Wirtschaftspläne im Wahlkampf: Wie sehen die Konzepte der Parteien für Deutschland aus?
Anfang November ist die Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP zerbrochen. Die Koalition hatte zuvor wochenlang über die richtige Wirtschaftspolitik gestritten. In zwei konträren wirtschaftspolitischen Papieren kamen diese zum Ausdruck. Die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der FDP um Christian Lindner kollidierten mit den Vorstellungen von SPD und den Grünen. Nachdem Christian Lindner sein Konzept mit dem Titel „Wirtschaftswende Deutschland“ Anfang November vorgelegt hatte, kritisierte der Kanzler die Vorschläge umgehend als „nicht anständig“ und „nicht gerecht“.
Wenige Stunden vor der Entlassung legte Scholz dann seine eigenen wirtschaftspolitischen Vorstellungen vor. Im Statement Lindners nach seiner Entlassung durch Scholz kommentierte Lindner die Vorstellungen des Kanzlers als „matt und unambitioniert“.
Stabile wirtschaftliche Perspektiven eröffnen
Am vergangenen Donnerstag machte Lindner in seiner Rede auf dem „Zukunftsforum25“ der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit deutlich, dass er an seinen Forderungen festhält.
Für den FDP-Chef hat die Stärkung der deutschen Wirtschaft aktuell oberste Priorität. „Wenn Menschen Sorge um ihre materielle Existenz haben müssen, um die wirtschaftliche Zukunft ihrer Familie oder ihren Job, dann sehen sie von vielem anderen ab. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Polarisierung in unseren Gesellschaften abzuwenden, indem wir den Menschen stabile wirtschaftliche Perspektiven eröffnen“, so Lindner.
Welche Konzepte haben nun die Parteien für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland? Was würden sie bedeuten und wie schätzen Ökonomen die einzelnen Pläne ein?
Streit um Schuldenbremse in vollem Gange
Am Ende war es die Finanzpolitik, die zum Ende der Ampel führte. Bundeskanzler Scholz hatte von seinem Finanzminister verlangt, eine Notlage im Sinne der Schuldenbremse auszurufen.
Er begründete den Notstand mit der Lage der Ukraine im Krieg gegen Russland und der zu erwartenden geringeren finanziellen Unterstützung der USA unter Donald Trump.
Für die FDP ist die Schuldenbremse unantastbar. „Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse ist ein Gebot der Vernunft und der Generationsgerechtigkeit“, heißt es auf der Website der Partei zu diesem Thema.
Lindner lehnte deshalb vehement ab, die Schuldenbremse für das kommende Jahr zu kippen. Er habe rechtliche Bedenken gegen eine Schuldenbremse-Notlage, sagte er im Statement gegenüber der Presse nach seiner Entlassung. Der Kanzler habe von ihm verlangt, seinen Amtseid zu brechen. Scholz sei es, so der Vorwurf Lindners, nicht um die Ukraine gegangen. Er habe bloß SPD-Klientelpolitik machen wollen. Statt neuer Schulden hatte Lindner vorgeschlagen, beim Bürgergeld oder der Rente zu kürzen. Das lehnte Olaf Scholz ab.
Schuldenbremse reformieren
Auf einer Veranstaltung von sozialdemokratischen Kommunalpolitikern in Berlin machte Scholz am Freitag deutlich, dass die Schuldenbremse reformiert werden müsse. „Wir werden sie nicht wegkriegen. Wir wollen sie auch gar nicht wegkriegen. Aber wir wollen, dass sie besser handhabbar ist“, sagte Scholz laut dem „Handelsblatt“. Bis 2028 müsse der Verteidigungsetat auf 80 Milliarden Euro erhöht werden, da man auch in Zukunft das Zwei-Prozent-Ziel der NATO einhalten wolle. Dazu kämen in den nächsten Jahren nötige Schuldenrückzahlungen. Dabei ginge es vorwiegend um Ausgaben der Coronazeit, während der hohen Energiepreise und für das Sondervermögen der Bundeswehr. „Die Frage ist doch, geht das auf Kosten von all dem, was wir an Zukunft und Zusammenhalt in Deutschland haben wollen?“, fragte Scholz die anwesenden Kommunalpolitiker.
Auch die Grünen hatten sich auf ihrem Parteitag Mitte November für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen. Statt einer Abschaffung fordert die Partei eine Reform mit dem Ziel, die Aufnahme von staatlichen Krediten in dem Umfang zu ermöglichen, wie vom Staat Investitionen getätigt werden.
Die CDU hat sich bisher immer zur Schuldenbremse bekannt. Im Grundsatzpapier heißt es dazu:
Solide Finanzen sind ein Gebot der Generationengerechtigkeit. Die Garantie dafür ist die Schuldenbremse. Sie sichert die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte. Grundsätzlich sollten öffentliche Haushalte ohne neue Schulden aufgestellt werden. […] Es soll der Grundsatz gelten, dass in Krisenzeiten aufgenommene Schulden in einer Generation zurückgezahlt werden.“
Wackelt CDU bei der Schuldenbremse?
Bei CDU-Chef Merz klang es allerdings wenige Tage nach dem Ende der Ampel plötzlich ganz anders. Auf dem Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“ (SZ) sagte der Mann, der nach der Wahl der neue Bundeskanzler werden könnte, auf die Schuldenbremse angesprochen:
Selbstverständlich kann man das reformieren. Die Frage ist: wozu, mit welchem Zweck?“
Er sei gegen eine Reform der Schuldenbremse, um mehr Geld für Konsum und Sozialleistungen auszugeben. Dann schränkt der CDU-Chef aber ein:
Ist das Ergebnis, es ist wichtig für Investitionen, es ist wichtig für Fortschritt, es ist wichtig für die Lebensgrundlage unserer Kinder. Dann kann die Antwort eine andere sein.“
Ökonomen streiten schon länger über Sinn und Unsinn der Schuldenbremse. So sprach sich der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther gegenüber BR24 Mitte Oktober für eine Lockerung der Schuldenbremse aus. Der Ökonom forderte, Investitionen sollten aus der Schuldenbremse herausgenommen werden. Konkret schlug Hüther schon im vergangenen Jahr vor, für den Bundeshaushalt einen 500 Milliarden Euro großen Sonderfonds für Infrastruktur und Transformation einzurichten. Vorbild soll der Sonderfonds für die Bundeswehr sein.
Statt neuer Schulden andere Prioritäten setzen
Jörg Guido Hülsmann ist Ökonomie-Professor und „Senior Fellow“ am libertären Ludwig von Mises Institute in Auburn (Alabama). Auf Anfrage der Redaktion spricht er sich entschieden gegen eine „Aushebelung der Schuldenbremse“ aus. Grundsätzlich sei er sogar gegen jegliche öffentliche Verschuldung, sagt er. „Ausnahmen sollte es nur in absoluten Notfällen geben, in dringender Not, wenn der normale Gesetzgebungsweg und die Finanzierung über Steuern nicht sofort eingeschlagen werden kann. Auch dann sind diese Notkredite schnellstmöglich zurückzuzahlen“, so Hülsmann.
Wenn die Regierung meine, dass sie mehr Geld benötige, dann müsse sie eine „entsprechende Steuererhöhung vorschlagen“ und dafür versuchen, eine Mehrheit zu erhalten. Gelinge dies nicht, „dann bedeutet das, dass die Bürger bessere Verwendungen für ihr hart erarbeitetes Geld kennen.“
Auch die Argumente des Investitionsbedarfs lässt der Ökonom, der sich der sogenannten österreichischen Schule zugehörig fühlt, nicht gelten. „Wenn die Regierung mehr investieren will, muss sie die Prioritäten anders setzen, zum Beispiel weniger Geld für feministische Außenpolitik und mehr Geld für Brücken und Straßen“, so der Universitätsprofessor gegenüber Epoch Times.
Vor allem keine neuen Staatsschulden
Ähnlich sieht es auch Thorsten Polleit, Honorarprofessor an der Universität Bayreuth. „Die Schuldenbremse schützt die ehrlichen und arbeitsamen Bürger vor dem unstillbaren Geldhunger der Politiker und ihrer Günstlinge. Staatsschulden sind nichts anderes als ein süßes Gift“, so Polleit auf Anfrage der Redaktion. „Der Weg zu mehr Wachstum, zum Erhalt von Wohlstand ist, den Staat auf das Stärkste zu verkleinern, die freien Marktkräfte zur Entfaltung bringen“, so der Ökonom weiter. Konkret schlägt Polleit vor, die Steuer- und Abgabenlast zu senken, Staatsausgaben zu kürzen und „vor allem keine neuen Staatsschulden zu machen“.
Investitionsprämie soll Wirtschaft ankurbeln
Bei der Steuerpolitik gehen die Vorstellungen ebenfalls auseinander. Scholz schlägt eine Investitionsprämie vor. Wenn ein Unternehmen investiert, kann es dadurch seine Steuerlast verringern. Ursprünglich kam die Idee von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Alle Investitionen der Unternehmen, etwa in den Bereichen Infrastruktur, Bildung und Digitalisierung – mit Ausnahme von Gebäudeinvestitionen – sollen am Ende des Jahres den Unternehmen zu zehn Prozent über die Steuer erstattet werden, so Habecks Plan aus dem Oktober.
Scholz’ Vorschlag bleibt weit hinter den Ideen von Habeck zurück. Der Kanzler verweist darauf, dass das europäische Beihilferecht Investitionsprämien enge Grenzen setzt. Daher könne man diese nur für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz gewähren.
Gegenmodell ist direkte Steuersenkung
Lindner möchte die Steuern für Unternehmen hingegen direkt senken. So schlägt er vor, die Körperschaftsteuer in einem ersten Schritt schon 2025 um zwei Prozentpunkte zu reduzieren. Weitere Schritte sollten spätestens 2027 und 2029 folgen.
Außerdem möchte Lindner den Solidaritätszuschlag (Soli) senken. Im kommenden Jahr schlägt er 2,5 Prozentpunkte vor. Damit läge er dann noch bei drei Prozent. Bis 2027 soll er dann in einem zweiten Schritt völlig entfallen. Seit 2021 zahlen den Soli nur noch Besserverdienende sowie GmbHs und andere Körperschaften.
Schon im Juni schlug die CDU für Unternehmen ein „Wachstumsprogramm“ vor. Schrittweise soll die Steuerbelastung auf 25 Prozent gesenkt werden. Damit sollen Unternehmen weniger Steuern auf ihre erwirtschafteten Gewinne zahlen, was mehr Investitionen ermöglichen soll. Zusätzlich soll es eine neue Abschreibungsmöglichkeit geben, die sogenannte temporäre „Turboabschreibung“. Mit dieser sollen Unternehmen ihre Investitionen schneller steuerlich absetzen können. Weiter forderte die CDU die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags.
Investitionsprämien kurieren nur Symptome
Professor Stephan Kooths, Leiter des Prognosezentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) sieht auf Anfrage der Redaktion das Instrument der Investitionsprämien kritisch. „Investitionsprämien kurieren nur die Symptome, an den eigentlichen Standortschwächen ändert sich nichts“, so die Einschätzung des Ökonomen. Die Schuldenfinanzierung dieser Subventionen gehe von der Vorstellung aus, dass der Staat ein „außenstehender Dritter“ sei, der den „Privaten unliebsame Standortkosten ersparen könne“. Damit sei nichts gewonnen, weil die Mittel für die Subventionen auf Dauer von den privaten ökonomischen Akteuren erwirtschaftet werden müssten und diese daher im Ergebnis nicht entlasten können.
Das Lindner-Papier mit seiner „angebotspolitischen Ausrichtung“ adressiere klarer die Ursachen der Standortprobleme, so Kooths. Diese seien bei einer Staatsausgabenquote von nahezu 50 Prozent nicht einer zu geringen Staatsaktivität geschuldet. „Steuersenkungen lassen den Unternehmen zudem mehr Handlungsoptionen, indem sie allgemein die Gewinnanreize erhöhen“, so der Ökonom. Investitionen seien nur ein Mittel zum Zweck, nämlich die Steigerung der Arbeitsproduktivität, und kein Selbstzweck. Mitarbeiterschulungen oder Prozessoptimierungen steigerten ebenfalls die Arbeitsproduktivität, würden über Investitionsprämien aber nicht gefördert werden.
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