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Absolute Mehrheit noch unsicher

Kanada: Liberale Partei unter Mark Carney siegt knapp – Abgrenzung zu Trump entscheidend

Trotz deutlicher Zugewinne der Konservativen unter Pierre Poilievre haben die regierenden Liberalen unter Mark Carney die Parlamentswahl in Kanada für sich entschieden. Ausschlaggebend waren taktisches Wahlverhalten und Carneys klare Abgrenzung von Donald Trumps außenpolitischen Ambitionen.

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Liberale Partei von Carney gewinnt Wahl in Kanada.

Foto: Sean Kilpatrick/The Canadian Press/AP/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Die Parlamentswahlen in Kanada am Montag, 28. April, endeten trotz deutlicher Zugewinne der oppositionellen Konservativen mit einem Sieg der regierenden Liberalen Partei. Einer Projektion von „CBC News“ zufolge wird Premierminister Mark Carney weiterregieren – obwohl seine Partei möglicherweise die absolute Mehrheit der Sitze knapp verfehlen wird.
In einem zum Ende hin stark auf die Spitzenkandidaten der großen Parteien zugespitzten Wahlkampf haben die Liberalen nach derzeitigem Stand 153 Stimmkreise sicher gewonnen. In 15 weiteren liegen sie voran. Das würde am Ende 168 von 343 Sitze bedeuten – ein Plus von 7. Von den abgegebenen Stimmen können die Liberalen 43,5 Prozent (plus 10,9) auf sich vereinen.
Die Konservativen haben 133 Stimmkreise sicher gewonnen und liegen in 11 voran. Im Popular Vote kommen sie auf 41,4 Prozent – ein Plus von 7,6 Punkten. Im Jahr 2021 gingen 119 Sitze an die Partei von Herausforderer Pierre Poilievre.

Taktisches Wählen sorgt für Debakel für linke Parteien

Dass es für die Liberalen, die zu Beginn des Jahres unter Führung von Justin Trudeau in den Umfragen noch abgeschlagen waren, doch noch zu einem Sieg reichte, hatte mehrere Gründe. Zum einen wurden zwei linksgerichtete Parteien durch taktisches Verhalten ihrer Anhänger zugunsten von Carneys Liberalen regelrecht pulverisiert.
So verlor die gewerkschaftsnahe NDP unter Jagmeet Singh nach derzeitigem Stand 18 ihrer vorherigen 25 Sitze und kam nur noch auf 6,2 Prozent der Stimmen (minus 11,6). Damit verlor die NDP auch ihren offiziellen Parteistatus, der an mindestens 12 Parlamentssitze gebunden ist. Singh kündigte noch am Wahlabend seinen Rücktritt an.
Aber auch der autonomistische frankophone Bloc Québécois verlor an Rückhalt. Er kam auf 6,4 Prozent (minus 1,3) und 23 Sitze. Die Grünen verloren ebenfalls einen ihrer bisherigen 2 Sitze an die Liberalen.

Liberale behalten Oberhand im urbanen Teil von Kanada

Zu Beginn der Auszählung konnten die Konservativen einen guten Start im atlantischen Teil Kanadas verbuchen. Sie gewannen den Sitz von Long Range Mountains im östlichen Neufundland. Dazu holten sie Zentral-Neufundland und führten knapp im bisher liberalen Stimmkreis Terra Nova-Halbinseln.
Jedoch gelang es den Liberalen, ihren Vorsprung in den Metropolen zu halten und teilweise sogar auszubauen. Mit Ausnahme von Calgary konnten die Konservativen in kaum einer der größten Städte Stimmkreise holen – auch, wenn sie im Umland von Toronto einige Achtungserfolge verbuchen konnten.
Ein weiterer entscheidender Grund für den Erfolg der Liberalen ist die rechtzeitige Ablösung des früheren Premiers Justin Trudeau. Dessen Beliebtheitswerte waren zum Ende des Vorjahres so miserabel, dass Umfragen die Liberalen zum Teil unter 15 Prozent und hinter der NDP sahen. Mark Carney ist es gelungen, in seinem Stil und seinem Auftreten den Eindruck einer Kontinuität zu vermeiden.

Carney will mit Trump reden – aber „andere Optionen“ im Auge behalten

Vor allem aber half es Carney, die Kontroversen zwischen der kanadischen Regierung und US-Präsident Donald Trump für sich zu nutzen. Dies hatte zur Folge, dass die innenpolitischen Probleme in Kanada – von der Sicherheit über die hohen Lebenshaltungskosten bis zu den Folgen der Netto-Null-Politik – in den Hintergrund rückten.
Carney beschwor die „Unabhängigkeit Kanadas“ im Angesicht der Trump-Vorschläge, das Land zum 51. Bundesstaat der USA zu machen. Zudem kündigte er an, im Zollstreit unnachgiebig zu bleiben. Am Wahlabend erklärte der Premier:
„Wenn ich mich mit Präsident Trump zusammensetze, werde ich über die künftigen Wirtschafts- und Sicherheitsbeziehungen zwischen zwei souveränen Nationen sprechen.“
Man werde sich dabei „in vollem Umfang bewusst sein, dass wir viele, viele andere Optionen haben, um Wohlstand für alle Kanadier zu schaffen“, fügte er hinzu.

EU-Annäherung bleibt symbolisch – LNG-Handel stark auf die USA fokussiert

Seit Beginn des Nachbarschaftskonflikts mit Trump waren die EU und Kanada stärker auf Tuchfühlung miteinander gegangen. Bei seinem Besuch im März in Paris hatte Carney zum Beispiel Kanada als „das europäischste aller nicht europäischen Länder“ bezeichnet. Einige europäische Politiker, darunter Deutschlands Ex-Vizepremier Sigmar Gabriel, hatten sogar eine mögliche Mitgliedschaft Kanadas in der EU ins Spiel gebracht.
Eine solche könnte unter anderem helfen, die Versorgung Europas mit LNG zu stabilisieren. Seit 2016 gibt es auch das Umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen EU-Kanada (CETA). Allerdings haben dieses derzeit erst 18 von 30 Partnern ratifiziert. Der US-Konsumentenmarkt ist zudem um ein Vielfaches größer als der kanadische.
Allerdings gibt es wenig, was es für die Europäer als realistisch erscheinen ließe, die Wirtschaftsbeziehungen und Versorgungspartnerschaften mit den USA zugunsten Kanadas zurückzufahren. Im Jahr 2023 stammten 84 Prozent des von Deutschland direkt bezogenen LNGs aus den USA. Die EU war insgesamt zu etwa 46 Prozent von US-amerikanischem LNG abhängig.

Innenpolitische Probleme in Kanada bleiben ungelöst

In Kanada plant man den Ausbau der LNG-Infrastruktur. Deren Bedeutung ist bislang allerdings gering, die Potenziale sind noch wenig erschlossen, und dort, wo produziert wird, liegt der Exportfokus auf asiatischen Märkten. Vorhaben wie das LNG-Canada-Projekt in Kitimat, das 2025 in Betrieb gehen soll, könnten jährlich etwa 19 Milliarden Kubikmeter liefern. Die USA hatten im Vergleich dazu allein im Dezember 2023 ungefähr 8,3 Milliarden Kubikmeter geliefert.
Die „Toronto Sun“ schreibt, ohne den Rücktritt Trudeaus und die stetigen Einwürfe Trumps hätte Kanada einen politischen Neuanfang erlebt. Die Liberalen hätten versucht, Carney als Kandidaten eines Wechsels zu inszenieren. Das sei dieser jedoch nicht. Die innenpolitischen Probleme blieben ungelöst:
„Wir haben den Leadsänger der Band ausgetauscht; wir haben aber weder die Band noch die Songs, die sie spielen, verändert. Kanada geht es heute nicht besser als gestern.“
 
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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