Entscheidend sind Demut und Bescheidenheit

Shen-Yun-Tänzer William Li reflektiert über den klassischen chinesischen Tanz: „Er kommt wirklich aus dem Herzen.“
Titelbild
William Li in der Rolle des Affenkönigs, einer legendären Figur aus dem Klassiker „Die Reise in den Westen“.Foto: Dai Bing/The Epoch Times
Von 28. April 2024

Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Bevor du eine Fähigkeit erlernst, lerne zuerst, ein guter Mensch zu sein.“ Eine Weisheit, die William Li in seiner Kunst verkörpert: dem klassischen chinesischen Tanz. „Tanzen kommt wirklich aus dem Herzen. Es geht nicht nur darum, die Bewegungen auszuführen“, sagt er.

Li ist Solotänzer bei Shen Yun Performing Arts in New York, der weltweit führenden Kompanie für klassischen chinesischen Tanz. Er trat dem Ensemble 2007 bei und wurde 2015 zum Tanzlehrer ernannt. Im Jahr 2023 war er Jurymitglied beim zehnten jährlich stattfindenden Internationalen Wettbewerb für Klassischen Chinesischen Tanz des Fernsehsenders NTD (New Tang Dynastie).

Hineinversetzen in die Figur – im Einklang mit sich selbst

Der klassische chinesische Tanz, eine jahrtausendealte Kunstform, deren Wurzel in der alten chinesischen Oper und der Kampfkunst liegt, ist für seine tiefergreifende Ausdruckskraft bekannt. Diese ermöglicht es den Shen-Yun-Aufführungen, uralte Erzählungen und Heldenfiguren aus der 5.000-jährigen Geschichte Chinas auf der Bühne lebendig werden zu lassen.

Um diese Kraft richtig einzusetzen, bedarf es mehr als nur der Technik. „Wenn man eine Figur gut darstellen will, muss man sich in sie hineinversetzen können. Die eigenen Werte und das eigene Leben sollten damit am besten in Einklang sein“, erklärt Li.

„Die Bewegungen müssen Emotionen ausdrücken und das ist gleichzeitig ein Ausdruck ihrer eigenen Persönlichkeit. Was empfinden Sie in Ihrem täglichen Leben? Wenn Sie immer sehr mürrisch oder wütend sind, spiegelt sich das in Ihrem Tanz wider.“

Es sei wie der Unterschied, ob man wirklich an das glaubt, was man sagt, oder eben nicht, vergleicht Li die Situationen. Das Gegenüber kann den Unterschied spüren. „Wenn ich also selbst gutherzige Prinzipien lebe, kann ich sie auf der Bühne besser repräsentieren. Man muss sich als Mensch weiterentwickeln, um ein guter Tänzer zu sein“, erläutert er.

William Li, Solotänzer bei Shen Yun Performing Arts. Foto: Dai Bing/The Epoch Times

Demut annehmen

Eine Figur, die Li besonders am Herzen liegt, ist der legendäre Affenkönig aus der „Reise in den Westen“, einem der vier Klassiker der chinesischen Literatur. Der schelmische Affe erlangt unter einem daoistischen Meister magische Kräfte, ernennt sich selbst zum „Großen Weisen, der dem Himmel ebenbürtig ist“ und richtet im Himmel Chaos an. Daraufhin wird er zur Strafe von Buddha verbannt und 500 Jahre lang unter einem Berg gefangen gehalten.

Schließlich wird er – auf Anordnung des Buddhas – von einem buddhistischen Mönch befreit, um dessen Schüler und vor allem sein Leibwächter zu werden auf einer gefährlichen Pilgerreise auf der Suche nach heiligen Schriften.

„Während dieser Reise sieht man, wie sich der Affenkönig von einer arroganten Person zu einer … bescheidenen Person entwickelt, obwohl er so mächtig ist“, erzählt Li. „Bei den Proben zu dieser Figur lernte ich auch etwas über diese Demut. Das kam mir zugute.“

Es ist ein Grundsatz, den er in seinem täglichen Leben, in seinen Gedanken und Handlungen sowie im Hinblick auf seine Kunst verinnerlicht hat.

Die chinesische Kultur gilt als göttlich inspiriert. Ich glaube, auch meine Fähigkeiten und Fertigkeiten sind mir vom Göttlichen gegeben worden“, sagt Li.

Obwohl er seit Jahren sein Metier perfektioniert, lernt er immer noch dazu. Er erinnert sich zum Beispiel daran, wie der künstlerische Leiter von Shen Yun die fortgeschrittenen Techniken von „shen dai shou, kua dai tui“ einführte – was so viel bedeutet wie „der Körper führt die Arme, die Hüften führen die Beine“. Dies erlaubt dem Tänzer, dass seine Bewegungen „länger und ausdrucksstärker werden“, so Li.

„Tanz ist eine Sprache, bei der die Kommunikation über den Körpereinsatz läuft. Wichtig ist dabei, dass es für das Publikum klar und schön ist“, konstatiert er.

Da Li diese herausfordernden Techniken erst später in seiner Tanzkarriere erlernte, musste er einiges zunächst wieder verlernen. „Das ist sehr schwierig, selbst wenn etwas Neues besser ist und man sieht, dass es wirklich richtig ist. Das braucht Zeit. Man muss das alte Ich loslassen und das neue Ich finden“, sagt er.

Gleichzeitig Lehrer und Schüler

Die Tätigkeit als Tanzlehrer verhalf Li zu neuen Höhenflügen. „Um unterrichten zu können, muss man sein Gebiet wirklich beherrschen“, ist sich Li sicher.

So verbrachte er viel Zeit damit, darüber nachzudenken, wie man bestimmte Bewegungen ausführt, wo man die Kraft einsetzen muss und wie er seinen Schülern solche Feinheiten am besten erklärt.

Je mehr man darüber nachdenkt, desto besser versteht man die Bewegung und dann kann man sie auch selbst besser ausführen.“

Li ist auch geistig erstarkt. Eine ständige Herausforderung besteht darin, die zusätzlichen Anforderungen des Unterrichtens – körperlich, aber vor allem geistig – unter einen Hut zu bringen und gleichzeitig die Standards aufrechtzuerhalten, an die er sich als Darsteller hält. Li erinnert sich, dass er zu Beginn seiner Lehrtätigkeit nach einer Unterrichtsstunde so erschöpft war, dass er ein Nickerchen machen musste. Sein Verantwortungsbewusstsein gegenüber seinen Schülern hat ihm jedoch geholfen, seine Kapazitäten zu erweitern.

Die eigenen Erfahrungen von William Li sind von unschätzbarem Wert für seine Arbeit als Tanzlehrer, bei der er die nächste Generation von Tänzern ausbildet. Foto: Dai Bing/The Epoch Times

„Als Tanzlehrer muss man eine Menge Energie in den Tanzsaal mitbringen. Du bist der Anführer der Gruppe. Wenn du also niedergeschlagen bist, bekommen das alle zu spüren“, ist sich Li bewusst. Wenn er sich über die Bedeutung seiner Rolle im Klaren ist, hat er „die Energie, das zu überwinden“, fügt er hinzu.

In seinen Klassen kämpft jeder Schüler mit etwas anderem, sei es die eigene Körperlichkeit, die Koordination oder mangelnde Motivation, die wiederum unterschiedliche Ursachen hat. Li hat ein feines Gespür dafür entwickelt, diese Unterschiede wahrzunehmen, um seine Schüler dort abzuholen, wo sie stehen, und sie dort zu unterstützen, wo sie es am meisten benötigen. „Man entwickelt sich fast zu einem Psychologen“, sagt er.

„Wenn ich sehe, wie sie lernen und besser werden und hervorragende Leistungen erbringen, ist das sehr befriedigend und von großer Bedeutung. Und dadurch, dass ich sehe, wie sie sich verbessern, habe auch ich gelernt, dass ich mich als Ausbilder noch viel mehr verbessern muss.“

Die nachfolgende Generation

Wenn William Li nicht auf der Bühne oder im Probenraum agiert, findet man ihn wahrscheinlich mit einer Kamera in der Hand: Er ist einer der drei Shen-Yun-Tänzer, die hinter dem YouTube-Kanal „3 Musketeers“ (3 Musketiere) stehen. Die drei Freunde starteten den Kanal, um dem Publikum zu zeigen, wie das Leben eines Shen-Yun-Künstlers hinter den Kulissen aussieht.

Einige ihrer beliebtesten Folgen bieten Einblicke in einen durchgetakteten Tag auf Tournee oder beim Training in ihrem Stammsitz in der Nähe von New York. Aber sie nutzen die Videos auch, um die traditionelle chinesische Kultur und die Werte, die sie auf der Bühne vermitteln, einem breiteren Publikum näherzubringen – vor allem jüngeren Fans.

„Ich weiß, dass viele Kinder unseren Kanal mögen“, sagt Li und lächelt. „Ich wollte diese traditionellen Werte auf eine unterhaltsamere Art und Weise vermitteln, die leichter zu verdauen ist. Ein humorvoller Sketch über soziale Entgleisungen lehrt beispielsweise Mitgefühl und Rücksichtnahme effektiver als eine erteilte Lektion über die alte chinesische Etikette.“

Im Tanzstudio, so Li, findet er es erfüllend, die nächste Generation von Tänzern zu fördern und „die Tradition und Kunst des klassischen chinesischen Tanzes weiterzugeben“. Sein wichtigster Ratschlag für junge Künstler ist, konsequent zu sein.

„Wir haben ein Sprichwort: Wenn du einen Tag lang nicht übst, dann bist du es, der es weiß. Wenn du zwei Tage lang nicht tanzt, wird dein Lehrer es merken. Wenn du drei Tage lang nicht tanzt, merkt es das Publikum. Sie können es erkennen“, weiß William Li.

Die Ausbildung zum Tänzer sei wie die Pflege eines Samenkorns. „Man setzt es ein und gießt es jeden Tag, aber man sieht nicht, wie es plötzlich zu einem Baum heranwächst – es wird viele, viele Jahre dauern. Es geht darum, Tag für Tag, Schritt für Schritt selbst darauf hinzuarbeiten“, sagt er.

Wenn man nach jahrelangem rigorosen Training auf der Bühne steht, „sollte es von selbst kommen – weil man jeden Tag daran gearbeitet hat. Man kann es nicht einfach einschalten.“

Li weiß, wie schwierig es ist, durchzuhalten, wenn man nicht sofort Ergebnisse sieht, vor allem bei einem so anstrengenden täglichen Training. Aber beim Tanzen – wie bei allem im Leben – liegt der Schlüssel darin, das zu finden „was einen wirklich antreibt“, sagt er.

Als er als jüngerer Tänzer harte Zeiten durchlebte, erinnerte er sich an das große Ganze seiner Kunst: Die Mission von Shen Yun, 5.000 Jahre traditionelle chinesische Kultur in ihrer ganzen Tiefe wiederzubeleben, nachdem diese durch den Kommunismus fast zerstört worden ist „Gerade, wenn es schwierig wird“, sagt Li, „ist das sehr inspirierend.“

 



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