbracht.
Das Thema Personenschutz wurde im November 2025 auch vom Bundesrat aufgegriffen. Der Gesetzentwurf der Länderkammer (BT-Drucksache 21/2737, PDF) zielt allerdings lediglich auf die „Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern sowie Kandidatinnen und Kandidaten und deren Helferinnen und Helfern“ ab.
BMI zu Silvester: „Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte ist nicht hinnehmbar“
Eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums (BMI) teilte auf Anfrage von Epoch Times mit, dass ihr Ministerium die Erarbeitung des geplanten BMJV-Gesetzesentwurfs „eng begleiten“ werde. Das BMI setze sich grundsätzlich dafür ein, „Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten mit allen Mitteln zu ahnden“.
Nach Einschätzung des BMI ist derzeit allerdings nicht auszuschließen, „dass es auch bei diesem Jahreswechsel“ erneut „zu Straftaten und Angriffen unter anderem auf die Polizei kommen könnte“. Die BMI-Sprecherin macht deutlich:
„Der Appell – damals wie heute – lautet: Gewalt gegen Einsatz- und Rettungskräfte ist nicht hinnehmbar.“
GdP-Bundeschef Jochen Kopelke hatte sich angesichts der erneut zu erwartenden Silvesterkrawalle gegenüber Epoch Times ebenfalls besorgt geäußert. Unter dem Eindruck der Ereignisse von Gießen vom letzten Novemberwochenende hatte er zudem „Konsequenzen für die Festgenommenen“ eingefordert. Die Uniformträger seien „widerlicher Gewalt“ und „Hass“ durch „geplante und vorbereitete Angriffe linksextremistischer Krawallmacher“ ausgesetzt gewesen.
BMI für strafrechtliche Folgen nicht zuständig
„Konsequenzen für festgenommene Personen liegen im Zuständigkeitsbereich der örtlichen Strafverfolgungs- und Justizbehörden“, stellte die BMI-Sprecherin auf Nachfrage von Epoch Times klar. „Strafrechtliche Ermittlungen“ würden „grundsätzlich in der Zuständigkeit der Länder geführt“.
Ferner wollte die BMI-Sprecherin Kopelkes Forderung nicht kommentieren: „Zu Einzeläußerungen von Gewerkschaften äußern wir uns nicht.“
Die Frage, inwiefern die immer wieder gehörte Aussage, dass in Deutschland die größte Gefahr von der rechten Seite des politischen Spektrums ausgehe, zu den Ereignissen von Gießen passen würde, wollte das BMI gegenüber Epoch Times nicht näher erörtern:
„Das BMI zieht keine diesbezüglichen Vergleiche zwischen extremistischen Gefahren, da sie sich alle in ihrem Kern gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wenden, und bekämpft alle Phänomenbereiche des Extremismus.“
Ein Überblick darüber, wann es in Deutschland zuletzt von der rechten oder von der islamistisch motivierten Seite ein ähnliches Szenario wie in Gießen gegeben hatte, welches einen Großeinsatz vergleichbaren Ausmaßes erforderlich gemacht hätte, liege dem BMI nicht vor, wie die Sprecherin einräumte.
Silvester 2024/25: Laut BMI vier Bundespolizisten leicht zu Schaden gekommen
Auch über das Ausmaß der Straftaten oder der verletzten Einsatzkräfte, die es zu Silvester 2024/25 insgesamt gegeben hatte, existiere beim BMI „keine vollumfängliche, qualitätsgesicherte statistische Erhebung“. Man wisse lediglich, dass bei den Einsätzen vor einem Jahr vier Beamte der Bundespolizei leicht verletzt worden seien.
Das BMI ist nur für die Bundespolizei, also den früheren Grenzschutz, zuständig – ansonsten sind Polizeifragen Sache der Länder.
Angesichts dessen habe man beim BMI, so die Sprecherin, auch keine Kenntnis über die im Anschluss an die jüngste Silvesternacht erhobene Forderung der GdP Sachsen, nach der ein „interdisziplinäres Forschungsprojekt“ eingerichtet werden sollte, „um die Ursachen der Entfremdung zwischen Teilen der Gesellschaft und dem Staat systematisch zu untersuchen“.
Dem ebenfalls damals von der GdP Sachsen geäußerten Wunsch nach verstärkten „Kontrollen und Aufklärungskampagnen, um den Einsatz illegaler Pyrotechnik zu verhindern“, begegnete das BMI damit, dass es „bereits seit vielen Jahren für mehr Respekt gegenüber und Solidarität mit den Einsatzkräften“ werbe.
„Mit einer entsprechenden Kampagne wird informiert und aufgeklärt, welchen Beitrag Polizei und Rettungskräfte für die freiheitliche Demokratie leisten. Ziel ist es, das gesellschaftliche Klima gegenüber uniformierten Polizei- und Rettungskräften zu verbessern“, teilte die BMI-Sprecherin mit.
Ein ähnliches Ziel verfolgten schon die Kampagnen „Auch Mensch“ oder „Vergiss nie, hier arbeitet ein Mensch“.
44 verletzte Einsatzkräfte in Berlin zum Jahreswechsel 2024/25
Ein Fragenkatalog an das sächsische Innenministerium über ein mögliches interdisziplinäres Forschungsprojekt zur Entfremdung zwischen Gesellschaft und Staat blieb bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet.
Die Berliner Polizei hatte infolge der Silvesterkrawalle des vergangenen Jahres 44 Dienstkräfte zu beklagen, die im Einsatzgeschehen verletzt worden seien. 17 Polizisten seien durch eine Straftat verletzt worden, acht weitere durch Pyrotechnik. Insgesamt habe es 58 Angriffe auf Einsatzkräfte der Polizei und einen Angriff auf einen Rettungsdienstmitarbeiter gegeben.
Patrick Reitler, geboren in den späten Sechzigerjahren am Rande der Republik. Studium der Komparatistik, Informationswissenschaft und Sozialpsychologie. Seit der Jahrtausendwende als Journalist hauptsächlich in Online-Redaktionen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk und als Fußballkommentator unterwegs. Seit Ende 2022 freier Autor. Bei Epoch Times vorwiegend für deutsche Politik zuständig.
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