Zu große Nähe von Politik und Medien? – Der Fall Linda Zervakis

Das Kanzleramt wählt eine Moderatorin für eine externe Veranstaltung aus, engagiert sie und überweist ihr im Anschluss Geld. Ein Auftrag wirft erneut die Frage auf, ob es eine zu große Nähe von Politik und Medien gibt.
Titelbild
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Gespräch mit der Fernsehmoderatorin Linda Zervakis auf dem Festival für die digitale Gesellschaft re:publica 2022 in Berlin.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 7. April 2023

Die „Pro 7“-Moderatorin Linda Zervakis erhielt für die Moderation einer durch die Bundesregierung organisierten Veranstaltung 10.913,81 Euro.

Dabei handelte es sich um die Auftaktveranstaltung zur Veranstaltungsreihe „Deutschland. Einwanderungsland. Dialog für Teilhabe und Respekt“ am 28. November 2022. Dies ergab die Regierungsantwort auf eine AfD-Anfrage.

Anfang März wurde bereits durch eine Anfrage der AfD bekannt, dass in den letzten fünf Jahren die Bundesregierung rund 1,5 Millionen Euro für 200 Journalisten ausgab, die für sie größtenteils moderierten oder auch Medientrainings und Workshops durchführten.

Honorare gingen oft an Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen

Dabei fiel auf, dass mit rund 875.000 Euro der Großteil der Honorare an Journalisten der Öffentlich-Rechtlichen floss, an die der privaten Medien dagegen nur rund 597.000 Euro.

Bei konkreten Zahlen jedoch, was welcher Moderator für welche Tätigkeit genau erhielt und wie sie heißen, zeigte man sich bedeckt und gab keine oder nur zögernd Auskunft.

Dabei steht im Raum, dass gerade durch die 200 Journalisten, die zwischen Ende 2017 und 2022 für die Bundesregierung arbeiteten, die journalistische Distanz verloren geht und die Gefahr des Gefälligkeitsjournalismus wächst.

Scholz, Zervakis und der Auftritt bei re:publica 2022

In der aktuellen Anfrage ging es auch um einen Auftritt von Linda Zervakis bei der re:publica 2022 in Berlin und eine damit verbundene Intransparenz. Die Veranstaltung gilt als größtes Festival und Konferenz für die „digitale Gesellschaft“.

Hier interviewte die frühere Tagesschausprecherin Zervakis Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Thema „Digitalpolitik in der Zeitenwende“. Die Teilnahme eines Regierungschefs bei re:publica war ein Novum für die Veranstaltung.

Was jedoch von außen nach einem Gespräch mit einer unabhängigen Moderatorin aussah, war, wie Recherchen der „taz“ damals ergaben, eine vom Kanzleramt arrangierte PR-Aktion.

Offenbar sah das Kanzleramt die Chance, die digitalpolitischen Ziele der Bundesregierung in dieser Form zu präsentieren.

Kanzleramt legte Moderatorin fest

Die Einladung zur re:publica kam vom Organisator Markus Beckedahl. Dieser fragte Olaf Scholz, ob er eine Keynote zum „Stand der Digitalisierung in Deutschland“ halten will.

Allerdings legte das Kanzleramt dann ungewöhnliche Bedingungen für eine Teilnahme von Scholz fest. Nach Aussage der „taz“ machte man sich im Kanzleramt Sorgen, dass der Auftritt nach hinten losgehen könnte. Fürchtete man zu kritische Fragen? So entschied man sich für ein moderiertes Gespräch als Format.

Während Vorgespräche vor solchen Veranstaltungen, die es in diesem Fall zwischen Kanzleramt, Zervakis sowie ihrem Management gab, nichts Ungewöhnliches sind, gab es eine auffällige Bedingung: Das Kanzleramt wollte entscheiden, wer das Gespräch mit dem Bundeskanzler führt.

In der Regierungsantwort heißt es dazu nüchtern: „Das Management von Frau Zervakis wurde durch die Arbeitsebene des Bundeskanzleramtes mit der Moderation des Gesprächs beauftragt.“ Warum man sich allerdings gerade für Zervakis als Moderatorin entschied, blieb unbeantwortet – obwohl die Frage gestellt wurde.

Fehlende Transparenz

Auf die Frage, warum seitens der Bundesregierung die Auswahl von Zervakis als Interviewpartnerin des Bundeskanzlers nicht transparent kommuniziert wurde, hieß es in der Regierungsantwort:

„Bezüglich der Moderation gab es keine verbindlichen Vorgaben des Veranstalters.“ Kanzleramt und der Veranstalter hätten sich auf das durchgeführte Format geeinigt. „Die kommunikative Begleitung des Veranstaltungsprogramms lag in der Verantwortung des Veranstalters der re:publica.“

Wer hatte im Kanzleramt entschieden, daran teilzunehmen? „Entscheidungen über Auftritte des Bundeskanzlers werden im Bundeskanzleramt auf Arbeitsebene vorbereitet und der Leitung als entscheidungsreifer Vorschlag vorgelegt.“ Der Gestaltungsvorschlag des Termins sei im üblichen Verfahren vorbereitet und gebilligt worden, heißt es in der Regierungsantwort wenigsagend.

Kein Honorar – aber 1.130,50 Euro Kostenpauschale

Die Summe, die Zervakis erhielt, war im Vergleich zu anderen Honoraren auffällig niedrig, nämlich 1.130,50 Euro brutto.

Dabei fragt sich, wofür sie das Geld überhaupt erhielt. Denn ihr Manager erklärte gegenüber der „taz“, dass Zervakis für die Moderation kein Honorar erhalten habe. Das Bundeskanzleramt habe „lediglich die im Zusammenhang mit der Teilnahme von Zervakis entstehenden Kosten erstattet.“

Die Höhe des Angebotes und der anschließenden Rechnung für Zervakis Einsatz wollte ihr Management nicht bekannt geben. Aber die Reisekosten übernahm überraschend ganz kurzfristig ihr Arbeitgeber Pro 7, obwohl sich re:publica nach Anfrage von Zervakis Management zuvor bereit erklärt hatte, sie zu tragen.

Wofür gab es dann eine „Kostenpauschale“ von 1.130,50 Euro, wie die Bundesregierung es bezeichnet? Sollten damit Kosten für Styling und Maske oder für eine Übernachtung finanziert werden?

Journalisten bringen sich selbst in Schwierigkeiten

Unüblich ist es nicht, dass Jour­na­lis­ten Veranstaltungen moderieren. Allerdings kann hier Einseitigkeit Probleme schaffen: Die gleichen Journalisten der immer wieder gleichen Medien, eine fehlende Transparenz sowie fehlende Angaben, wer von wem für welches Honorar engagiert wurde.

Auch scheint bedenklich, dass, wie bereits mehrfach geschehen, ein Journalist ein Interview mit einem Politiker für ein Medium zur Berichterstattung führt und derselbe Journalist von dem Ministerium des gleichen Politikers engagiert wird, um eine Veranstaltung zu moderieren.

Oder es kommt zu Situationen wie im Fall von Julia Stein vom NDR. Sie moderierte eine Podiumsdiskussion auf dem Bauerntag, eine Veranstaltung vom Lobbyverband „Bauernverband Mecklenburg-Vorpommern“. Gleichzeitig war sie für mehrere Sendungen verantwortlich, in der der NDR über die Veranstaltung berichtete.

Dass Zervakis gegenüber der „taz“ keinen Angaben zu ihrem Einsatz für das Kanzleramt bei der re:publica 2022 machen wollte und zeitweise presserechtlich gegen die Veröffentlichung eines Artikels zu diesem Thema vorging, zeigt offenbar, wie brisant das Thema ist.

Zervakis Anwalt hingegen begründete ihr juristisches Vorgehen gegen den „taz“-Artikel damit, dass seine Mandantin nicht möchte, dass bekannt werde, dass sie manche Moderationen auch ohne Honorar übernehme. Das mindere ihre Verhandlungsposition bei anderen Moderationen, etwa öffentliche Firmenveranstaltungen, zitiert ihn die „taz“.



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