Scholz: Mehr Waffenverbotszonen und Abschiebungen – auch nach Afghanistan

Bundeskanzler Scholz hat in einer Regierungserklärung zur inneren und äußeren Sicherheit Themen wie den Messerangriff in Mannheim oder das Hochwasser angesprochen. Er trat dafür ein, die Abschiebung islamistischer Gefährder und Straftäter auch nach Afghanistan und Syrien zu ermöglichen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt an der Sitzung des Bundestags mit der Regierungserklärung zur „aktuellen Sicherheitslage“ teil.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor einer Rede.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Von 6. Juni 2024

Am Donnerstag, dem 6. Juni, hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Regierungserklärung zur Sicherheit in Deutschland abgegeben. Hauptthema war dabei der mutmaßlich islamistisch motivierte Messerangriff in Mannheim, bei dem der 29-jährige Polizeibeamte Rouven L. getötet wurde. Scholz nahm jedoch auch zum Hochwasser in Süddeutschland und zur Situation in der Ukraine Stellung.

Scholz: „Wer Polizisten tötet, muss mit größter Härte des Rechtsstaats bestraft werden“

Zu Beginn seiner Erklärung gab der Kanzler seiner Zuversicht Ausdruck, dass sich Deutschland während der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft EURO 2024 „von seiner besten Seite“ zeigen werde. Die Sicherheit sei über das gesamte Turnier hinweg gewährleistet.

Den Messerangriff von Mannheim bezeichnete Scholz als „Terrorismus“. Dieser wolle Schrecken erzeugen und die Freiheiten gefährden, die kennzeichnend für unsere Demokratie sind. Es sollten sich aber „diejenigen fürchten müssen, die unsere Freiheit und unseren Frieden stören“ wollen.

Wer Polizisten töte, müsse „mit der größten Härte des Gesetzes bestraft“ werden. Es sei zu begrüßen, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen habe. Es müsse über mögliche Verschärfungen des Strafrechts gesprochen werden. Außerdem seien mehr Waffen- und Messerverbotszonen erforderlich – bundesweit und vor allem an Hotspots und bei Veranstaltungen.

Auch Terrorverherrlichung soll besonderes Ausweisungsinteresse begründen

Scholz warnte vor Generalverdächtigungen gegenüber Bevölkerungsgruppen oder den mehr als 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte, die in Deutschland leben. Gleichzeitig kündigte der Kanzler an, bei Straftätern wie jenem von Mannheim auch Abschiebungen nach Syrien oder Afghanistan möglich machen zu wollen. Scholz äußerte in seiner Erklärung:

„Islamisten haben in Deutschland nichts zu suchen, sie müssen unser Land verlassen.“

Deutsche Sicherheitsinteressen hätten dabei Vorrang vor den Schutzinteressen von Terroristen oder Gefährdern. Das Bundesinnenministerium arbeite auch bereits an der Umsetzung angedachter Lösungen.

Bundeskanzler Scholz betonte zudem, auch die Billigung von Terrorismus müsse künftig ein besonderes Ausweisungsinteresse des deutschen Staates begründen. Extremisten ohne deutschen Pass hätten ihr Schutzinteresse verwirkt. Die Bundesregierung habe die erforderlichen Voraussetzungen geschaffen, um leichtere Ausweisungen zu ermöglichen.

Merz fordert „gemeinsame Reaktion auf zunehmende Verrohung und Gewaltbereitschaft“

Unionsfraktionschef Friedrich Merz bescheinigte dem Kanzler, die richtigen Worte zur Gewalt in Mannheim gefunden zu haben. Er übte scharfe Kritik an deutschen Medien – insbesondere am „Stern“, der jüngst getitelt hatte: „Bauarbeiter leben gefährlicher als Polizisten“. Dies sei ein „weiterer Tiefpunkt eines um sich greifenden Zynismus.“ Mittlerweile ist die Headline abgeändert worden.

Der Angriff von Mannheim sei „kein Unfall, sondern ein heimtückischer Terroranschlag“ gewesen. Die Menschen wollten nun antworten, was jetzt passieren werde, um die Freiheiten der Verfassung zu erhalten. Es müsse eine gemeinsame Reaktion auf die Erscheinungen einer zunehmenden Verrohung und Gewaltbereitschaft geben.

Merz machte auch auf den Antisemitismus als einigende Klammer der meisten Verfassungsfeinde aufmerksam. In diesem Kontext forderte er Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf, die Präsidentin der TU Berlin, Geraldine Rauch, aus seinem „Zukunftsrat“ zu entfernen. Der CDU-Chef forderte auch die Schließung des proiranischen „Islamischen Zentrums Hamburg“.

Angesichts seiner Bedeutung bei der antisemitischen Beeinflussung junger Menschen sei es auch erforderlich, soziale Medien wie die Plattform TikTok stärker zu kontrollieren. Die Polizei müsse besser ausgerüstet werden, um den Bedrohungen technisch gewachsen zu sein. Es sollten die noch bestehenden „technischen Kontakte“ nach Afghanistan auch bei Rückführungen nutzbar gemacht werden. Merz forderte zudem eine Verschiebung des neuen Staatsbürgerschaftsrechts.

Nouripour: Keine Anerkennung der Taliban – Weidel: „Musterbeispiel für migrationspolitisches Versagen“

Vonseiten der Grünen forderte Fraktionschefin Britta Hasselmann, die Generalbundesanwaltschaft müsse auch mögliche Netzwerke und Hintermänner des Täters von Mannheim erforschen. Parteichef Omid Nouripour wiederum warnte davor, bezüglich einer Abschiebung nach Afghanistan an einfache Lösungen zu glauben.

Es gebe keine diplomatischen Beziehungen, und es dürfe keine Anerkennung der Taliban geben. Es sei auch wenig wahrscheinlich, dass sich ein Drittstaat finde, der Interesse daran hätte, Terrorverdächtige aufzunehmen. Man müsse befürchten, dass bei Schnellschusslösungen die Betroffenen zeitnah wieder in Deutschland auftauchten.

Für die AfD äußerte Fraktionschefin Alice Weidel, der Messerstecher von Mannheim hätte „nicht hier sein dürfen“. Dass er trotz Ablehnung seines Asylantrags im Jahr 2014 nicht abgeschoben worden sei, sei ein „Musterbeispiel für migrationspolitisches Versagen“ und ein Produkt eines „politisch gewollten Kontrollverlustes“.

Weidel spricht unter Bezugnahme auf jüngste Daten der polizeilichen Kriminalstatistik von einem überdurchschnittlichen Anteil nicht-deutscher Tatverdächtiger, vor allem bei Gewaltdelikten. Dies zeige, dass das deutsche Asylrecht nicht Verfolgte, sondern Kriminelle schütze. Die Konsequenz aus den Ereignissen müsse eine umgehende und grundsätzliche „Migrationswende“ sein.

Klingbeil: „Schreihälse auf Marktplätzen sind nicht die Mehrheit“

Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr kritisierte, es sei „nicht nach Afghanistan abgeschoben worden, als es noch gegangen wäre“. Die Ampel habe wichtige Schritte im Kampf gegen Islamismus und Antisemitismus gesetzt. Dieser sei nun ein Ausschlussgrund für die Einbürgerung. Auch das Rückführungspaket auf nationaler und das GEAS auf europäischer Ebene seien richtige Entscheidungen. Es bedürfe jedoch auch europaweit einer Einigung darauf, die Gruppe sogenannter subsidiär Schutzberechtigter einzuschränken.

SPD-Chef Lars Klingbeil würdigte die Polizeibeamten in Deutschland als „unseren Schutzwall in Zeiten von Angriffen gegen die Demokratie“. Man sei als Gesellschaft in der Verantwortung, Schutz und Arbeitsbedingungen der Einsatzkräfte zu verbessern. Die Solidarität im Land sei stark, die „Schreihälse sind nicht die Mehrheit“.

Für die Gruppe der Linken kritisierte Heidi Reichinnek, es sei „unwürdig, Fotos des Getöteten für eigene Agenda zu nutzen“, wie dies derzeit vielfach mit Blick auf Rouven L. geschehe. An der Regierungserklärung von Kanzler Scholz zur Sicherheit kritisierte die Abgeordnete, dieser habe verabsäumt, die soziale Sicherheit als Teil davon zu thematisieren. Dies habe auch die Regierung zuvor so praktiziert:

„Der Schutz der schwarzen Null war wichtiger als Schutz der Bevölkerung.“

Scholz: „Unser Land funktioniert“ – Wagenknecht: „Vabanque-Spiel mit dem Leben der Bürger“

Mit Blick auf das Hochwasser äußerte Scholz, die große Hilfsbereitschaft und der Einsatz dort zeigten, dass Deutschland stark sei und „das Land funktioniert“. Man stehe in der Not zusammen. Das Klimaanpassungsgesetz schaffe zudem einen tauglichen Rahmen, um sich noch besser auf Extremwetter einzustellen. In der nächsten Runde mit den Ländern werde die Frage der Elementarversicherungspflicht zum Thema gemacht.

Mit Blick auf die Ukraine erklärte der Kanzler, er nehme Sorgen bezüglich einer möglichen Eskalation ernst. Er habe als Bundeskanzler Verantwortung dafür, dass „kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, Krieg erlebt“. Man wolle aber mit Blick auf Russland die „Rückkehr des Krieges als Mittel der Politik“ nicht zulassen. Die Ermächtigung der Führung in Kiew, mit deutschen Waffen militärische Ziele jenseits der russischen Grenze anzugreifen, sei auf die Eröffnung der neuen Front bei Charkow gemünzt. Man werde „besonnen vorgehen und die Risiken genau abwägen“.

BSW-Sprecherin Sahra Wagenknecht wirft Scholz hingegen ein „Vabanque-Spiel mit dem Leben der Bürger“ vor. Die Kehrtwende des Kanzlers bezüglich des Einsatzes deutscher Waffensysteme bringe Deutschland selbst in Gefahr.

 



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