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Debatte über Rentenreform

Früh einzahlen - früher raus? Bas offen für Südekum-Modell zum Rentensystem

Nach der kontroversen Verabschiedung des Rentenpakets signalisiert die Bundesregierung Reformbereitschaft: Der Vorschlag des Ökonomen Jens Südekum das Rentenalter an die Zahl der Beitragsjahre zu koppeln, rückt in den Fokus – begleitet von Zustimmung, Kritik und vielen offenen Fragen.

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Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas äußert Sympathien für das Südekum-Modell. (Archivfoto)

Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Lesedauer: 7 Min.


In Kürze:

  • Nach Verabschiedung des Rentenpakets zeigt die Koalition Reformwillen.
  • Ökonom Südekum schlägt eine Kopplung des Rentenalters an die Beitragsjahre vor.
  • Ministerin Bas findet das Modell „spannend und gerechter“.
  • Experten warnen vor neuen Ungleichheiten.

 
Nach der teilweise von Kritik aus den eigenen Reihen begleiteten Verabschiedung des Rentenpakets am Freitag, 5. Dezember, im Bundestag beabsichtigt die Koalition nun offenbar, ihren Reformwillen zu beweisen.
Zwar ist die Rentenkommission, die Vorschläge für eine umfassende Rentenreform ausarbeiten soll, noch nicht eingesetzt, doch hat Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) bereits anklingen lassen, dass die jüngste Idee des Ökonomen Jens Südekum Gegenstand ihrer Beratungen sein wird. Diese läuft auf eine deutliche Anhebung des Renteneintrittsalters hinaus.

Nach dem Südekum-Modell keine festen Alterszahlen mehr relevant

Südekum, der zum Beraterstab von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) gehört, hat eine Kopplung des Rentenalters an die Beitragsjahre gefordert. Gegenüber „BILD“ erklärte er, eine generelle Anhebung des Renteneintrittsalters, etwa auf 70 Jahre, sei falsch. Stattdessen sei die Lebensarbeitszeit die relevante Stellschraube:
„Besser ist es, den Renteneintritt nicht an eine starre Alterszahl zu koppeln, sondern an eine Mindestanzahl von Beitragsjahren.“
Da die Masse der Babyboomer erst jetzt ins Rentenalter eintrete, stehe die große finanzielle Belastung für das gesetzliche Rentensystem erst bevor. Ökonomen hatten deshalb – auch aufgrund der steigenden Lebenserwartung und der immer ungünstiger werdenden Demografie – tiefgreifende Reformen gefordert.
Eine Anhebung des Renteneintrittsalters würde die Bezugsdauer reduzieren und das System der gesetzlichen Rente damit entlasten. Zudem könnte eine Maßnahme dieser Art dazu beitragen, das Absinken des Rentenniveaus zu bremsen. Aufgrund des anhaltenden Geburtenrückgangs bei gleichzeitig steigender Zahl der Rentenbezieher wächst der Druck auf die Rentenkassen immer weiter.

Bas: „Mutige Entscheidungen“ zur Sicherung des Rentensystems nötig

Rückenwind bekommt Südekum mittlerweile von Ministerin Bas selbst. Am Sonntag erklärte sie in der ARD, sie finde eine Kopplung des Renteneintritts an die Zahl der Beitragsjahre „spannend und auch gerechter“. Sie könne dem Vorschlag des Ökonomen viel abgewinnen.
„Wer früh einzahlt, kann dann auch früher gehen, und die, die erst später einzahlen, wissen, dass sie dann länger arbeiten müssen.“
Bas wies darauf hin, dass Akademiker erst deutlich später beginnen, in die Rentenkasse einzuzahlen, als junge Menschen, die schon mit 16 oder 18 Jahren dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünden. Der Südekum-Vorstoß werde zweifellos auch in der Rentenkommission diskutiert, fügte sie hinzu.
Die Ministerin betonte, dass „mutige“ Entscheidungen erforderlich sein werden. Es werde nicht ausreichen, „nur an zwei Schräubchen zu drehen“. Im Bereich der gesetzlichen Rente sei vielmehr „ein ganz neues System“ erforderlich.
Der Südekum-Ansatz hätte zur Folge, dass jeder, der früher ins Berufsleben starte, auch früher aufhören könne. Wer später einsteige, wie es typischerweise bei Akademikern der Fall sei, müsse sich auch auf einen späteren Renteneintritt einstellen.

Fratzscher sieht „männliche, gut bezahlte Industriearbeiter“ durch Südekum-Modell bevorzugt

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, übte Kritik an dem Vorschlag. Es schaffe „neue Ungerechtigkeiten im Rentensystem“ und werde zu einer „stärkeren Umverteilung von Arm zu Reich und von Frauen zu Männern“ führen. Ähnlich wie bei der abschlagsfreien vorzeitigen Rente nach 45 Beitragsjahren würden vorwiegend „männliche, häufig gut bezahlte Industriearbeiter“ von der Regelung profitieren.
Die einst als „Rente mit 63“ bekannt gewordene Regelung zum vorzeitigen Renteneintritt sollte es Personen dieser Gruppe ermöglichen, die lange Zeit körperlich anstrengende Arbeit verrichtet haben, früher in Rente zu gehen. Dies trifft in erster Linie auf diese Bevölkerungsgruppe zu.
Tatsächlich gebe es jedoch auch Bevölkerungsgruppen, die durch eine Regelung, wie Südekum sie vorschlägt, benachteiligt würden. Hierzu würden vor allem Personen ohne stabile Erwerbsbiografien zählen wie Mütter, pflegende Angehörige, Personen mit längeren Phasen der Erwerbslosigkeit oder gesundheitlichen Einschränkungen.

Kein Nachkauf von Beitragszeiten im deutschen Rentensystem vorgesehen

Anders als in Österreich gibt es im System der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung auch keine generelle Möglichkeit eines „Nachkaufs“ von Versicherungszeiten. Lediglich bei bestimmten Berufsgruppen wie Beamten, Soldaten oder Geistlichen besteht eine Nachversicherungspflicht seitens des Arbeitgebers.
Nichtversicherte können hingegen lediglich freiwillige Beiträge während einer Zeit fehlender Versicherungspflicht leisten oder eine Anrechnung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten geltend machen. Kindererziehungszeiten werden zwar teilweise angerechnet, was auch in Form der Verbesserung der Mütterrente im Rentenpaket behandelt wurde, allerdings nicht im gleichen Umfang wie bei vollen Erwerbsjahren.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm unterstützt grundsätzlich die Forderung einer Kopplung des Renteneintrittsalters an eine längere Lebenserwartung. Sie erklärte gegenüber „BILD“:
„Alle, die fit genug sind, sollten länger arbeiten.“
Rentenexperte Bernd Raffelhüschen will es ebenfalls nicht bei der ausschließlichen Berücksichtigung der Beitragsjahre belassen. Dies schaffe weitere Ungleichheiten:
„Solange das Renteneintrittsalter nicht generell angehoben wird, hätten Akademiker ab 70 Jahren noch höhere Rentenansprüche, weil sie entsprechend länger eingezahlt haben – und in der Regel länger leben als etwa Handwerker.“

Eingriff in Lebensplanungen würde lange Übergangsphase nötig machen

Ein weiteres Problem bezüglich der Umstellung auf ein System, das nur die Beitragsjahre berücksichtigt, wäre auch der Vertrauensschutz nach Artikel 3 Grundgesetz. Dieser verbietet es, Regelungen zu schaffen, die rückwirkend tiefgreifend in die Lebensplanung von Menschen eingreifen.
Dies wäre bei derzeit berufstätigen Akademikern der Fall, möglicherweise aber auch schon bei Personen, die sich derzeit im Studium befinden. Die Konsequenz wäre, dass das angestrebte System erst zu einem sehr späten Zeitpunkt greifen könnte und es lange Übergangsregelungen geben müsste.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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