Logo Epoch Times
plus-iconMagdeburger Landtag

Mangel an Dialogangeboten? Enquetekommission befragt ÖRR-Gremienvertreter zu Böhmermann und Parteizugehörigkeit

Seit Jahren wird dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine parteipolitische Instrumentalisierung sowie Intransparenz vorgeworfen. Eine Enquetekommission des Magdeburger Landtags erarbeitet Reformvorschläge, um dessen Akzeptanz in der Bevölkerung zu steigern. Den Ergebnissen einer kritischen Studie gegenüber zeigten sich die geladenen Gremienvertreter des ÖRR jedoch wenig aufgeschlossen.

top-article-image

Enquetekommission zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Landtag von Sachsen-Anhalt in Magdeburg.

Foto: Matthias Kehrein/Epoch Times

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 8 Min.

„Das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) durch Transparenz und Reformwillen stärken“, so der Titel einer Enquetekommission im Landtag von Sachsen-Anhalt, die am 20. Juni in Magdeburg bereits zum 17. Mal tagte.
Auf der Tagesordnung stand die Vorstellung und Diskussion einer Studie zur Zusammensetzung und Arbeitsweise der Aufsichtsgremien des ÖRR. Journalist Peter Stawowy, der sie im Auftrag der Otto-Brunner-Stiftung anfertigte, berichtete, dass die gesellschaftliche Kontrolle der Rundfunkanstalten unzureichend sei.
Ergebnisse von Gremiensitzungen müssten transparenter dokumentiert und öffentlich besser einsehbar sein, beispielsweise durch Livestreams oder veröffentlichte Sitzungsprotokolle und Abstimmungsergebnisse. Auch gebe es Transparenzdefizite bei den Programmbeschwerdeverfahren.
Zudem repräsentierten die Gremien die Gesellschaft nur in sehr begrenztem Umfang und es gebe eine hohe Zahl von Parteiangehörigen oder parteinahen Vertretern in ihnen. Daher regte Stawowy an, die jetzigen Verfahren zur Zusammensetzung der Gremien grundsätzlich zu überdenken.
Des Weiteren gebe es einen Mangel an Dialogangeboten der ÖRR in Richtung Publikum. In der Reformdebatte zur Medienpolitik sei das Publikum durch die Rundfunkräte auch nicht angemessen einbezogen worden.
Zusammenfassend sieht er deutliche Transparenz- und Beteiligungsdefizite beim ÖRR. Für die Journalisten, Blogger und Kommunikationsberater könnten die Gremien dabei eine zentrale Rolle bei der Vertrauensbildung spielen.

ÖRR-Vertreter weisen Kritik zurück

Unmissverständlich zeigten die anwesenden Vertreter des ÖRR, dass sie die Kritik von Stawowy nicht teilen. Dr. Klaus Sondergeld, Vorsitzender der Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK) der ARD und des Rundfunkrates Radio Bremen, der die Tätigkeiten der Aufsichtsgremien koordiniert, führte an, dass der ÖRR an der Spitze aller Medien stehe, wenn es um Vertrauen geht.
„Weil immer noch circa Dreiviertel der Menschen in Deutschland sich vertrauensvoll äußern, gerade wenn es um die politische Berichterstattung in ZDF und ARD geht“, äußerte er gegenüber Epoch Times.
In den vergangenen Jahren sei „sehr viel“ passiert, so der ehemalige Sprecher des Bremer Senats. Seit dem dritten Medienänderungsstaatsvertrag gebe es mehr Verfahren der Öffnung und der Transparenz. Und der neue Reformstaatsvertrag sehe noch mehr davon vor, verteidigte Sondergeld die Arbeit des ÖRR.

Sondergeld: Landesparlamente für Zusammensetzung zuständig

Zur Zusammensetzung der Gremien sieht er die Verantwortung bei den Landesparlamenten liegen. Über die Rundfunkgesetze oder Staatsverträge würden sie die Regelungen dazu beschließen.
Auch habe das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eindeutig ausgeführt, dass eine genaue Abbildung der Gesellschaft in solchen Gremien nicht möglich sei, so Sondergeld weiter.
In der kritisierten zu hohen parteipolitischen Dichte in den Gremien sieht Sondergeld ein Scheinargument. Stawowy habe, anders als von Karlsruhe vorgesehen, auch die vom Roten Kreuz oder dem Landessportbund entsandten Mitglieder mit Parteibuch mitgezählt. „Und nicht jeder, der in einer Partei ist, vertritt diese auch wie ein Parteisoldat“, führte er aus.

Linken-Landtagsabgeordneter gegen Parteitransparenz

Der Linken-Landtagsabgeordnete Stefan Gebhardt kritisierte den Vorschlag von Stawowy, die Parteizugehörigkeit transparent zu machen. Er selbst sei Mitglied im MDR-Rundfunkbeirat und Stellvertreter im ARD-Programmbeirat. Aus seiner Sicht spiele Parteizugehörigkeit keine Rolle in der Arbeit des MDR-Rundfunkrates.
Mitglieder erhielten eine monatliche Aufwandsentschädigung von 834,23 Euro plus ein Sitzungsgeld von 69,54 Euro pro Sitzungstag. Als Mitglied im ARD-Programmbeirat erhalte er zusätzlich eine monatliche Aufwandsentschädigung von 1.005,44 Euro. Vorsitzende und Stellvertreter erhielten höhere Beträge.
Die Grünen-Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking hat Bedenken, die Inhalte von Gremiensitzungen transparenter zu machen. Wenn etwas öffentlich werde, werde es verhetzt und eine sachliche Diskussion sei nicht mehr möglich. Auch Frederking ist Mitglied im MDR-Rundfunkrat.
Stawowy ließ dieses Argument nicht gelten, da man mit solch einer Begründung jegliche Diskussion und Debatte ausschließen könnte. Es käme darauf an, wie man das Format organisiere und wie man eine Beteiligung technisch gestalte.

Parteipolitische Freundeskreise

Die ZDF-Fernsehratsvorsitzende Gerda Hasselfeldt bestätigte, dass es parteipolitische Freundeskreise innerhalb des ZDF-Fernsehrates gibt. Diese würden ihre Treffen selbst organisieren, aber im ZDF-Haus in Mainz tagen – auch in Form von Klausurtagungen, zu denen auch „schon mal“ der Intendant eingeladen würde, so Hasselfeldt.
Der Vorsitzende der Enquetekommission, Chris Schulenburg (CDU), sprach die Böhmermann-Sendung des ZDF an. Er wollte wissen, inwiefern sie Gegenstand von Beschwerden und Diskussionen im ZDF-Fernsehrat sei.
„Es gab Diskussionen darüber bei uns, aber momentan ruht das Ganze, weil das Gerichtsverfahren noch nicht abgeschlossen ist“, so die ZDF-Fernsehratsvorsitzende.

Beschwerden zur Böhmermann-Sendung

Der stellvertretende Vorsitzende der Enquetekommission, Tobias Rausch (AfD), hakte bei Hasselfeldt nach. Wie das Agieren von Böhmermann in der ZDF-Sendung mit dem Staatsauftrag des ÖRR vereinbar sei, fragte er.
Darauf erwiderte Hasselfeldt, die früher verschiedene Ministerposten bekleidete und Vizepräsidentin des Bundestages war, dass man jede Programmbeschwerde darauf prüfe, ob Kriterien wie Objektivität, Ausgewogenheit und Wahrhaftigkeit erfüllt seien oder eine Diskriminierung vorliege. Dann werde innerhalb des 60 Mitglieder starken Fernsehrates abgestimmt.
„Satire würde aber dann noch anders behandelt“, so die DRK-Präsidentin. „Aber die Böhmermann-Sendung ist Thema bei uns im Fernsehrat“, bestätigte sie.
Allerdings habe der Fernsehrat keinen Einfluss auf das Programm. „Unsere Macht, das einzuschränken, ist rein rechtlich nicht gegeben“, erklärte sie gegenüber der Kommission.
An Rausch gerichtet erklärte sie, dass es zu Böhmermann in der Gesellschaft auch andere Ansichten als die der AfD gebe.

AfD-Politiker sieht Widerspruch

Rausch gab zu bedenken, dass die Böhmermann-Sendungen für die Betroffenen, wie den ehemaligen BSI-Chef oder den Betreiber des kürzlich angegriffenen YouTube-Kanals, negative Auswirkungen gehabt hätten. Wenn daraus keine Konsequenzen gezogen würden, sondern alles als Satire abgetan werde, dann sei der Fernsehrat überflüssig, so der AfD-Politiker im Gespräch mit der Epoch Times.
Auch habe eine repräsentative INSA-Umfrage im Auftrag der AfD Anfang 2025 ein anderes Bild zur Beliebtheit des ÖRR ergeben. Dort hätten sich 73 Prozent der Befragten für eine Kündigung der Rundfunkstaatsverträge ausgesprochen, wenn die ÖRR-Reformen nicht weit genug gehen würden. „Das ist auch unsere Auffassung“, so Rausch.
Er setzt sich mit seiner Partei für einen Wegfall des Rundfunkbeitrags ein. Der ÖRR solle zudem auf einen „Grundfunk“ reduziert werden, der durch das allgemeine Steueraufkommen finanziert wird.
Dieser soll, nach Ansicht der AfD, eine Grundversorgung mit Nachrichten, Berichten von Amateur- und Breitensport, Angeboten zur Lebenshilfe und Informationen zum Verbraucherschutz sicherstellen. Ein darüber hinausgehendes Fernseh- und Rundfunkprogramm würde dann über Abomodelle finanziert werden.

Abschlussbericht mit Empfehlungen

Zum Ende der Legislaturperiode im Sommer 2026 wird die Kommission einen Abschlussbericht mit Empfehlungen zur Reform des ÖRR erstellen.
Nach Angaben des MDR handelt es sich bundesweit um die erste Arbeitsgruppe in einem Landtag, die Vorschläge für einen zeitgemäßen ÖRR entwickeln soll.
Sie war auf Betreiben der Regierungsfraktionen CDU, SPD und FDP und der oppositionellen Linken in Sachsen-Anhalt im Januar 2023 von allen Fraktionen beschlossen worden.
Als Hauptstadtreporter ist Erik Rusch regelmäßig in der Bundespressekonferenz und überall „Vor Ort“, wo kritische Fragen zu aktuellen Themen in den Bereichen Gesellschaft und Politik zu stellen sind.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.