Kretschmer empfiehlt sächsisches Modell
SPD will AfD-Verbotsverfahren prüfen – Union fordert Normalität im Parlament
Die Forderung von CDU-Politiker Jens Spahn nach einem normalisierten Umgang mit der AfD sorgt für politischen Streit. Während SPD-Generalsekretär Matthias Miersch ein Verbotsverfahren gegen die Partei ins Spiel bringt, pocht die Union auf parlamentarische Gepflogenheiten.

SPD-MdB Ralf Stegner sieht durch Debatte über parlamentarischen Umgang mit der AfD die Koalition belastet.
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa/dpa
Die Debatte über den künftigen Umgang mit der AfD belastet weiter das Verhältnis zwischen Union und SPD. In den Reihen der Sozialdemokraten zeigt man sich irritiert über den Vorstoß von CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn, der sich für mehr Normalität im parlamentarischen Umgang mit der Partei ausgesprochen hat.
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch hat sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) am Samstag, 19. April, offen für ein Verbotsverfahren gezeigt. Er möchte diese Frage vom Ergebnis des bereits im Vorjahr angekündigten Gutachtens des Bundesamtes für Verfassungsschutz abhängig machen.
Miersch will – abhängig von Verfassungsschutz-Gutachten – AfD-Verbotsverfahren prüfen
Der Verfassungsschutz führt die AfD im Bund als Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus. Die Landesbehörden in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen stufen die dortigen Landesverbände als „gesichert rechtsextremistisch“ ein. Der Bund tat dies bislang nur bei der Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA), die jedoch zum 31. März aufgelöst wurde.
Das Gutachten soll nun Aufschluss darüber geben, ob eine Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ auch aus Sicht des Bundesamtes gerechtfertigt ist. Im November hieß es aus dem Inlandsgeheimdienst, man wolle mit dessen Vorlage bis nach der vorgezogenen Bundestagswahl warten. Allerdings ist bis dato auch kein Nachfolger für den zurückgetretenen Präsidenten Thomas Haldenwang gefunden.
Sollte das Gutachten zu dem Schluss kommen, dass die Partei gesichert rechtsextremistisch sei, will Miersch einen Anlauf zu einem Verbotsverfahren starten. Auf dieser Grundlage könne ein solches „ernsthaft geprüft und gegebenenfalls eingeleitet“ werden. Diese Frage dürfe sich „nie allein an der Stärke einer Partei orientieren, sondern an ihrer Verfassungsfeindlichkeit“.
Boehringer leitete Ausschuss unbeanstandet – Brandner wurde abgewählt
Spahn hatte sich für einen professionelleren Umgang mit der AfD vor allem mit Blick auf die Besetzung der Vorsitzposten in Ausschüssen ausgesprochen. Bis dato entsprach es parlamentarischer Gepflogenheit, jeder im Bundestag vertretenen Fraktion gemäß ihrer Stärke Vorsitzposten zuzugestehen. Vor allem der Vorsitz im Haushaltsausschuss wurde bislang immer der stärksten Oppositionsfraktion zugestanden.
Die Fraktionen benennen für die ihnen zustehenden Ausschüsse jeweils eine Person für den Vorsitz. Kommt es zu einem Widerspruch gegen einen Kandidaten, müssen die Ausschussmitglieder ein Wahlverfahren durchführen. Dort reicht eine einfache Mehrheit. Bisher wurden zwei AfD-Politiker zu Ausschussvorsitzenden im Bundestag gewählt. Peter Boehringer leitete über die gesamte 19. Legislaturperiode den Haushaltsausschuss.
Im Fall Boehringers gab es zwar einen Widerspruch. Mit den Stimmen von AfD und FDP wurde dieser jedoch gegen die Stimmen der Linken bei Enthaltung der übrigen Fraktionen gewählt. Auch Stephan Brandner wurde im Justizausschuss als Vorsitzender bestätigt. Im Jahr 2019 wählte ihn jedoch eine Mehrheit der Ausschussmitglieder aufgrund des Inhalts einiger von ihm abgesetzter Posts auf X (damals Twitter) ab.
SPD formuliert Erwartungshaltung: Keine Alleingänge der Union bei Wahlverfahren
Die AfD klagte gegen die Abwahl und berief sich auf ihr Recht, einen Ausschussvorsitzenden zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht verneinte jedoch einen Automatismus. Die Ausschüsse dürften ihre Vorsitzenden in freier Wahl bestimmen. Die Fraktionen hätten ein Vorschlagsrecht. Ein Anspruch, gewählt zu werden, bestehe jedoch nicht. Im Jahr 2021 erhielt keiner der Kandidaten der AfD für den Vorsitz in den ihnen zugedachten Ausschüssen die erforderliche Mehrheit.
Dieses Urteil nimmt die SPD-Fraktion jetzt zur Grundlage für ihre Erwartungshaltung an die CDU, gemeinsam AfD-Kandidaten für Ausschussvorsitze abzulehnen. Miersch sagte zwar, es gehe „nicht um Ausgrenzung“, und man müsse sich jeden Kandidaten genau ansehen. Die Wahl eines AfD-Kandidaten für einen Ausschussvorsitz könne er sich jedoch „überhaupt nicht vorstellen“. Als Kandidatin der AfD-Fraktion für den Vorsitz im Haushaltsausschuss wurde die seit 2017 im Bundestag vertretene Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing aus Mecklenburg-Vorpommern genannt.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese hat am Freitag in „Bild“ ebenfalls ein koordiniertes Vorgehen der künftigen Koalitionspartner bei der Besetzung von Ausschussposten verlangt. Als künftige Koalitionspartner „stimmen wir uns in sämtlichen Fragen gemeinsam ab“, äußerte Wiese. Er fügte hinzu:
„Das gilt auch dafür, wie wir mit AfD-Kandidaten als Ausschussvorsitzenden umgehen. Das mag Jens Spahn passen oder nicht. Ist aber so.“
Klingbeil wittert in AfD-Vorstoß „internes Foulspiel“ gegen Merz
Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer sieht es als erforderliche vertrauensbildende Maßnahme der Union, keine Normalisierung der AfD zu betreiben. Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ verweist Schweitzer auf die gemeinsamen Abstimmungen von CDU-Chef Friedrich Merz mit der AfD im Bundestag. Dieser „Tabubruch“ werde für die Sozialdemokraten „noch eine ganze Weile eine Rolle spielen“.
Parteichef Lars Klingbeil erklärt, er sei „irritiert über diese Diskussion, die unnötig und falsch ist“. Gleichzeitig sieht er darin einen Ausdruck unionsinterner Machtkämpfe. Gegenüber der „Funke Mediengruppe“ sprach Klingbeil von einem internen „Foulspiel“ gegenüber Kanzlerkandidat Friedrich Merz.
Der Abgeordnete Ralf Stegner sieht durch eine mögliche Normalisierung der AfD auf Betreiben der Union sogar eine Gefahr für den Bestand der Koalition. Im „Handelsblatt“ erklärte er, mit einer solchen Annäherung lege die Union „die Lunte an eine mögliche Koalition mit der Sozialdemokratie“. Die AfD habe wie jede andere Fraktion ein Vorschlagsrecht. Ein „Anrecht, gewählt zu werden“, habe jedoch niemand.
Wagenknecht: Bisheriger Umgang zeigt „mangelnden Respekt vor demokratischen Regeln“
Unterdessen hat sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer mit Spahn solidarisiert. Er äußerte gegenüber den „Dresdner Neuesten Nachrichten“, der sächsische Weg im Umgang mit der AfD wäre ein mögliches Vorbild auch für den Bund. Es sei zwar „ganz klar“, dass es keine Zusammenarbeit oder Koalition mit der Partei geben dürfe. Kretschmer fügte allerdings hinzu:
„Aber die eigentlichen demokratischen Rechte, die Rechte, die jeder Abgeordnete, jede Partei in einem Parlament hat, die müssen auch für diese Partei gelten, weil man sie ansonsten stark macht und nicht schwächt.“
Ähnlich hat sich auch BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht geäußert. Sie erklärte in der „Welt“, man werde „keinen Wähler dadurch zurückgewinnen, dass man der AfD im Bundestag weiterhin wichtige Ämter und andere formale Rechte vorenthalte. Ihr einen Präsidiumsposten oder Ausschussvorsitz vorzuenthalten sei „kein antifaschistischer Coup, sondern einfach mangelnder Respekt vor demokratischen Regeln“. Dieses Vorgehen habe erst zum Erstarken der Partei beigetragen.
Spahn rät zu „richtiger Balance“
Unions-Fraktionsvize Spahn hatte mit Blick auf die Besetzung von Repräsentationsposten im Bundestag empfohlen, „mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen, wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Die Partei sei von mehreren Millionen Menschen im Land gewählt worden. Sie sei so stark, weil „Wählerinnen und Wähler uns was sagen wollten“.
Um diesen deutlich zu machen, dass man sie ernst nehme, müsse man die „richtige Balance“ im Umgang mit der AfD im Bundestag finden.
(Mit Material von Agenturen)
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
Aktuelle Artikel des Autors
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.
0
Kommentare
Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.