Sebastian Kurz zu Türkis-Grün: „Klima und Grenzen schützen“ – Kopftuchverbot mit Kampf gegen Rechts erkauft?

Stimmen die Parteigremien der Grünen dem Koalitionsvertrag zu, wird Österreich die erste türkis-grüne Koalition auf Bundesebene erleben. Die designierte Justizministerin wurde in erster Instanz wegen übler Nachrede gegen einen jungen Burschenschafter verurteilt.
Von 2. Januar 2020

Um 21.50 Uhr des Neujahrstages verkündeten Österreichs designierter Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Parteisprecher des künftigen grünen Koalitionspartners, Werner Kogler, ihre Einigung auf einen Regierungspakt und die Besetzung der Ministerposten. Damit ist der Weg frei zur ersten türkis-grünen Regierungskoalition auf Bundesebene. Verläuft der weitere Weg programmgemäß, soll die neue Regierung am 7. Januar angelobt werden.

Am heutigen Donnerstag (2.1.) wollen Kurz und Kogler Bundespräsident Alexander van der Bellen die Details ihrer Einigung unterbreiten, am Nachmittag will man das Regierungsprogramm offiziell in der „Aula der Wissenschaften“ der Öffentlichkeit präsentieren.

Dass die Gremien von ÖVP und Grünen dem Koalitionsvertrag am morgigen Freitag ihren Segen geben werden, gilt als Formsache. Ein letzter Rest-Unsicherheitsfaktor ist am kommenden Samstag der Bundeskongress der Grünen, der ebenfalls der Vereinbarung zustimmen muss. Allerdings dürfte auch hier die Verlockung einer erstmaligen Regierungsbeteiligung der Ökosozialisten auf Bundesebene seit der auf 1986 datierenden Gründung in ihrer jetzigen Form zu groß sein, um das Projekt im letzten Augenblick noch scheitern zu lassen.

Steuern sollen trotz CO2-Verteuerung sinken

Kurz bemühte sich anlässlich der Verkündung der Einigung auch, diese als Win-Win-Situation sowohl für den Koalitionspartner als auch für jene 86 Prozent der Österreicher zu verkaufen, die den Grünen nicht ihre Stimme gegeben hatten.

Er sprach, wie die „Krone“ schreibt, von einem „exzellenten Ergebnis“ nach „nicht einfachen Gesprächen“. Am Ende würden sich beide Partner im Programm mit ihren inhaltlichen Ausrichtungen wiederfinden. Es sei „möglich, zugleich das Klima und die Grenzen zu schützen“. Dabei habe man nicht einmal nur einen Minimalkompromiss erzielt, sondern „das Beste aus beiden Welten“.

Kogler deutete an, man habe „für den Klimaschutz mehr weitergebracht, als wir uns gedacht haben“. Er deutete an, dass dies eine Ökologisierung des Steuersystems bedeuten könnte. Zudem freute er sich über ein „Transparenzpaket“, das die Auskunftspflichten von Behörden gegenüber der Öffentlichkeit erweitert, die künftige Prüfung der Parteifinanzen durch den Rechnungshof und Schritte zum „sozialen Ausgleich“.

Wie die „Presse“ weiß, haben sich die Grünen bereiterklärt, einer Reihe von Maßnahmen zuzustimmen, die ihren ideologischen Überzeugungen in vollem Umfang entgegenlaufen. Dazu zählen weitere Steuersenkungen im Zuge einer weiteren Steuerreform, eine Beibehaltung der bereits von der türkis-blauen Koalition in die Wege geleiteten Schritte und gar eine kräftige Erhöhung des Familienbonus. Der Freibetrag bei Kleinverdienern pro Kind steigt demnach von 250 aus 350 Euro pro Jahr, bei Besserverdienern von 1500 auf 1705 Euro. Die Grünen erhalten zwar ein „Klimaschutz-Superministerium“, ein Staatssekretär der ÖVP wird dort allerdings gleichsam als „Aufpasser“ fungieren.

Affront gegen bisherige grüne Unterstützer

Auch beim Kampf gegen illegale Einwanderung und den politischen Islam sollen die Grünen Kurz Rückendeckung gegeben haben. Unter Letztgenannten subsumiert die Volkspartei auch den Einsatz gegen das Kopftuch. Während die türkis-blaue Koalition das Kopftuchverbot für Schulkinder auf die Volksschulen (Grundschulstufen) beschränkt hatte, soll dieses nun erweitert werden und bis zum 14. Lebensjahr gelten.

Für die Grünen könnte das nicht unerhebliche Probleme in bisherigen Kernunterstützerschichten nach sich ziehen. Bis dato hatten in Österreich muslimische Verbandsfunktionäre und Interessensvertreter in der Öffentlichkeit überwiegend eine deutliche Nähe zu den Grünen zum Ausdruck gebracht. Diese Symbiose zwischen den eigentlich antireligiösen Ökosozialisten und islamischen Vereinigungen war auch einer der Gründe, warum der Alt-Grüne Peter Pilz 2017 seiner früheren Partei mit einer eigenen Liste Konkurrenz gemacht hatte. Seit Verkündung der Einigung herrscht dort weitgehend Funkstille.

Die islamische Bildungspolitikerin Sonia Zaafrani teilte auf Facebook gestern Abend noch einen Artikel aus dem „Kurier“, in dem es darum ging, dass das Tragen des Kopftuchs bereits in der Volksschule für viele Mädchen mit einer Stärkung der Persönlichkeit verbunden wäre.

Journalist Ruşen Timur Aksak ergeht sich in sarkastischen Statements in sozialen Medien und nimmt neben dem erweiterten Kopftuchverbot auch noch den Umstand ins Visier, dass die Grünen das Integrationsministerium der ÖVP überlassen haben. So schreibt er auf Facebook:

Mit einem schwarzen Integrationsministerium müssen sich IslamkritikerInnen (aus Deutschland etwa) endlich keine Sorgen mehr ums Finanzielle machen und brauchen auch keine Bordellbetreiber mehr um Darlehen bitten.“

Linksautoritäre Akzente im Justizministerium?

Dass die bis dato kaum für ausgeprägte Kompromissbereitschaft bekannten Grünen ihre Anhängerschaft aus den muslimischen Einwanderercommunitys ohne Weiteres für einen Regierungseintritt opfern würden, überrascht viele Beobachter. Deshalb wird vielfach davon ausgegangen, dass eine künftige Personalie in der Regierung die muslimischen und auch die links-fundamentalistischen Unterstützer der Partei besänftigen soll.

Neben elf Regierungsmitgliedern aus der ÖVP werden künftig vier den Grünen angehören. Neben Vizekanzler Kogler werden dies der seit Jahren in einer türkis-grünen Koalition auf Landesebene agierende Rudi Anschober als künftiger Minister für Soziales und Gesundheit, die künftige Umwelt- und Infrastrukturministerin Leonore Gewessler und die designierte Justizministerin Alma Zadic.

Diese war als Zehnjährige mit ihren Eltern aus dem Bosnienkrieg geflüchtet und hatte später in Wien und New York Rechtswissenschaften studiert. Später war sie unter anderem bei der International Organisation of Migration und als Praktikantin beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag tätig. Vor ihrem Wechsel zu den Grünen war sie für die Liste „Jetzt“, die ursprüngliche „Liste Peter Pilz“, in den Nationalrat gewählt worden.

Ihre Bestellung zur Ministerin weckt nun insbesondere im freiheitlichen Umfeld Argwohn, dass im Justizministerium künftig verstärkt linksautoritäre Akzente gesetzt werden könnten. Dafür spricht unter anderem, dass sie zu den am stärksten exponierten Kritikerinnen der Bestrebungen von Ex-FPÖ-Minister Herbert Kickl gehört hatte, tiefe Strukturen im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) an die Leine zu nehmen.

Druck auf Burschenschaften und Identitäre wird steigen

Vor allem aber wurde sie im November erstinstanzlich wegen „übler Nachrede“ zur Zahlung von 700 Euro verurteilt, weil sie einem jungen Burschenschafter der „Gothia“ implizit nachgesagt hatte, dieser habe linken Demonstranten den Hitlergruß entboten und zähle zu den „Neonazis, Faschisten und Rassisten“. Der Beschuldigte bestreitet, den verfassungswidrigen Gruß gezeigt zu haben, und beharrt darauf, er habe „nur einem Schulfreund zugewunken“. Dies scheint auch die Staatsanwaltschaft so gesehen zu haben: Ermittlungen gegen den Mann wurden eingestellt.

Dennoch dürfte mit der schwarz-grünen Koalition und Justizministerin Zadic der Druck auf deutschnational orientierte Vereinigungen wie akademische Burschenschaften und außerparlamentarische Bestrebungen der Rechten wie die „Identitäre Bewegung“ weiter steigen. Bis dato waren Versuche gescheitert, die umstrittene aktionistische Vereinigung als „kriminelle Organisation“ und deren Sprecher Martin Sellner als Unterstützer einer terroristischen Vereinigung zu brandmarken. Es ist nicht auszuschließen, dass der nächste Anlauf, Sellner und sein Netzwerk auszuschalten, über das ursprünglich zur Bekämpfung allfälliger neonationalsozialistischer Untergrundvereinigungen nach Kriegsende geschaffene Verbotsgesetz laufen könnte.



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