Reform in der Eurozone? Der „perfekte Sturm“ ist unterwegs – Europa bereitet sich auf den nächsten Crash vor

Bundesfinanzminister Olaf Scholz zeigt sich zufrieden mit den Ergebnissen des Eurozonen-Gipfels in Brüssel. Medienmanager Gabor Steingart hingegen hält die Reformversprechen für Staffage: Über tatsächliche Schritte zur Stabilisierung gäbe es keinen Konsens, man wolle offenbar nur angesichts der absehbaren Krise den Schaden minimieren.
Von 4. Dezember 2018

Wie mehrere Medien berichten, haben sich die Finanzminister der Eurozone in Brüssel in der Nacht zum Dienstag auf eine Reform der Währungsunion geeinigt. Details wurden noch nicht verlautbart, Deutschlands Bundesfinanzminister Olaf Scholz sprach jedoch von einem „guten Ergebnis“, das man nach knapp 16 Stunden Verhandlungen in der Eurogruppe erzielt habe.

Die Euroreform komme nach langen und komplizierten Verhandlungen „entscheidende Schritte voran“, zitiert ihn die „Tagesschau“. Auch der Vorsitzende der Eurogruppe, Mário Centeno, zeigte sich zufrieden.

Zweck der Verhandlungen war es, Maßnahmen zu treffen, um die Währungsunion gegenüber dem Risiko möglicher weiterer Bankenpleiten abzusichern. Außerdem soll der Euro-Rettungsfonds ESM gestärkt werden. Dem italienischen Staatshaushalt, der als Problemfall gilt, kam ebenfalls erhöhte Aufmerksamkeit zu.

Dem französischen Vorschlag, einen eigenen Haushalt für die Eurozone zu schaffen, wurden nur wenige Erfolgschancen eingeräumt. Demgegenüber soll es eine Einigung bezüglich der Steuer für Internetkonzerne zwischen Berlin und Paris gegeben haben. Insgesamt waren alle EU-Mitgliedsländer außer das vor dem Austritt stehende Großbritannien mit ihren Finanzministern bei den Verhandlungen vertreten.

„Labile Mechanismen bleiben erhalten“

Wenig überzeugt von den Verlautbarungen, der Eurozonen-Reformgipfel würde mehr Stabilität und Sicherheit für eine vertiefte Währungsunion schaffen, zeigten sich unterdessen publizistische Kritiker. Der langjährige Chefredakteur des Handelsblattes und heute unabhängige Medienmanager Gabor Steingart erwartete sich bereits im Vorfeld der Einigung keine entscheidenden Verbesserungen. In seinem „Morning Briefing“ schrieb er:

Doch in Wahrheit wurden da nicht die unhaltbaren, weil labilen Zustände in der Eurozone reformiert oder gar beseitigt, sondern neue Mechanismen installiert und mit Geld ausgestattet, die genau diese labilen Zustände verlängern.“

In dem Bericht, über den abgestimmt werden solle, gehe es um nichts weniger als eine „organisatorische und finanzielle Vorbereitung auf den großen Ernstfall“. Dieser „perfekte Sturm“, der längst unterwegs sei, werde voraussichtlich drei Stufen kennen.

Die erste davon wäre ein Zusammenbruch der Anleihemärkte. In weiterer Folge träten die heute schon absehbaren Liquiditätsengpässe einiger Banken offen zutage. Diese wiederum würden die Refinanzierungsschwierigkeiten jener Staaten ans Tageslicht bringen, die schon heute auf immer neue Liquiditätsspritzen angewiesen seien.

Bereits jetzt, so Steingart, werde der europäische Stabilitätspakt von elf der 19 Eurozonen-Staaten verletzt. Dies sei auch Scholz nicht verborgen geblieben. Die weltweite Verschuldung – von privaten und öffentlichen Haushalten, Finanzdienstleistern und übrigen Unternehmen zusammen – sei im Zeitraum von 2007 bis Ende 2017 um 42 Prozent gestiegen. Es sei die extensive Geldpolitik dieser Jahre, die irgendwann an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen müsse:

Die Notenbanken haben den Dollar und den Euroraum mit Billionen neu geschaffenem Notenbankgeld geflutet. Aktienmarkt und Häusermarkt neigen unter diesen Bedingungen zur Blasenbildung. Und jede Blase neigt zum Platzen.“

Verbindliche Verlustpuffer und Abbau fauler Kredite kein Thema

Aus diesem Grund, so Steingart, wären die europäischen Finanzminister gar nicht erst mehr so vermessen, solide Verhältnisse herstellen zu wollen. Sie wollten nur noch auf den Notfall vorbereitet sein – mithilfe einer neuen Kreditlinie für einen erweiterten Krisenmechanismus. Die Politik soll gar nicht erst die Möglichkeit haben, dazwischen zu funken:

Die Notfallplanung sieht vor, dass zusätzliche Milliarden innerhalb von zwölf Stunden – also über Nacht – vom Rettungsschirm in den Bankensektor gepumpt werden können. Die Befassung der nationalen Parlamente ist in diesem Szenario weder möglich noch erwünscht.“

Um dem Bankensystem die Sicherheit zu geben, die es brauchen würde, hätten die Verhandler hingegen völlig andere Schwerpunkte setzen müssen, unter anderem verbindliche Verlustpuffer bei den Banken und Vorgaben für den Abbau fauler Kredite. Diesbezüglich habe es aber keinen Konsens innerhalb der Runde gegeben. Steingart hält dies für eine Entwicklung, die Anlass zur Sorge gibt:

„Das Haus Europa wird von den Finanzministern als Kartenhaus gebaut. Der Schutzpatron dieses windschiefen Gebäudes ist nicht Ludwig Erhard, sondern der Heilige Schlendrian.“



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