„Seit 15 Jahren unterwegs“: SPD-Politiker weicht Frage nach Preis für Bürgerforum aus

Der SPD-Politiker Philipp da Cunha wollte dem NDR offenkundig die Frage nach dem Preis für ein Bürgerforum nicht beantworten. Seine Vermeidungsstrategie ging viral.
Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD).
Der Star des Abends beim Bürgerforum der SPD-Fraktion Anfang Juli im „Golchener Hof“: Ministerpräsidentin Manuela Schwesig.Foto: Focke Strangmann/dpa
Von 14. Juli 2023

Unfreiwillig auf Twitter viral gegangen ist ein Kurzinterview des Parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Fraktion im Schweriner Landtag, Philipp da Cunha. Anlass war ein Bürgerforum, das die Fraktion im Vier-Sterne-Hotel „Golchener Hof“ in Brüel angesetzt hatte.

Eigentümer des Betriebes ist Jörg Klingohr – der Ehemann von Christine Klingohr, einer Abgeordneten der SPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.

Teure Vetternwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommerns SPD?

Ein Reporter des NDR wollte nun wissen, warum man ausgerechnet das Luxushotel zum Schauplatz des Gesprächsforums erkoren habe. Zudem fragte er, wie viel Steuergelder die Ausrichtung des Gesprächsforums an dieser Adresse gekostet habe.

Da Cunha, seit 2016 im Landtag und als Parlamentarischer Geschäftsführer mit der Angelegenheit betraut, verspürte offenkundig keine Motivation, darüber Rechenschaft abzulegen. Die Art und Weise, wie er auf die Fragen des Reporters reagierte, hat jedoch die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt. Möglicherweise sogar in einem höheren Maße als eine direkte wahrheitsgemäße Antwort diese selbst hervorgerufen hätte.

Inhaltlich identische Antworten aneinandergereiht

Über fast vier Minuten reagierte da Cunha auf Nachfragen mit einer sprachlich teilweise modifizierten, inhaltlich aber stets identischen Aussage. Demnach führe die SPD-Fraktion bereits seit 15 Jahren überall im Land Bürgerforen durch – und dies sei wichtig, um „mit Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch zu kommen“.

Da Cunha geht zwar auf die Reporterfrage insofern ein, als er erläuterte, dass der luxuriöse „Golchener Hof“ des Ehemannes der Fraktionskollegin „nicht unserer erste Wahl“ gewesen sei. Allerdings habe man „vorher von anderen Lokalitäten auch Absagen bekommen“. Das Bürgerforum habe man zu einem „ortsüblichen Preis“ ausgerichtet.

Kosten pro Person am Ende bei 59 Euro

Genaue Zahlen wollte der SPD-Politiker dennoch nicht nennen. Stattdessen wiederholt er auf mehrere Nachfragen stets wieder, dass die Fraktion seit 15 Jahren Bürgerforen im ganzen Land ausrichte. Dazu noch, dass man auf diese Weise mit vielen Bürgern ins Gespräch gekommen und dass dies der SPD wichtig sei.

Außerdem habe ein „sehr guter Austausch“ stattgefunden. Der „Golchener Hof“ sei nach Absagen anderer Lokalitäten zu ortsüblichen Konditionen angemietet worden. Nach mehr als drei Minuten und mehreren inhaltsgleichen Aussagen gibt der Reporter auf und erklärt:

Sie beantworten es nicht, also vergessen wir‘s.“

Wie „t-online“ berichtet, hat später Fraktionschef Julian Barlen die Antwort nachgereicht. Demnach habe der Abend im Hotel 15.000 Euro gekostet – was pro Person 59 Euro entspreche. Da Cunha habe die Endrechnung noch nicht erhalten, weshalb er auch keine exakte Antwort habe geben können.

„Golchener Hof“ bei SPD und politischen Gremien beliebt

Die Optik der Vergabe eines Bürgerforums an den Ehemann einer Fraktionskollegin mag diskutabel sein – der NDR-Reporter hatte allerdings nur nach dem Preis gefragt. Und mit 15.000 Euro scheint dieser bei mehr als 200 Teilnehmern tatsächlich nicht unüblich zu sein.

Wie der „Beteiligungskompass“ der Bertelsmann Stiftung informiert, seien für ein Bürgerforum Kosten „zwischen 30.000 und 100.000 Euro“ einzukalkulieren. Der Zeitaufwand zur Vorbereitung umfasse zwei Tage Präsenz, fünf bis 15 Stunden Online-Diskussion und etwa fünf Stunden Vorbereitung. Diese seien verteilt auf acht Wochen.

Für parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit stehen der SPD-Fraktion in Mecklenburg-Vorpommern rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung. Das Bürgerforum war jedoch offenbar nicht die einzige Veranstaltung aus dem Umfeld von Politik und Partei, von der Jörg Klingohr profitierte.

Wie der NDR berichtet, sollen auch das Landwirtschaftsministerium, das Innenministerium und – in Corona-Zeiten – auch der Kreistag zu seinen Kunden gehört haben. Die Staatssekretärin im Agrarministerium, Elisabeth Aßmann, feierte dort sogar ihre Hochzeit.



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