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Analyse

plus-iconDen Haag vor politischem Umbruch

Von Asylstreit bis Wohnungskrise: Diese Themen entscheiden die Wahl in den Niederlanden

Am Mittwoch wählen die Niederländer ein neues Parlament. Nach dem Bruch der Regierung unter Übergangspremier Dick Schoof steht das Land vor einem politischen Neuanfang – und einem Wettlauf um die Mitte. Die PVV von Geert Wilders dürfte stärkste Kraft bleiben. Allerdings muss sie mit Stimmenverlusten rechnen – und dürfte nicht mehr Teil einer Koalition werden.

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Die Niederlande wählen an diesem Mittwoch ein neues Parlament. (Archivbild)

Foto: Peter Dejong/AP/dpa

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Lesedauer: 7 Min.


In Kürze:

  • In den Niederlanden finden am 29. Oktober vorgezogene Parlamentswahlen statt. Das Kabinett Schoof ist zerbrochen.
  • Geert Wilders’ PVV verliert laut Umfragen deutlich an Rückhalt.
  • Sozialdemokrat Frans Timmermans gilt als Favorit auf das Amt des Premierministers.
  • Themen wie Wohnen, Inflation und Gesundheitskosten verdrängen die Asylpolitik.

 
In den Niederlanden finden am Mittwoch, 29. Oktober, vorgezogene Parlamentswahlen statt. Eigentlich hätte das Kabinett unter dem parteilosen Premierminister Dick Schoof bis 2028 regieren sollen. Nach nicht einmal zwei Jahren waren allerdings schon zwei der vier Koalitionspartner aus dem Regierungsbündnis ausgestiegen. Der Rücktritt der Regierung und die Ansetzung von Neuwahlen blieben vor diesem Hintergrund unausweichlich.

Niederlande stehen vor politischem Wechsel

Schon jetzt steht fest: Die Niederlande werden einen neuen Regierungschef bekommen. Der Geheimdienstoffizier Schoof wird, obwohl er deutlich bessere Beliebtheitswerte als sein Kabinett aufwies, nicht mehr für ein politisches Amt zur Verfügung stehen. Er wird als Übergangsregierungschef nur noch im Amt bleiben, bis ein neues Kabinett feststeht. Bis dahin wird er im noch erforderlichen Ausmaß die Geschäfte führen.
Eine weitere Entwicklung zeichnet sich bereits jetzt ab. Während in vielen anderen europäischen Ländern die politischen Ränder stärker werden, deuten Umfragen im Vorfeld der Wahl auf eine Stärkung der Mitte hin. Zwar kann der Führer der rechten Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders, damit rechnen, weiterhin stärkste politische Kraft im Land zu bleiben, allerdings wird die PVV voraussichtlich nicht nur deutlich hinter den 33 Prozent Stimmenanteil bleiben, auf die sie noch im Frühjahr 2024 zählen konnte. Meinungsforscher sehen die Wilders-Partei bei 19 Prozent und damit auch deutlich unter dem Ergebnis von 24 Prozent bei den Parlamentswahlen 2023.

Déjà-vu mit Blick auf 2012?

Wilders hatte im Juni die Regierungskoalition verlassen, weil seine Partner nicht bereit waren, die Maximalforderungen der PVV in der Asylpolitik mitzutragen. Diese hatte das „strengste Asylsystem in der Geschichte der Niederlande“ gefordert. Allerdings hatte der Staatsrat, ein wichtiges juristisches Beratungsgremium, Teile des Konzepts als unpraktikabel verworfen.
Der PVV-Chef ließ daraufhin das Regierungsbündnis platzen. Er rechnete offenbar damit, dass im erwartbaren Fall von Neuwahlen die Asylthematik den Wahlkampf dermaßen dominieren würde, dass er mit einem noch stärkeren Führungsauftrag ausgestattet werde. Diese Erwartung hat sich jedoch nicht erfüllt.
Ähnlich wie 2012, als Wilders das Kabinett Rutte I infolge einer Rentendebatte sprengte, brachte ihm das Manöver keinen Rückenwind. Stattdessen schlossen die meisten übrigen politischen Kräfte eine künftige Zusammenarbeit mit ihm aus. Auch im Vorfeld der Wahl vom Mittwoch schlossen die übrigen führenden Kräfte des Landes eine erneute Einbindung der PVV aus.

Christdemokraten können sich regenerieren – NSC vor völligem Zerfall

Als – wenn auch nur leichter – Favorit auf das künftige Amt des niederländischen Premierministers gilt der Sozialdemokrat Frans Timmermans. Zwar liegt sein rot-grünes Bündnis ebenfalls gerade einmal bei 16 Prozent und damit auf etwa dem gleichen Level wie 2023, allerdings wäre damit zu rechnen, dass er eine Regierungsbildung in Angriff nehmen würde, sollte er auf dem zweiten Platz landen.
Ob dies der Fall sein wird, wird unter anderem von dem Ergebnis der Christdemokraten abhängen. Die vor zwei Jahren komplett unter die Räder gekommene Traditionspartei konnte sich von damals gerade mal noch 3 auf mittlerweile 15 Prozent regenerieren. Sollte es ihr gar gelingen, die Sozialdemokraten abzufangen, könnte auch Henri Bontenbal einen Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erheben.
Des einen Freud, des anderen Leid: Im Jahr 2023 ging die Schlappe der Christdemokraten nach dem unrühmlichen Ende der zentristischen Koalition 2023 mit dem Aufstieg des Neuen Gesellschaftsvertrages (NSC) einher. Die Partei von Pieter Omtzigt kam aus dem Stand auf 13 Prozent.
Allerdings zeigten sich ihre Regierungsvertreter überfordert. Omtzigt stieg wegen Burn-outs aus der Politik aus. Seine Nachfolger verließen die Regierung, weil sie mit dem Versuch scheiterten, Sanktionen gegen Israel durchzusetzen. Mittlerweile ist nicht einmal mehr sicher, ob der NSC überhaupt noch auf die erforderlichen etwa 0,67 Prozent der Stimmen kommen wird, um noch ein Mandat zu erhalten.

Kleinere rechte Parteien könnten von Schwäche der Wilders-Partei profitieren

Anders als der NSC könnten die weiteren ehemaligen Partner innerhalb der Rechtskoalition noch mit einem blauen Auge davonkommen. Die rechtsliberale VVD wird bei 12 Prozent der Stimmen gehandelt. Das wäre ein Minus von etwa 3 Prozentpunkten gegenüber 2023. Allerdings könnte die VVD für eine Koalitionsbildung gebraucht werden. Die Bürger- und Bauernbewegung, die vor zwei Jahren vor allem an Wilders verloren hatte und nur noch auf 5 Prozent kam, könnte weiter abbauen, aber noch im Parlament vertreten bleiben.
Die linksliberalen Democraten’66 hoffen mit ihrem Spitzenkandidaten Rob Jetten auf einen Überraschungserfolg. Umfragen sahen sie zuletzt bei 12 Prozent, was ein mehr als doppelt so hohes Ergebnis wie 2023 wäre. Auf der Rechten dürfen die Listen JA21 und das Forum voor Democratie, die vor zwei Jahren hinter den Erwartungen zurückblieben, von dem Abschwung der PVV profitieren.
Auf Mandate dürfen noch bis zu sieben weitere Parteien hoffen. Darunter befinden sich die ehemals maoistischen Sozialisten, die islamisch geprägte DENK, die calvinistischen Parteien SGP und ChristenUnie, die Tierschutzpartei, Volt und Rentnerpartei 50+. Für künftige Koalitionen dürften sie jedoch kaum gebraucht werden.

Asyl nicht mehr das wichtigste Thema in den Niederlanden

Im Wahlkampf spielte das Thema Asyl zwar noch für 36 Prozent der Wähler eine wichtige Rolle, allerdings machen sich mittlerweile mehr Niederländer Sorgen um die Kosten für das Wohnen und das knappe Angebot auf dem Immobilienmarkt. Zudem haben auch Mitte-links-Politiker wie Frans Timmermans das Thema der Zuwanderung aufgegriffen und fordern jährliche Zuzugsgrenzen zwischen 40.000 und 60.000 Personen.
Weitere Themen, die Wähler in den Niederlanden bewegten, waren Wirtschaftsflaute, Inflation, hohe Steuern und Lebenshaltungskosten sowie die Gesundheitsversorgung. Während Parteien wie VVD und PVV auf Einsparungen setzen, versprechen die Sozialdemokraten Problemlösungen durch öffentliche Investitionen.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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