Türkischer Chefdiplomat zu Gast in Goslar

Der türkische Chefdiplomat Cavusoglu traf sich in Goslar mit Außenminister Sigmar Gabriel. Er wurde als "besonderer Gast", als "Kollege und Freund" und von seinen eigenen Anhängern mit türkischen Fahnen begrüßt.
Titelbild
Außenminister Sigmar Gabriel (C) und der türkische Diplomat Mevlut Cavusoglu (C-L), 6. Januar 2018 in Goslar.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times6. Januar 2018

Es dürfte eine Reise ganz nach Mevlüt Cavusoglus Geschmack gewesen sein. In der prächtigen Kaiserpfalz von Goslar wurde der türkische Chefdiplomat von Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) als „besonderer Gast“, als „Kollege und Freund“ begrüßt; trotz der zahlreichen Konflikte zwischen beiden Ländern wurde der Wille zur Zusammenarbeit hervorgehoben; und beim gemeinsamen Spaziergang im historischen Zentrum von Gabriels Heimatstadt wurde Cavusoglu von jubelnden Anhängern mit wehenden türkischen Fahnen begleitet.

Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist im vergangenen Jahr viel Porzellan zerschlagen worden – und Cevusoglu wollte bei seiner Goslar-Reise die Scherben wieder aufsammeln. Für einen „Neustart“ der deutsch-türkischen Beziehungen hatte er vor dem Besuch geworben und vor „Megafon-Diplomatie“ gewarnt – dabei ist er selbst nicht unbedingt als Mann der leisen Töne bekannt.

Im Streit um türkische Wahlkampfauftritte in Deutschland vor dem umstrittenen Verfassungsreferendum im April polterte er, Deutschland müsse „sich zu benehmen lernen“. Trotz scharfer Kritik in Europa griff er auch den Vorwurf von Präsident Recep Tayyip Erdogan auf, Deutschland wende mit dem Auftrittsverbot „Nazi-Methoden“ an. Bis heute sieht er keinen Grund, von dem Vergleich abzurücken.

Kein Grund zu türkischer Selbstkritik

Überhaupt sieht er wenig Grund zu Selbstkritik. Stattdessen wirft er den Deutschen vor, nicht begriffen zu haben, welches Trauma der Putschversuch von Juli 2016 in der Türkei verursacht habe.

Zugleich ist Cavusoglu ebenso wie Erdogan sichtlich bemüht, die Querelen des letzten Jahres hinter sich zu lassen. Europa bleibt der wichtigste Investor, und besonders Deutschland ist ein unverzichtbarer Handelspartner. Außerdem hat sich das ohnehin schwierige Verhältnis zu den USA weiter verschlechtert.

In Goslar bekräftigte Cavusoglu den Willen, das deutsch-türkische Verhältnis wieder auf Vordermann zu bringen. „Ja, es gibt Differenzen, es hat Probleme gegeben, sogar Spannungen und auch Eskalationen“, räumte er ein. „Aber wir sind uns doch einer Meinung und haben den gemeinsamen Willen, dass wir diese Spannungen, diese Differenzen, durch Dialog überwinden können.“

Außenminister Sigmar Gabriel (R) und der türkische Chefdiplomat Mevlut Cavusoglu in der Kaiserpfalz in Goslar. Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images

Cavusoglu gründete mit Erdogan die AKP

Für einen solchen Dialog ist Cavusoglu eigentlich gut geeignet: Der 49-Jährige spricht neben Englisch und Japanisch auch Deutsch und ist ein langjähriger Befürworter des EU-Beitritts der Türkei. Als er im August 2014 das Außenamt von Ahmet Davutoglu übernahm, weckte dies Hoffnungen, den stockenden Beitrittsprozess wiederbeleben zu können.

Cavusoglu, der aus dem südtürkischen Alanya stammt, hat in New York studiert und nach dem Erwerb eines Doktors in Internationalen Beziehungen an der renommierten London School of Economics geforscht. Dort lernte er auch seine Frau Hulya kennen, mit der er eine erwachsene Tochter hat.

Im August 2001 gründete er zusammen mit Erdogan die islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP). Wie die meisten AKP-Politiker verpasst der praktizierende Muslim selten ein Freitagsgebet. Cavusoglu saß über drei Legislaturperioden im Parlament. Von 2010 bis 2012 hatte er als erster Türke den Vorsitz der Parlamentarischen Versammlung des Europarats inne.

Als im Dezember 2013 mehrere Minister in Ankara wegen Korruptionsvorwürfen ihren Hut nehmen mussten, wurde Cavusoglu Europaminister. Schon 2014 sprach er sich für die von Erdogan angestrebte Einführung eines Präsidialsystems aus. Vor dem Referendum warb Cavusoglu mit großem Eifer für die Reform, die von der EU als Aushöhlung von Demokratie und Gewaltenteilung kritisiert wird.

Kritik an der Festnahme von Journalisten – unter ihnen „Welt“-Korrespondent Deniz Yücel – wegen Terrorvorwürfen wies Cavusoglu wiederholt zurück. „Wir müssen eine Unterscheidung treffen zwischen Terrorismus und politischem Aktivismus oder Journalismus“, sagte Cavusoglu einmal. (afp)



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