Psychiatrie in Bulgarien: Isoliert und vergessen

Die Psychiatrie in Bulgarien hat sich seit dem Ende der kommunistischen Herrschaft kaum verändert – es fehlt am Nötigsten. Auch das UN-Komitee gegen Folter kritisiert den Umgang mit psychiatrischen Patienten in Bulgarien.
Titelbild
Am 19. Juli 2018 bei einer Inspektion der European Psychiatric Association (EPA) im psychiatrischen Krankenhaus in Kurilo bei Sofia.Foto: NIKOLAY DOYCHINOV/AFP/Getty Images
Epoch Times9. September 2018

Das Haus ist baufällig, die Fenster sind vergittert und das Personal ist viel zu knapp. Etwa hundert psychisch kranke Menschen fristen in der Psychiatrie in Kurilo nahe Sofia ihr Dasein. Es gibt nichts zu tun für sie, weder Therapien noch Arbeit.

Die Klinik in Kurilo sei keine Ausnahme, sagt die Direktorin Zweteslawa Galabowa. Sie sei vielmehr „repräsentativ“ für den Zustand der Psychiatrien in Bulgarien. Elf der zwölf psychiatrischen Krankenhäuser liegen in abgeschiedenen Orten wie Kurilo. Das ist ein Erbe aus der Zeit des Kommunismus, in der psychisch Kranke versteckt wurden, damit sie nicht das propagierte Bild des sozialistischen Paradieses störten.

Fast 30 Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft hat sich für die Patienten wenig geändert. In Kurilo fehlt es selbst am Allernötigsten: Das etwa hundert Jahre alte Gebäude bietet weder Schutz vor der sommerlichen Hitze noch vor der Kälte im Winter. 20 Patienten müssen sich eine Toilette teilen. Das einzig Schöne ist der üppig grüne Park. „Aber der kann auch keine Schizophrenie lindern“, bemerkt Galabowa sarkastisch.

Nach der Wende wurde die Psychiatrie nicht reformiert

„Bulgarien ist das einzige Land des ehemaligen Ostblocks, das seine Psychiatrien nicht reformiert hat“, sagt Psychiater Drosdstoi Stojanow, der als Berater im Gesundheitsministerium arbeitet. Zudem würden psychisch Kranke immer noch von der Gesellschaft stigmatisiert, „selbst von Ärzten“. Stojanow hat Vertreter des Europäischen Verbandes für Psychiatrie (EPA) nach Bulgarien eingeladen, um das Land bei einer Reform zu beraten. Gemeinsam besichtigen sie die Klinik in Kurilo.

„Es ist extrem gefährlich für die körperliche und geistige Gesundheit, stundenlang nichts zu tun“, sagt EPA-Päsidentin Silvana Galderisi angesichts der Situation in der Klinik.

Auch das UN-Komitee gegen Folter kritisiert den Umgang mit psychiatrischen Patienten in Bulgarien. Häufig würden sie unnötigerweise und gegen ihren Willen in Einrichtungen gebracht, heißt es in einem Bericht vom vergangenen Jahr. Auch gebe es keine unabhängige Überwachung der Kliniken.

Das UN-Komitee bemängelt zudem, dass die Kranken allein durch die Lage der Psychiatrien von ihrem vertrauten Umfeld isoliert werden. Klinik-Direktorin Galabowa hat sich bislang vergeblich bei den Behörden darum bemüht, die Psychiatrie in die Stadt zu verlegen.

Ein Psychiater verdient 450 Euro – pro Monat

Auch um mehr Geld und Personal kämpfen die Psychiatrien ohne Erfolg. „Unser Budget ist lächerlich und absurd“, sagt Maja Stoimenowa, die die Psychiatrie der Uniklinik Plewen im Norden Bulgariens leitet. Eine Krankenschwester bekommt umgerechnet 250 Euro im Monat, ein Psychiater 450 Euro. Viele bulgarische Ärzte wandern in andere EU-Länder ab, wo sie ein Vielfaches verdienen.

Unter dem Druck der EU und der Vereinten Nationen hat die Regierung nun einige Verbesserungen für psychisch Kranke in Aussicht gestellt. Zehn psychiatrische Einrichtungen sollen innerhalb der nächsten drei Jahre geschlossen und durch Tageskliniken in der Nähe des Wohnortes der Patienten ersetzt werden.

Bislang kommen nur zwei Prozent des bulgarischen Gesundheitsbudgets psychisch Kranken zu Gute. Dieser Anteil müsse auf zehn Prozent steigen, fordert die EPA. Für eine erfolgreiche Reform der Psychiatrie sei aber nicht nur mehr Geld nötig, sagt EPA-Präsidentin Galderisi. „Entscheidend ist der politische Wille.“ (afp)



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