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Koalitionsausschuss

Milliardenkürzung beim Bürgergeld geplant – Kommt die Stromsteuersenkung für alle?

Beim Koalitionsausschuss am 2. Juli prallen unterschiedliche Auffassungen über Einsparpotenziale im Sozialetat und die Finanzierung von Stromsteuererleichterungen aufeinander. Die Union fordert eine Reform des Bürgergelds – mit strengeren Regeln und weniger Ausgaben. Die SPD mahnt zur Besonnenheit.

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Die schwarz-rote Koalition will beim Bürgergeld sparen.

Foto: dts Nachrichtenagentur

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Lesedauer: 6 Min.

Am Mittwoch, 2. Juli, wird der Koalitionsausschuss in Berlin tagen. Die Spitzen von CDU, CSU und SPD wollen dabei unter anderem über Einsparungsziele sprechen. Die Union will dabei insbesondere über die Stromsteuer sprechen – und über Einsparungen im Sozialbereich.
Die Stromsteuer soll das produzierende Gewerbe entlasten. Als Schwellwert ist das Überschreiten eines Stromverbrauchs von 12,5 Megawattstunden bzw. einer jährlichen Stromsteuer von mindestens 250 Euro festgelegt worden. Damit wären auch kleine Betriebe wie Bäckereien, Metzgereien, Handwerk, Bau und Wasserwirtschaft davon profitieren. „Potenziell sprechen wir von etwa 600.000 Unternehmen“, so Regierungssprecher Stefan Kornelius.

Gesamtausgaben für Bürgergeld auf bis zu 46 Milliarden Euro geschätzt

Sparen will die Koalition nun beim Bürgergeld. Man habe „zu hohe Kosten beim Bürgergeld und anderen vergleichbaren Ausgaben“, sagte CSU-Chef Markus Söder. Niemand wolle den Sozialstaat „schreddern“, aber in diesem Bereich sei ein „grundlegendes Update“ erforderlich. Unionsfraktionschef Jens Spahn ergänzte im „Spiegel“, die Kosten für das Bürgergeld „laufen mit über 50 Milliarden Euro aus dem Ruder“.
1,5 Milliarden Euro sollen nach dpa-Informationen nach ersten Plänen im nächsten Jahr eingespart werden, später soll die Sparsumme auf 4,5 Milliarden Euro steigen. Zunächst sollen demnach Sanktionen verschärft werden. Dann solle eine grundsätzliche Reform mit einer Neuberechnung der Regelsätze folgen.
Der Planwert der Bundesausgaben für das Bürgergeld im Jahr 2025 liegt bei insgesamt etwa 36 Milliarden Euro. Direkt für die Regelsätze sind dabei etwa 25 Milliarden Euro vorgesehen. Weitere 11 Milliarden Euro werden als Beteiligung an den Unterkunftskosten veranschlagt. Allerdings belaufen sich Schätzungen, die auch Unterkunfts- oder Verwaltungskosten beinhalten, die Länder und Kommunen tragen, auf insgesamt bis zu 46 Milliarden Euro.
In der Tendenz hatten sich die Ist-Ausgaben des Bundes für Arbeitslosengeld II, Sozialgeld und Bürgergeld in der Zeit zwischen 2010 und 2022 in einem relativ stabilen Rahmen gehalten. Dieser bewegte sich zwischen 18,9 und 22,28 Milliarden Euro, wobei es nach 2010 eine längere Abwärtsbewegung gegeben hatte. Erst nach 2022 hatte sich ein deutliches Plus bei den Kosten abgezeichnet, wobei der Ukraine-Krieg und die Inflation eine bedeutende Rolle spielten.

Was die Koalitionsspitzen vereinbart hatten

Im Koalitionsvertrag war die Senkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß als „Sofortmaßnahme“ zur Entlastung der Bevölkerung vorgesehen. Nun heißt es aus dem Bundesfinanzministerium, es sei vorerst lediglich eine Senkung für energieintensive Industrieunternehmen machbar.
Bezüglich des Bürgergeldes sieht die Koalitionsvereinbarung ebenfalls deutliche Verschärfungen vor. Beide Koalitionsparteien sind sich einig über eine grundlegende Umwandlung hin zu einer „Neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende“. Diese soll unter anderem das Prinzip „Fördern und Fordern“ betonen – die Vermittlung in Arbeit soll wieder Vorrang haben. Ursprünglich sollte das unter Kanzler Olaf Scholz eingeführte Bürgergeld der Weiterbildung einen größeren Stellenwert einräumen.
Dazu kommen verschärfte Mitwirkungspflichten und Sanktionen bis hin zum vollständigen Entzug der Leistungen. Diese sollen auch schneller umgesetzt werden können. Die Regelsätze sollen zudem auch an die Praxis vor der Corona-Pandemie angepasst werden. Die Lohn- und Preisentwicklung wird dabei weniger direkt berücksichtigt. Die Ampelregierung hatte stattdessen versucht, die Höhe der Regelsätze prognostisch an die Inflation anzupassen.

Union für besonders strenge Regeln – SPD für bessere Ausstattung der Jobcenter

Weitere Verschärfungen, über die Konsens zwischen den Koalitionspartnern besteht, betreffen die Kopplung des Schonvermögens an die Lebensleistung und eine strengere Bedürftigkeitsprüfung in der Anfangsphase. Zudem soll ein vollständiger Datenaustausch zwischen Sozial-, Finanz- und Sicherheitsbehörden helfen, Sozialmissbrauch zu vermeiden.
Differenzen bezüglich der Veränderungen beim Bürgergeld gibt es zwischen den Koalitionspartnern noch in Randbereichen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann fordert ein vollständiges Ende für den Leistungsbezug bei wiederholter Ablehnung zumutbarer Arbeit. Außerdem tritt er für eine besonders strikte Prüfung bei Bedürftigkeit und Schonvermögen ein.
Die SPD hingegen mahnt zu Augenmaß und Besonnenheit. Sie will den Fokus der Reformen auf Verhältnismäßigkeit und Praktikabilität in der Umsetzung richten. Außerdem hält sie zusätzliche Mittel für eine bessere Ausstattung der Jobcenter für wichtiger als schärfere Kontrollen und Sanktionen.

Studie des Vereins Sanktionsfrei will Mythen über Bürgergeld kontern

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Jahr 2023 sprechen von insgesamt 201.465 Sanktionen im Zeitraum von Januar bis November jenes Jahres. Mehr als 80 Prozent hätten dabei Meldeversäumnisse betroffen – und damit einen Bereich, in dem vollständige Streichungen der Leistung im Lichte bisheriger Rechtsprechung kaum in Betracht kommen.
Im gleichen Zeitraum summierte sich die Zahl der Fälle, in denen Bürgergeldempfänger zumutbare Maßnahmen abgelehnt hatten, auf 13.838 Personen. Umfasst waren dabei Arbeit, Ausbildung, Weiterbildungen oder Beschäftigungsmaßnahmen. Angaben der Arbeitsagenturen und Jobcenter zufolge machen Fälle sogenannter Totalverweigerung maximal 2 Prozent der sanktionierten Fälle aus.
Einer Studie des Vereins Sanktionsfrei zufolge reichen die Regelsätze beim Bürgergeld kaum für ein würdevolles Leben aus. Insbesondere Extraausgaben wie Stromnachzahlungen oder defekte Haushaltsgeräte lassen Betroffene schnell an die Grenzen ihres finanziellen Spielraums stoßen.
Zudem wollen 74 Prozent der 1.014 Befragten so schnell wie möglich in die Lage kommen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Viele schämten sich dafür, Bürgergeld zu beziehen. Gleichzeitig sei nur ein Drittel der Befragten zuversichtlich, Arbeit zu finden. In vielen Fällen schafften körperliche Einschränkungen oder psychische Belastungen Nachteile bei der Arbeitssuche.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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