„Bevölkerungsaustausch“: Strache lässt in Zeitungsinterview „böses“ Wort fallen

Dass Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ den „rechtsextremen Kampfbegriff“ des „Bevölkerungsaustausches“ verwendet hat, hat auch in Deutschland für Aufsehen gesorgt – und all jene mobilisiert, die meinen, besser zu wissen, was er dabei gedacht habe, als er selbst.
Titelbild
Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 1. Mai 2019

Mit einer Aussage in einem Interview mit der „Kronen Zeitung“ hat Österreichs Vizekanzler Heinz-Christian Strache weit über die Landesgrenzen hinaus politischen Staub aufgewirbelt. Themen des Gesprächs waren unter anderem ein umstrittenes Gedicht eines mittlerweile aus der Partei ausgetretenen Provinzfunktionärs der FPÖ sowie die Kontroverse um ein aggressiv geführtes Interview mit dem Spitzenkandidaten der Partei zur Europawahl, Harald Vilimsky, im ORF.

Am Ende des Interviews erklärte Strache über die Reaktionen der Opposition auf diese Entwicklungen:

Oftmals sind jene, die glauben, anderen eine Grube graben zu können, diejenigen, die am Ende selbst in die Grube hineinfallen. Deshalb gehen wir den Weg für unser Heimatland Österreich, den Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch, konsequent weiter, wie es die Menschen von uns auch erwarten.“

Auf den Einwand, „Bevölkerungsaustausch“ sei „ein Begriff der rechtsextremen Szene“, sagte der Vizekanzler:

Das ist ein Begriff der Realität. Wir wollen nicht zur Minderheit in der eigenen Heimat werden. Das ist legitim und redlich und zutiefst demokratisch. Wer heute nicht links ist, wird automatisch als rechtsextrem diffamiert. Nur dort, wo jemand versucht, seine politischen Ziele mit Gewalt durchzusetzen, handelt es sich um Rechtsextremismus, der selbstverständlich in einer Demokratie nichts verloren hat.“

Sprach Strache von einem verschwörerischen Plan oder einem Prozess?

Dass Strache das Wort vom „Bevölkerungsaustausch“ verwendet hatte, hat in weiterer Folge bis ins Nachbarland Wellen geschlagen.

Uneingedenk des Umstandes, dass sich Schulmeisterungen vonseiten der „Piefkes“ [österreichischer Ausdruck für kapriziöse Westdeutsche] in der Alpenrepublik traditionell eher eingeschränkter Beliebtheit erfreuen, sah sich sogar der „Faktenfinder“ der „Tagesschau“ in Alarmbereitschaft versetzt und steuerte zu Straches „Sager“ eine ausführliche Analyse bei.

„Faktenfinder“ Patrick Gensing spannt darin einen Bogen von Straches Aussagen zu einer „Verschwörungstheorie“, wonach die Bevölkerung Europas durch Zuwanderer ausgetauscht werde. Neben „rassistischen“ Motiven mit Blick auf Zuwanderer ortet er dahinter auch noch antisemitische Untertöne. Der Theorie zufolge werde dieser „Austausch“ von „geheimen Strippenziehern wie beispielsweise dem jüdischen Multimillionär George Soros“ gesteuert.

Der Hinweis auf das Manifest des bekennenden Ökofaschisten und mutmaßlichen Attentäters von Christchurch, Brenton Tarrant, durfte ebenso wenig fehlen wie der in der breiten Öffentlichkeit weniger bekannte Umstand, dass es Theorien über einen geplanten Austausch der Bevölkerung in Deutschland bereits nach dem Zweiten Weltkrieg, über ein mögliches Aussterben des deutschen Volkes bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegeben habe. 

Sellner: FPÖ keine „Systempartei“, solange sie das Wort verwende

Nachdem sich Strache und die FPÖ in den letzten Wochen von der „Identitären Bewegung“ distanziert hatten, solidarisierte sich deren Chef Martin Sellner am Sonntag in einem YouTube-Video mit Strache und erklärte, solange der FPÖ-Chef noch vom „Bevölkerungsaustausch“ spreche, sei seine Partei keine „Systempartei“ – und keine neue Partei rechts von ihr erforderlich.

Allerdings hat Strache weder von einer Verschwörung noch von einem Plan zum „Bevölkerungsaustausch“ gesprochen. Die Tatsache, dass Österreich eine lange Geschichte als Vielvölkerstaat hat und deshalb von jeher durch unterschiedliche Einflüsse geformt wurde, ist auch in der historisch aus dem deutschnationalen Lager hervorgegangenen FPÖ bekannt. Allerdings kam der Großteil dieser Einflüsse von der Kelten- und Römerzeit bis zur slawischen Arbeitsmigration des 19. und 20. Jahrhunderts meist aus europäischen Ländern und Kulturen.

Strache spielt hingegen auf mögliche langfristige Konsequenzen einer demografischen Entwicklung an, die in stabiler Weise dadurch gekennzeichnet sind, dass in Europa Geburtenraten der autochthonen Bevölkerung drastisch im Sinken begriffen sind, während – wie auch der „Faktenfinder“ erklärt – Einwanderung „wellenförmig“ stattfindet. Tendenziell kommen diese größeren Einwanderungswellen jedoch aus nichteuropäischen Ländern, die auch nicht von europäischer Kultur geprägt sind.

Bis 2046 muslimischer Bevölkerungsanteil von 21 Prozent möglich

In diesem Sinne räumt auch Gensing ein, dass sich nach Angaben des Vienna Institute of Demography zwischen 2001 und 2017 der Anteil der Muslime in Österreich von vier auf acht Prozent auf derzeit 700 000 verdoppelt habe. Verschiedene Szenarien gehen zudem davon aus, dass sich deren Anteil bis 2046 auf zwölf bis 21 Prozent erhöhen könnte – bei allen Unsicherheiten, die mit Prognosen über eine künftige Bevölkerungsentwicklung verbunden sind.

Wie Conny Bischofberger in einem Kommentar für die „Krone“ andeutet, ist es jedoch nicht irgendeine Verschwörungstheorie über geheime Pläne zum „Bevölkerungsaustausch“, die Strache und seine Wähler beunruhigt. Vielmehr ist es der Umstand, dass sich mit dem Islam ein religiös-kulturelles System in vielen Teilen Österreichs ausbreitet, das nicht in jedem Fall eine Akkulturation gegenüber der österreichischen Mehrheitskultur sucht, sondern vielfach durch Abschottung davon und durch Dominanzgebaren gekennzeichnet ist. 

„Sich daheim fremd zu fühlen ist für viele Realität“, stellt Bischofberger fest und erklärt, dass sich bestimmte Entwicklungen durch nüchterne Fakten wiedergeben lassen, dazu allerdings auch eine Gefühlskomponente stoße, die durch Alltagserfahrungen geprägt sei. Sie schreibt:

Wer in den Nobelbezirken unserer Hauptstädte wohnt, kann vielleicht nicht nachvollziehen, dass sich Menschen in bestimmten Gegenden von Wien, Graz etc. in der Minderheit fühlen, weil zum Beispiel verhüllte Frauen das Straßenbild bestimmen oder in vielen Ecken nicht mehr Deutsch gesprochen wird.“

Politiker sollten deshalb nicht darüber reden, dass Strache einen umstrittenen Ausdruck verwendet habe, sondern über das real vorhandene Sentiment in vielen Teilen der Bevölkerung, das dahinterstehe.



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