Lauterbach kündigt bundesweiten Start an
Digitalisierung im Gesundheitswesen: Elektronische Patientenakte ab 29. April für alle
Noch kurz vor seinem Abschied aus dem Amt treibt Gesundheitsminister Lauterbach eines seiner Großprojekte voran: Ab dem 29. April soll die elektronische Patientenakte bundesweit verfügbar sein. Während der Minister von einem „Meilenstein“ für die Digitalisierung spricht, bleiben kritische Stimmen von Verbraucherschützern, Ärzten und Datenschützern.

Lauterbach sagt, die Daten der Bürger seien sicher.
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa-Pool/dpa
Noch kurz vor dem Regierungswechsel rechnet der scheidende Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mit der Umsetzung eines seiner Großprojekte. Ab Dienstag, 29. April, wird die elektronische Patientenakte (ePA) deutschlandweit genutzt werden können. Dies geht aus einem Brief des Ministers hervor, von dem die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag Kenntnis erlangte. Lauterbach wird der künftigen Bundesregierung nicht mehr angehören.
Lauterbach sieht technische Voraussetzungen für ePA sichergestellt
Die bisherige „intensive Testung“ in den Modellregionen habe gezeigt, dass „die Technik einsatzbereit ist“. Es sei deshalb, so schrieb er an die Digitalagentur gematik, „an der Zeit, in die entscheidende Phase einzutreten“. Gematik ist für die technische Umsetzung der ePA verantwortlich. Zu ihren Gesellschaftern gehören Bundesärztekammer, Deutsche Krankenhausgesellschaft und Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Bereits seit dem 15. Januar des Jahres ist die ePA in drei Modellregionen im Einsatz – dies sind Hamburg, Franken und Teile von Nordrhein-Westfalen. Etwa 300 Gesundheitseinrichtungen nehmen bereits jetzt teil. Über den konkreten bundesweiten Starttermin hatte es zuletzt Spekulationen gegeben. Ursprünglich sollte die ePA bereits Mitte Februar zur Verfügung stehen.
Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sei in die Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen eingebunden gewesen. Nun soll die bundesweite Einführung „schrittweise“ erfolgen. Arztpraxen sind ab 1. Oktober verpflichtet, die ePA zu nutzen. Ab dem 1. Januar 2026 drohten Ärzten, die nicht auf das neue System eingestellt sind, sogar Sanktionen.
GKV: „Riesenschritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Gesundheitswesens“
Die ePA wird seit Januar 2025 automatisch für alle gesetzlich Krankenversicherten angelegt, die dieser nicht widersprochen haben. Bis dato war die ePA auf freiwilliger Basis nutzbar. Sie soll künftig zentral alle Diagnosen, Befunde, Arztbriefe, Medikationspläne, Impfdokumentationen oder sonstige Gesundheitsdaten digital erfassen.
Berechtigte Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser sollen darauf Zugriff erhalten. Dies soll es möglich machen, effizienter zu behandeln, Doppeluntersuchungen zu vermeiden und im Notfall schnell lebenswichtige Informationen abzurufen. Versicherte können die Nutzung über eine App ihrer Krankenkasse steuern, Zugriffsrechte verwalten, Dokumente hochladen oder Daten löschen.
Auch ein nachträglicher Widerspruch bleibt jederzeit per App, telefonisch, schriftlich oder online möglich – die gespeicherten Daten müssen dann gelöscht werden.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nannte die ePA im Februar einen „Riesenschritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Gesundheitswesens und eine große Chance, die Versorgung der Menschen nachhaltig zu verbessern“.
Seit Januar habe man etwa 70 Millionen elektronischer Patientenakten bereitgestellt, heißt es in dem Brief Lauterbachs. Damit sei „ein erster Meilenstein erreicht“ worden.
Ärzte kritisieren umständliche Handhabung, CCC warnt vor Hacking
Von unterschiedlicher Seite war der Einführungsprozess der ePA jedoch auch kritisch begleitet worden.
So zweifeln Verbraucherschützer an, dass Krankenkassen neutral über die ePA informieren. In ihren Schreiben dazu würden potenzielle Risiken ausgeklammert, äußerte der Verbraucherzentrale Bundesverband. Ärzte bemängelten mehrfach technische Hürden, fehlende Software-Updates und eine umständliche Handhabung, was der Akzeptanz schade. Der Hausärzteverband Sachsen-Anhalt äußerte, die Testphase sei zu kurz gewesen, um die ePA reibungslos in den Praxisalltag zu integrieren.
Der Chaos Computer Club (CCC) wies im Dezember 2024 zudem auf potenzielle Schwachstellen hin, die als potenzielle Angriffsfläche für Hacker dienen könnten. Auf einem Hacker-Kongress präsentierten zwei IT-Sicherheitsexperten, wie sie ohne viel Aufwand auf alle 70 Millionen Patientenakten zugreifen könnten. Laut CCC, bestehen diese Sicherheitslücken trotz Updates weiter.
Heikle Daten müssen proaktiv aus ePA gelöscht werden
Das Bundesgesundheitsministerium und gematik erklärten daraufhin, weitere Maßnahmen zum Schutz der ePA veranlasst zu haben. Zu diesen zählten zusätzliche Verschlüsselung, Monitoring und eine Sensibilisierung der Nutzer. Eine Analyse des Fraunhofer-Instituts für sichere Informationstechnologie habe zudem ein vertretbares Risiko bescheinigt.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber und Verbraucherschützer bemängeln zudem das automatische Anlegen der Akte. Sowohl was der Widerspruch insgesamt als auch die Sperre oder Löschung bestimmter heikler oder potenziell stigmatisierender Informationen anbelangt, müssten Betroffene von sich aus aktiv werden. Gleichzeitig mache die ePA Menschen ohne oder mit wenig digitaler Kompetenz stärker von fremder Unterstützung abhängig.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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