Kommunalwahlen in NRW: Grüne Gewinne auf Kosten der SPD erwartet – Laschet hofft auf Stabilität

Da bei den Kommunalwahlen in NRW noch ein starres Listenwahlsystem herrscht, wird dem Ergebnis der Parteien auch überregionale Bedeutung zugemessen. Hohe CDU-Verluste könnten Armin Laschets Ambitionen auf den Parteivorsitz schaden. Demoskopen rechnen aber nicht damit.
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Bei einer Abstimmung. Symbolbild.Foto: iStock
Von 13. September 2020

Wählen wie zu Opas Zeiten: Anders als in den meisten anderen Bundesländern, wo Wähler bei den Kommunalwahlen durch Kumulieren und Panaschieren eine bestimmte Anzahl an Stimmen nach Belieben an Kandidaten über die Parteilisten verteilen können, hat der Wähler in NRW jeweils nur eine Stimme – und er kann damit auch keine vorgegebene Liste verändern. Allerdings gibt es keine Sperrklausel.

Dieses parteienlastige Wahlrecht sorgt für eine schnellere Auszählung, außerdem macht es die Ergebnisse trotz ihrer kommunalen Bedeutung repräsentativer, was das Ansehen der Parteien insgesamt im Land anbelangt.

Deutlicher Zuwachs an Briefwählern

Dass, sieht man von den Bürgermeister-, OB- und Landratswahlen ab, das Persönlichkeitselement in der nordrhein-westfälischen Kommunalwahlordnung weniger stark zum Tragen kommt, macht die Wahl auch zu einem Stimmungstest für Ministerpräsident Armin Laschet. Der Umstand, dass NRW als einwohnerstärkstes Bundesland auch bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr eine tragende Rolle spielen wird, tritt noch hinzu.

Sollte die CDU, die bei den vorangegangenen Wahlen 2014 landesweit auf 37,5 Prozent der Stimmen gekommen war, deutliche Verluste erleiden, würde dies Laschets Ambitionen auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur 2021 einen erheblichen Dämpfer versetzen. Zudem geht es für die Union darum, einen Verlust von Oberbürgermeistersesseln in signifikanten Großstädten zu vermeiden. In Köln und Hagen, wo FDP und Grüne die amtierenden Stadtoberhäupter unterstützen, scheint dies eher eine Formsache zu sein. Weitere Großstädte, deren OB derzeit die CDU stellt, sind Essen, Bonn, Hamm, Münster, Mönchengladbach und Oberhausen.

Mit wachem Interesse wird auch die Wahlbeteiligung verfolgt werden. Diese hatte 2014 bei 49,997 Prozent gelegen. Am selben Tag fanden damals die EU-Wahlen statt. Bereits jetzt zeigt sich ein Anstieg bei den Briefwählern, was zum einen auf die Corona-Pandemie zurückzuführen sein dürfte, zum anderen einem allgemeinen Trend der vergangenen Jahre folgt. Corona-bedingt wurden in diesem Jahr die Zulassungsformalitäten für Wahlvorschläge erleichtert.

Erstmals wird bei den Kommunalwahlen auch das Ruhrparlament gewählt

Gewählt wird neben Oberbürgermeistern, Bürgermeistern und Landräten sowie den Stadträten, Gemeinderäten und Kreistagen auch erstmals das sogenannte Ruhrparlament. Dieses umfasst 91 Mitglieder und wird als Regionalverband von den Bürgern der kreisfreien Städte Bochum, Bottrop, Dortmund, Duisburg, Essen, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, Mülheim, Oberhausen sowie der Kreise Ennepe-Ruhr, Recklinghausen, Unna und Wesel gewählt.

Zudem werden in Kommunen mit einem hohen Anteil nichtdeutscher Staatsbürger auch die Integrationsräte gewählt. Wo mindestens 5.000 ausländische Staatsangehörige ihre Hauptwohnung haben, muss von Gesetzes wegen ein Integrationsrat gebildet werden, in solchen mit mindestens 2.000 ausländischen Einwohnern kann dies auf Antrag geschehen. Neben den gewählten Vertretern der ausländischen Wähler werden auch Ratsmitglieder in diese Gremien entsandt. Alle Wahllokale sind von 8 bis 18 Uhr geöffnet.

Umfragen sehen stabile CDU

Einer Infratest-dimap-Umfrage in elf Großstädten zufolge, deren Ergebnisse am 2. September präsentiert wurden, können die Grünen mit deutlichen Zugewinnen in den Stadträten rechnen – wobei diese vor allem auf Kosten der SPD gehen werden. Die in NRW lange Zeit mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialdemokraten waren zuletzt sowohl bei den vorangegangenen Kommunalwahlen als auch bei der Landtagswahl vor drei Jahren nur auf 31,4 bzw. 31,2 Prozent gekommen. Die Grünen erreichten 2014 landesweit mehr als elf Prozent bei den Kommunalwahlen, stürzten jedoch im Landtag auf 6,4 Prozent ab.

Die CDU bliebe hingegen stabil. Gegenüber der Landtagswahl 2017, wo die Partei 33 Prozent erzielte, wäre ein Ergebnis auf dem Level von 2014 sogar noch ein weiterer Zugewinn. In Aachen und Düsseldorf sei damit zu rechnen, dass es eine Stichwahl um den Posten des Oberbürgermeisters geben werde.

Für die FDP, deren NRW-Landesverband üblicherweise zu den stärksten gehört, wird es darum gehen, nach der deutlichen Schlappe von 2014 wieder an Terrain zu gewinnen. Damals hatte man landesweit etwa die Hälfte der Stimmen verloren, die Liberalen kamen in den kreisfreien Städten und Kreisen damals nur noch auf 4,75 Prozent. Bei den Landtagswahlen 2017 erreichte die FDP 12,6 Prozent der Zweitstimmen.

AfD: Standortbestimmung nach Turbulenzen im Landesverband NRW

Für die Linkspartei, die bei den Landtagswahlen 2017 knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, bietet die Kommunalwahl eine Chance, vor allem in den Großstädten Positionen auszubauen. Zweistellige Ergebnisse trauen ihr die Demoskopen dort jedoch nicht zu.

Eine Standortbestimmung wird die Kommunalwahl in NRW auch für die AfD. Diese hatte 2014 nur in einzelnen Städten und Gemeinden kandidiert und kam landesweit auf 2,5 Prozent. Ihr bestes Ergebnis erzielte sie mit 7,9 Prozent in Mettmann. Bei den Landtagswahlen kam die Partei aus dem Stand auf 7,4 Prozent.

Der Landesverband erlebte seither jedoch den Rücktritt des langjährigen Chefs Marcus Pretzell und wurde in den darauffolgenden Jahren von schweren Flügelkämpfen erschüttert. Die Partei versucht nun, vor allem in Gemeinden mit hohem russlanddeutschem Bevölkerungsanteil ihre Position zu behaupten und hofft darauf, dass die Debatte um die Aufnahme von Asylsuchenden aus dem Lager Moria Last-Minute-Wähler zur Stimmabgabe bewegen kann.

Ein enttäuschendes Ergebnis der AfD würde die innerparteilichen Konflikte in den westdeutschen Landesverbänden weiter anfachen. Während der derzeit amtierende Vorstand in NRW als loyal gegenüber dem Bundessprecher Jörg Meuthen gilt, endete der Landesparteitag in Niedersachsen am gestrigen Samstag (12.9.) mit einem Sieg des als „Flügel“-nahe geltenden Kandidaten Jens Kestner in der Stichwahl um den Landesvorsitz gegen Meuthen-Wunschkandidatin Dana Guth.

Islamisten, Rechtsextreme, Klima-Radikale und „Widerstand 2020“ hoffen auf Mandate

In einzelnen Kommunen spielen auch Wählergemeinschaften eine tragende Rolle, wenn auch nicht in einem ähnlich großen Maße wie dort, wo Wähler bei Kommunalwahlen über Parteigrenzen hinweg frei Persönlichkeitsstimmen vergeben können.

Auf Mandate in Städten mit hohem türkischem Einwandereranteil hoffen auch islamisch geprägte Parteien und Wählergemeinschaften wie die Partei BIG, die jüngst in Duisburg wegen Vorwürfen des Stimmenkaufs in die Schlagzeilen geraten war. Ebenfalls in Duisburg kandidiert jedoch auch die Liste „Wir gestalten Duisburg“, die ebenfalls von Kandidaten aus der türkischen Einwanderercommunity geprägt ist, den Wahlkampf teilweise in türkischer Sprache bestreitet und Infostände unter anderem vor dem Kulturzentrum der Milli-Görüs-Gemeinschaft (IGMG) abhielt. Die BIG will zudem auch in Bonn ihr Stadtratsmandat verteidigen.

In Dortmund will die neonationalsozialistische Partei „Die Rechte“ ihr Mandat verteidigen. In Düsseldorf werden die in den späten 1980ern und frühen 1990er Jahren bedeutenden Republikaner kandidieren. In Leverkusen will deren früherer Kölner Spitzenpolitiker Markus Beisicht mit dem „Aufbruch“ in den Stadtrat einziehen – Unterstützung erhält er dabei von Sachsen-Anhalts Ex-AfD-Chef André Poggenburg.

In mehreren Städten wird auch die paneuropäische Liste „Volt“ antreten. In Düsseldorf kandidiert neben der „Klimaliste“ und der „Deutschen Sportpartei“ auch die gegen die Corona-Maßnahmen opponierende Partei „Widerstand 2020“.



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